Protocol of the Session on October 30, 2003

Herr Birzele, wenn wir zwei bei einer renommierten Firma eine Leistung bestellt hätten – wie bei Toll Collect das Mautsystem –, hätten wir einen Vertrag gemacht, in dem steht, was eintritt, wenn die überhaupt nicht liefern oder nicht pünktlich liefern.

(Abg. Schmid SPD: Das steht im BGB!)

(Abg. Schmid SPD: Das steht im BGB!)

Wenn es im Vertrag nicht ausgeschlossen ist, gilt das, was im BGB steht; jawohl. – In dem Vertrag würde stehen, was passiert, wenn die nicht termingerecht liefern. Alle Fragen dahin gehend werden Ihnen im Moment nicht beantwortet.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ich sage es Ihnen gleich! Warten Sie noch fünf Minuten! In fünf Mi- nuten werden Sie widerlegt!)

Das bezeichne ich als „handwerkliche Fehler“.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das geht sogar so weit, dass wir beschlossen haben, ab 31. August – zu diesem Termin sollte die Maut in Kraft treten – auf Einnahmen aus dem bisherigen zeitabhängigen Mautsystem zu verzichten.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Aber Sie wissen doch, warum! EU-Recht!)

Jeder normale Mensch hätte bei dieser Situation eine Regelung getroffen, die besagt hätte: Zu dem Zeitpunkt, zu dem das andere Mautsystem in Kraft tritt, hört das alte auf.

Ende vom Lied: Jetzt haben wir monatelang überhaupt keine Einnahmen.

Zweitens – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Scheuermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Birzele?

Bitte schön, Herr Birzele.

Herr Kollege Scheuermann, hätten Sie, wenn Sie den Vertrag abgeschlossen hätten, bei dieser renommierten Firma eine volle Schadenersatzpflicht eingebaut? Und wie wären Sie der Gefahr dann begegnet, dass diese Firma beim jetzigen Ablauf binnen kurzem insolvent geworden wäre?

(Zurufe von der CDU)

Herr Birzele, ich fange beim letzten Punkt an: Der Ausfall beträgt im Moment monatlich 150 oder 155 Millionen €.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Jetzt reden wir vielleicht einmal über sechs Monate oder auch mehr. Dann wäre die höchste Summe an Schadenersatz, die denkbar wäre, die des Ausfalls, also 1 Milliarde €.

(Zuruf des Abg. Haller SPD)

Jetzt glauben doch weder Sie noch ich, dass diese Milliarde, auf die drei Firmen Daimler-Chrysler, Toll Collect und die französische Firma aufgeteilt, auch nur eine dieser drei Firmen in Schwulitäten bis hin zur Insolvenz gebracht hätte.

(Abg. Birzele SPD: Nein, aber die Vertragsneh- mer!)

Das sind doch die Vertragsnehmer. Toll Collect ist doch Vertragsnehmer.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Ja, wer denn sonst?

(Abg. Schmid SPD: Eine Toll-Collect-Firma!)

Ja, aber hinter Toll Collect stehen doch – –

(Abg. Birzele SPD: Ja, aber das funktioniert doch nicht! Das wissen Sie doch als Jurist! Es sei denn, Sie hätten eine Patronatserklärung!)

Herr Birzele, dass wir zwei etwas in den Vertrag geschrieben hätten zur Frage, was passiert, wenn der Termin nicht eingehalten wird oder wenn schlecht geliefert wird, davon gehe ich aus. Ich gehe davon aus, dass Sie in dieser Frage genauso denken wie ich. Ob wir dann die volle Schadenersatzpflicht hineingeschrieben hätten, ist eine hypothetische Frage.

Dann ist noch etwas ganz Tolles passiert. Ich gucke ja nicht oft Frühstücksfernsehen. Neulich habe ich das Frühstücksfernsehen eingeschaltet. Da tauchte der Herr Bodewig aus der Versenkung auf

(Heiterkeit)

und sagte: „Jawohl, ich bin verantwortlich für den Vertrag. Und wenn das so ist, wie wir es zurzeit diskutieren, dann gibt es Schadenersatz.“ Ich stelle nur fest: Der Einzige, der von vollem Schadenersatz geredet hat, war Herr Bodewig, der wie „Kai aus der Kiste“ eines schönen Morgens im Frühstücksfernsehen aufgetaucht ist,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

und dann ward er nie mehr gehört und nie mehr gesehen.

(Zuruf von der SPD: Seien Sie doch froh!)

Strich drunter:

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Strich drunter und drüber!)

Handwerklich hat man sich mit dieser ganzen Geschichte nicht mit Ruhm bekleckert. Dies beklagen wir. Und wenn es schon so ist,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Wie es ist!)

dann könnten wir wenigstens erwarten, zu erfahren, wie die Frage geregelt wird, dass Baden-Württemberg für ein halbes Jahr 100 Millionen € fehlen, das heißt, zu erfahren, ob das dann zeitlich auf die lange Bank geschoben wird, ob es dafür einen Ausgleich gibt oder nicht. Das sind alles Fragen, die jeder vernünftige Betrachter stellt und auf die er keine Antwort bekommt. Handwerkliche Fehler und diese fehlenden Antworten sind das, was wir beklagen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Scheuermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Palmer?

Bitte schön.

Herr Abg. Scheuermann, ist Ihnen bekannt, dass sechs Staaten am Euro-Vignetten-System teilnehmen und dass es Kündigungsfristen von neun Monaten gibt, die eingehalten werden müssen, wenn die Vignette ersetzt wird, und aufgrund von EU-Recht nicht gleichzeitig ein neues System an dessen Stelle betrieben

werden darf? Ist Ihnen das alles bekannt? Und was bedeutet das für Ihre Aussage, dass man mit der Kündigung dieses Vertrags hätte warten sollen?

Herr Palmer, es gibt eine goldene Regel. Diese heißt: Die Italiener erfinden die Regeln, die Franzosen formulieren sie, und die Deutschen – in Klammern: die Deutschen – halten sie ein. Das ist meine Antwort auf Ihre Frage.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit)