Aber wir haben es gemacht. Herr Kollege Göschel, ich will es nur noch einmal erwähnen – Sie hören es vielleicht ungern –:
Bis Ende der Neunzigerjahre gab es auch von der SPDFraktion Sparvorschläge beim Landesstraßenbau. Ich muss Ihnen das noch einmal sagen. Wir können das alles noch einmal schriftlich austauschen; es ist so. Insofern sollte man sich jetzt nicht allzu sehr zum Fürsprecher des Landesstraßenbaus aufschwingen, wenn man wie Sie in der Zeit, von der Sie gerade sagen, dass wir zu wenig Geld zur Verfügung gestellt hätten, noch zusätzliche Reduzierungsvorschläge gemacht hat.
Wer vom Saulus zum Paulus geworden ist, der sollte vielleicht ein bisschen vorsichtiger und ein bisschen ruhiger sein und nicht immer glauben, er müsse jetzt denen, die es von vornherein eigentlich richtig machen wollten, auch noch beibringen, wie es richtig gemacht würde.
Kurzum: Verdopplung der Mittel, mittlerweile auch beim Erhalt des Landesstraßennetzes. Das war noch nötiger; das muss ich auch sagen. Das war eines der großen Kümmernisse, die wir im Landesstraßenbau bekommen haben. Wir liegen aber mittlerweile bei 50 Millionen €. Wir haben uns im Generalverkehrsplan 60 Millionen € vorgenommen. Da würde ich sagen: Wenn wir alle Ziele zu fünf Sechsteln erreichen, dann sind wir schon relativ gut. Wenn man das in diesen Zeiten durchhält, ist das ganz ordentlich.
Wir haben unterschiedliche Haushaltsansätze. Wenn man alles zusammennimmt, dann stimmt das, was ich sage.
Wir haben ganz bewusst so entschieden. Herr Kollege Palmer, Ihre Kürzungsvorschläge zum Landesstraßenbau reichen bis ins Jahr 2003.
Also da wäre ich jetzt einmal ganz friedfertig und ganz ruhig. Das fehlte gerade noch, dass Sie jetzt dafür plädierten, dass wir mehr Mittel für den Landesstraßenbau einsetzen.
In den Jahren 1995 bis 2002 haben wir im Landesstraßenbau immerhin 400 Millionen € ausgegeben. Das ist schon ganz ordentlich.
Erstens: Wir haben uns ganz bewusst – und das tun wir bis zum heutigen Tag – an Unfallschwerpunkten orientiert. Das
ist für uns immer ein Entscheidungskriterium. Dort, wo ein Unfallschwerpunkt ist, geschieht beim Landesstraßenbau schneller etwas.
Zweitens: Wir haben einen Schwerpunkt gebildet und bilden ihn auch weiterhin bei den Ortsumgehungen, weil Ortsumgehungen nicht nur für den Autofahrer wichtig sind, sondern vor allem auch für die Bewohner eines Ortes.
Drittens: Wir haben in den letzten Jahren im Landesstraßenbau ganz bewusst einen Schwerpunkt bei den Radwegen gesetzt. Allein in meinem Wahlkreis gab es in den letzten Jahren bis auf zwei Landesstraßen nur Radwegebau aus dem Landesstraßenbauetat.
Sie mögen daran sehen, dass wir einen differenzierten, behutsamen Ausbau des Landesstraßennetzes vornehmen.
Jetzt will ich bei dieser Gelegenheit nur eines sagen: Hier wurde der Gedanke formuliert: „Für alles, wo wir gut sind, sind wir nicht zuständig, und bei allem, wo wir zuständig sind, sind wir nicht gut.“ Das war ja so ungefähr die Überlegung. Gerade zum Thema Verkehrssicherheit will ich Ihnen sagen: Dass wir allein für die Beseitigung von Unfallschwerpunkten in den letzten sieben Jahren über 20 Millionen € im Landesstraßenbau ausgegeben haben – beim kommunalen Straßenbau, über den wir ja auch verfügen, was die Zuschussmittel anbelangt, ist es dasselbe in Grün –, ist nur ein Baustein der Verkehrssicherheitspolitik.
Unsere Verkehrssicherheitspolitik ist genau so breit angelegt, wie sie angelegt sein muss: mit Landesverkehrswacht, mit Trainingskursen, mit entsprechender polizeilicher Überwachung, mit Unterricht in den Schulen und, und, und. Es ist kein Wunder, dass wir bundesweit bei der Verkehrssicherheitsstatistik ganz vorne und eindeutig auf Platz 1 liegen, was die Verringerung der Zahl der Verkehrsopfer unter Kindern im Straßenverkehr anbelangt. Verkehrssicherheit ist ein ganz komplexes Produkt. Man muss an vielen Stellen etwas tun. Wenn man da Spitze ist, muss man offensichtlich an vielen Stellen etwas richtig gemacht haben. So viel zum Thema Sicherheit.
Weil ich jetzt bei einigen strukturellen Themen bin, lassen Sie mich Ihnen einfach noch ein paar kleine Elemente von verkehrspolitischen Strategien schildern.
Thema Geschwindigkeitsbegrenzungen – ich sage es in einem Satz –: Geschwindigkeitsbegrenzung ist für uns kein Mittel der Verkehrslenkung, aber ein Mittel der Verkehrssicherheitspolitik. Deswegen gibt es bei uns durchaus Geschwindigkeitsbeschränkungen, aber sie sind streng sicherheitsorientiert, und sie werden permanent überprüft.
Stichwort „Überholverbote auf Autobahnen“: Dies ist ein Instrument, mit dem wir ganz gezielt operieren. Wir weiten die Überholverbote auf Autobahnen aus. Wir haben heute in Baden-Württemberg auf knapp 50 % des Autobahnnetzes Überholverbote.
Stichwort „Verkehrsbegrenzungen und -beschränkungen“: Es gibt immer wieder Wünsche von Ortschaften, von Einwohnern, von Bürgern, bestimmte Verkehrsarten – beispielsweise Lkw-Verkehr bei Nacht usw. – nicht haben zu wollen. Wir sind auf diesem Gebiet ganz bewusst zurück
haltend, weil wir sagen: Das wäre eine Verlagerung des Problems in Nachbarorte, und das halten wir nicht für richtig.
Stichwort „Dritte Spuren auf den Autobahnen“: Wir verfolgen ganz bewusst diese Strategie und bauen den Anteil dreispuriger Autobahnen unter Zuhilfenahme von Standspuren und mithilfe von Ummarkierungen massiv aus.
Stichwort Antistaumanagement: Baden-Württemberg ist bislang das einzige Bundesland, das sich intensiv mit diesem Thema befasst hat, vor allem, was das Installieren von Baustellen, Verkehrsinformationsdiensten und dergleichen mehr anlangt. Auf diesem Gebiet ist im Übrigen noch einiges zu tun.
Stichwort Verkehrsbeeinflussungsanlagen: Für uns ist vor allem beim GVFG – – Ich muss dazu sagen, dass wir Nachholbedarf im Bundesstraßenbau haben; dafür mache ich nicht den Bund verantwortlich, sondern gebe zu, dass wir selbst Nachholbedarf haben. Aber bei den Verkehrsbeeinflussungsanlagen im Rahmen des ÖPNV oder im Rahmen der GVFG-Zuschüsse zum Straßenbau unterstützen wir alle Anträge, die irgendetwas mit Verkehrslenkung oder Verkehrsbeeinflussung zu tun haben: beispielsweise Busbevorrechtigungen oder Verkehrsleitrechner oder entsprechende Ampelschaltungen, also grüne Wellen, oder Parkhaussuchsysteme, alles, was es auf diesem Gebiet gibt. Solche Anträge haben bei uns grundsätzlich Vorrang, und wir sind dabei vorangekommen.
Zum Abschluss dieses Punktes will ich Ihnen – dann sage ich noch etwas zum ÖPNV – nur einmal sagen: Beim Thema Flottenverbrauch und beim Thema „Luftschadstoffe aus dem Verkehr“ ist es in der Tat sehr viel besser geworden. 1980 lag der Flottenverbrauch pro Pkw bei zehn Liter, heute liegt er bei sieben Liter. Jetzt kann man sagen, das habe an der Automobilindustrie und an der Kundschaft gelegen; das ist auch richtig.
Ich kann ja nicht einfach den Fahrzeugbestand in einen Abfalleimer werfen und sagen, man müsse von vorne anfangen. Natürlich ist das ein laufender Prozess.
Vor allem was Luftschadstoffe anbelangt, haben wir uns unter den Stichworten „12-Punkte-Programm Ozon“, „bleifreies Benzin“, „schwefelfreies Benzin“, „Euro 4“ und „Euro 5“ auf nationaler und auf europäischer Ebene massiv eingeschaltet, um zu Verbesserungen zu kommen. Insofern hängen solche positiven Entwicklungen auch mit uns zusammen.
Letzte Bemerkung, ÖPNV: Wenn man sich einmal eine Verkehrsstatistik anschaut, kommt man zu einer ganz interessanten Information, zu einer ganz interessanten Erkenntnis. Sie alle kennen wahrscheinlich die Zahlen, wonach der Pkw-Verkehr zwischen 1995 und dem Jahr 2010 um 20 % und der Güterverkehr um 60 % zunimmt. Das sind allge
mein bekannte Zahlen. Wenn man sich jetzt einmal die Jahresfahrleistungen auf den Straßen in Baden-Württemberg anschaut, und zwar für die Hälfte dieses Zeitraums, nämlich zwischen 1995 und 2002, dann stellt man fest: Die Jahresfahrleistungen von Pkws auf baden-württembergischen Straßen ändern sich plus/minus null. Das ist erstaunlich: Die Zahl der Autos hat zugenommen, die Jahresfahrleistung stagniert.
Jetzt gibt es die zusätzliche Erkenntnis – das ist statistisch nicht ganz abgesichert, aber ziemlich wahrscheinlich –, dass die Zahl der längeren Autofahrten mit dem Pkw eher zugenommen hat. Wenn also die Zahl der Autos zugenommen hat und auch die Zahl der längeren Fahrten mit dem Auto zugenommen hat, dann muss augenscheinlich die Zahl der Autofahrten mit kürzeren Fahrstrecken abgenommen haben. Dafür gibt es jetzt zwei Erklärungen. Die erste wäre: Die Leute benutzen ihr Auto nicht mehr, weil sie die Fahrt nicht unternehmen. Die zweite mögliche Erklärung heißt:
Es ist der ÖPNV, der tatsächlich den Effekt erzielt hat, den wir uns vom ÖPNV erwartet haben, nämlich dass er für den Verkehr auf kürzeren Strecken eine Alternative zum Auto geworden ist. Und wenn ich mir jetzt daneben die Entwicklung von plus/minus null beim Autoverkehr in sieben Jahren – trotz Zunahme der Zahl von Pkws – und die Zunahme des Schienenangebots und der Schienennachfrage um knapp 30 % anschaue, dann sehe ich: Da hat offensichtlich etwas stattgefunden, was wir so noch nie wahrgenommen haben, nämlich dass die massive ÖPNV-Politik tatsächlich dazu geführt hat, das langfristige Ziel, das Verkehrswachstum in Zukunft im Wesentlichen über den öffentlichen Verkehr abzuwickeln, zu erreichen. Es wäre schön, wenn wir das vom Güterverkehr genauso sagen könnten. Davon sind wir natürlich weit entfernt.
Die zweite Bemerkung, die ich zum ÖPNV machen möchte, ist die, dass die goldenen Zeiten im ÖPNV aus verschiedenen Gründen vorbei sind. Wir haben von 1995 bis in die Gegenwart goldene Zeiten gehabt, und zwar deshalb, weil wir zum einen wirklich massiv mehr Geld hatten, und zum anderen, weil wir einen unglaublichen Push bei den Angeboten gemacht haben. Wir konnten praktisch alles, was nur halbwegs vernünftig war, tatsächlich auch bezuschussen. Wenn ich Ihnen sage, dass wir im GVFG-Bereich, also bei den Zuschüssen für den ÖPNV nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, in den letzten Jahren keinen einzigen Antrag haben ablehnen müssen, dann kann man wirklich von „goldenen Zeiten“ sprechen.
Aber zwei Probleme gibt es jetzt. Das erste ist: Es wird gekürzt. Es wird ein bisschen im Landeshaushalt gekürzt; das sind die kleinen Beträge.
Jetzt wird zu einem beträchtlichen Teil unter anderem – zu unserem großen Bedauern; dazu werden wir ja morgen noch einmal eine Debatte haben – auch vonseiten des Bundes gekürzt. Es ist übrigens im Sommer 2002 schon einmal vom Bund gekürzt worden. Sie wissen, dass die Regiona
lisierungsmittel, was das Wachstum anbelangt, gedeckelt worden sind, dass wir den Interregioverkehr auf unsere Kosten zusätzlich übernehmen mussten und dergleichen mehr. Es wird auf der einen Seite also gespart. Jetzt würde ich einmal sagen: Das ist noch nicht die große Katastrophe. Dass es paradiesische Zeiten nicht auf Dauer gibt, wissen wir schon aus der Bibel; aber wir wissen es auch aus anderen Lebensbereichen.
Der zweite Effekt ist folgender: Weil wir im ÖPNV quantitativ und investiv so wahnsinnig viel aufgebaut haben, haben wir natürlich jetzt schlicht entsprechend viele Angebote dauerhaft zu betreiben. Wir haben ja nicht investiert, um das Zeug anschließend einzumotten, sondern wir machen damit Verkehr. Was heißt das? Die Anteile verschieben sich von den investiven Ausgaben hin zu den konsumtiven Ausgaben. Heute ist es Tatsache, dass zwei Drittel des gesamten ÖPNV-Haushalts mittlerweile nur noch der Abwicklung des bestellten Verkehrs dienen, den wir in den letzten Jahren aufgebaut haben. Um es konkret in Zahlen zu sagen: Grob gesagt stecken wir von 1,2 Milliarden € rund 830 Millionen € in den konsumtiven Bereich. Das verengt natürlich gleichzeitig den Spielraum für weiteres Wachstum in der Zukunft. Ich wickle jetzt schlicht den Verkehr ab, den ich bestellt habe; das muss man ganz simpel sehen.
Wenn man immer sagt, das Land gebe kein Geld für den ÖPNV, dann will ich dazu einmal sagen: Es ist immerhin noch die kleine Summe von 400 Millionen €, nämlich 250 Millionen € nach dem Personenbeförderungsgesetz und 150 Millionen € für die Schülerbeförderung. Das ergibt zusammen 400 Millionen €. Da sind wir im Ländervergleich nach wie vor sehr gut – um das Wort „Spitze“ zu vermeiden. Wir sind im Ländervergleich nach wie vor sehr gut bei der Busförderung, und wir sind sehr gut, was den Ausbau des ÖPNV angeht. Denn es geht ja nicht nur um Geld, sondern auch um die Frage, was man mit dem Geld eigentlich macht. Man kann es ja auch verschleudern. Die Geldausgabe allein ist noch nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass man etwas gut gemacht hat. Aber wir haben den Verkehr quantitativ und qualitativ in einer Weise ausgeweitet, dass wir uns locker gegenüber jedem anderen Bundesland sehen lassen können. Wir sind nach wie vor Spitze auf dem Gebiet des Wettbewerbs zur DB. Wir haben – ich hoffe, ich habe das jetzt richtig im Kopf – zusammen mit RheinlandPfalz den höchsten Anteil an nicht bundeseigenen Bahnen. Kurzum: Es geht nicht nur um Geld, sondern es geht auch darum, was man damit macht.