Protocol of the Session on December 17, 2003

(Abg. Drexler SPD: Jetzt machen Sie sich doch nicht lächerlich!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss dem Herrn Finanzminister

(Abg. Drexler SPD: Danken!)

wirklich danken. Das ist sicherlich auch in Ihrem Sinne. Ich möchte dem Herrn Finanzminister und seinen Mitarbeitern dafür danken, dass sie die Grundlage für einen Sparhaushalt gelegt haben, für Schwerpunktsetzungen, für einen verfassungskonformen Haushalt und dafür, dass Strukturreformen angegangen werden, dass wir einen Haushalt haben, der ein hervorragendes Rating erhalten hat, was die finanzielle Bonität angeht. Das muss man so sagen. Dafür meinen herzlichen Dank.

Meine Damen und Herren, Theodor Heuss hat 1952 gesagt, dass dieses Land Baden-Württemberg ein Modell deutscher Möglichkeiten sei. Das ist es bis zum heutigen Tag. Aber Baden-Württemberg ist eben nicht nur ein Modell deutscher Möglichkeiten, sondern auch ein Modell europäischer Möglichkeiten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat seine Rede mit dem Titel versehen: „Die Zukunft gestalten.“

(Der Redner hält die Mappe mit der Rede des Fi- nanzministers zur Einbringung des Haushaltsent- wurfs 2004 in die Höhe.)

Wer meint, dass er bei den gegenwärtig klammen Finanzen noch genügend Geld für solch schöne Mappen ausgeben kann, muss auch wirklich denken, er habe noch etwas zu gestalten, nämlich die Vorderseite dieser Mappe.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Aber seien wir ehrlich: Wir erkaufen uns das bisschen gestalterischen Spielraum, das der Landeshaushalt überhaupt noch aufweist, zu einem äußerst hohen Preis: Wir vermachen noch einmal knapp 2 Milliarden € Schulden an unsere Kinder und an die Politiker, die nach uns kommen. Richtigerweise müsste das Motto lauten: „Die Zukunft erhalten.“ Denn darum geht es. Wir können ja schon nicht mehr gestalten, ohne die finanzielle Zukunft unseres Landes mit immer mehr Schulden zu untergraben.

(Beifall bei den Grünen)

Was sind nun die Kernaussagen grüner Politik zu diesem Haushalt?

Erstens: Wahrheit und Klarheit. Wir müssen endlich damit aufhören, uns in die eigene Tasche und besonders in die Taschen unserer Kinder zu lügen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja!)

Zweitens: Im Landeshaushalt darf nicht auf Kosten der Kommunen gekürzt werden.

(Beifall der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Drittens: Die einzig wirklich unangreifbare Priorität im Landeshaushalt muss die Bildung haben. Das kann gegenwärtig aber auch nicht „mehr Geld“ bedeuten. So einfach können wir es uns nicht machen. Die Effizienzen im Bildungsbereich müssen gesteigert werden. Die Potenziale innerhalb des Bildungsbereichs müssen freigesetzt und zur Qualitätssteigerung eingesetzt werden.

Schließlich viertens: Wir müssen aufhören, immer noch mehr zu fordern. Wir Grünen fangen damit an: Wir werden dieses Jahr zum ersten Mal, seit wir im Landtag vertreten sind, keine Erhöhungsanträge einbringen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Wir setzen unsere Wünsche aus, selbst dort, wo uns das schwer fällt.

Die in dem Haushaltsentwurf vorgesehene Verschuldung, Herr Finanzminister, liegt um 350 Millionen € unter der verfassungsrechtlichen Obergrenze. Der Haushaltsentwurf geht aber nach wie vor von einer überhöhten Steuerschätzung aus, nämlich von der Mai-Steuerschätzung.

Die November-Steuerschätzung ist im Haushaltsentwurf nicht berücksichtigt. Wenn wir jetzt noch die wahrscheinlichen Ausfälle aufgrund der Beschlüsse des Vermittlungs

ausschusses einbeziehen, so kommen wir gegenüber dem Planansatz auf Steuermindereinnahmen von ca. 500 Millionen €. Das heißt, der Haushalt ist im Prinzip schon jetzt verfassungswidrig, weil diese Minderansätze gar nicht berücksichtigt sind. Sie haben uns einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der auf Zahlen basiert, die schon bei seiner Einbringung überholt waren.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Dafür können wir aber nichts, Herr Kretschmann! Das müssen Sie zuge- ben! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Doch, bei der Steuerschätzung schon!)

Herr Finanzminister, Sie haben es selbst angeführt: Wir müssen Schulden aufnehmen, um die Zinsen auf die alten Schulden zahlen zu können. Das Land hat inzwischen insgesamt so viele Zinsen gezahlt, wie es Schulden gemacht hat. Somit hat man sich also netto überhaupt keinen finanziellen Spielraum geschaffen.

(Zuruf des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Im Gegenteil, schon mittel- und langfristig schränkt das den Spielraum ein.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja, wissen wir!)

Was sind nun Ihre Erklärungen, Herr Finanzminister, für diese traurige Lage? Erstens wegbrechende Steuereinnahmen, zweitens demographische Entwicklung, drittens steigender Ausgabendruck aufgrund von steigenden Pensionslasten und Zinszahlungen, viertens die Dauerleier der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – sie wurde auch heute wieder breit und ausladend gespielt –, für die Sie insbesondere die rot-grüne Bundesregierung verantwortlich machen.

Schauen wir uns das Ganze einmal an. Unsere Steuereinnahmen sind auf dem Niveau von 1999, einem wirtschaftlich guten Jahr. Seitdem sind aber die Ausgaben konstant um 8,7 % gewachsen, also beinahe um ein Zehntel. Das heißt, das wahre Problem liegt nicht in den wegbrechenden Steuereinnahmen, sondern es liegt auf der Ausgabenseite. Für Januar bis September des laufenden Jahres liegen die Steuereinnahmen sogar um fast 3 % über dem Ergebnis des entsprechenden Vorjahreszeitraums, aber eben immer noch um fast 2 % unter dem Planansatz. Unsere Einnahmen sind um 3 % gestiegen, und trotzdem haben wir ein Problem. Da muss man sich fragen: Wie gut muss es uns eigentlich gehen, damit wir kein Problem haben?

Ich will damit sagen: In dieser traurigen Lage, in der wir uns haushaltspolitisch befinden, sind wir deswegen, weil wir in den letzten Jahren auf der Einnahmeseite immer schöngerechnet haben. Es stünde uns gut an, das zu unterlassen und in Zukunft von konservativen Ansätzen auszugehen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist richtig! – Abg. Drexler SPD: Steueramnestiegesetz!)

Die demographische Entwicklung, Herr Finanzminister, ist nicht zu bestreiten. Aber ist das etwas Neues? Unsere Bevölkerung ist doch nicht über Nacht ganz unerwartet und unvorhersehbar um 20 Jahre gealtert.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Vom Himmel gefal- len!)

Die demographische Entwicklung anzuführen, Herr Finanzminister, erinnert an das Problem mit den Winterreifen: Fängt es irgendwann im Dezember einmal an zu schneien, dann kommt für die Hälfte der Autofahrer der Winter völlig unerwartet. So ist es bei Ihnen mit der demographischen Entwicklung.

(Beifall bei den Grünen)

Sie gehören zu den Schönwetterfahrern.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Zu Beginn des Jahres 2004 werden wir 80 000, im Jahr 2010 über 100 000 und im Jahr 2030 über 150 000 Pensionärinnen und Pensionäre haben.

(Abg. Clemens Winckler CDU: Da sind Sie dabei!)

Das wird dazu führen, dass das Land jedes Jahr durchschnittlich 200 Millionen € mehr für Versorgungsausgaben aufwenden muss. Die Versorgungsausgaben betragen nach Ihrer Schätzung im Jahr 2030 etwa 8 Milliarden €. Diese Beamten haben wir aber nicht alle gestern plötzlich eingestellt, sondern sie sind auf Lebenszeit eingestellt und arbeiten ca. 30 bis 35 Jahre. Das konnte Sie ja wohl nicht überraschen. Herr Finanzminister, ich muss jetzt einfach fragen: Wer regiert in diesem Land seit fast 50 Jahren? Wer stellt seit fast 50 Jahren den Finanzminister?

(Abg. Zeller SPD: Viel zu lange! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja!)

Sie, die Union.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Die FDP/DVP auch!)

Sie allein haben dafür die Verantwortung und sonst niemand.

(Beifall bei den Grünen)

Mit irgendwelchen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat das überhaupt nichts zu tun. Die Tatsache, dass die Hälfte der Schulden aus der Ära Kohl stammt, müsste Sie allein darauf hinweisen. Das zeigt, dass die Verweise auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die man gerne macht, mit der wirklichen Lage überhaupt nichts zu tun haben, sondern nur einen Zweck haben: die Versäumnisse der Vergangenheit zu verschleiern und sich in ein gutes Licht zu rücken – das aber leider nicht auf Sie scheint.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das stimmt nur zu 50 %!)