Protocol of the Session on October 30, 2003

Wissen Sie denn, wann die Maut wirklich in Kraft tritt? Das wissen Sie doch nicht, ich auch nicht.

(Abg. Schmiedel SPD: Doch! Im Frühjahr!)

Zum Zweiten haben Sie doch auch überhaupt keine Vorstellungen, wie die Kürzungen im Bundesverkehrshaushalt – nachdem die Mauteinnahmen ausfallen – ausgeglichen werden sollen.

Strich darunter: Wir bekommen zumindest im Jahr 2004 nicht mehr als zu Zeiten der CDU/CSU-FDP-Koalition, sondern weniger, weil Sie nicht in der Lage sind, ein an und für sich richtiges Konzept und Prinzip handwerklich in die Tat umzusetzen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Alfred Winkler SPD: Aber das mit dem Handwerk betrifft doch nur an- dere, oder? – Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Küh- ner SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haller.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank, Herr Scheuermann, für das Kompliment: Sie meinen, Minister – meinetwegen auch Parlamentarier – müssten in der Lage sein, ein hochkompliziertes System handwerklich zu beherrschen und auf den Weg zu bringen.

(Zuruf des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)

Das schaffen manchmal nicht einmal Handwerker, da braucht man sogar hoch qualifizierte Ingenieure.

Aber nun noch einmal zur Sache selbst: Sie, Herr Scheuermann, und auch die FDP/DVP haben betont, die Maut sei eine richtige Sache. Da haben wir einmal eine Gemeinsamkeit. Ich wiederhole nochmals die ursprünglichen Ziele.

Die Maut ist richtig, weil sie verursachergerecht ist, meine Damen und Herren, und weil damit endlich auch einmal deutlich wird, dass diejenigen – vom Ausland, vom Osten, Norden und Westen, manchmal auch vom Süden –, die unsere Straßen versaubeuteln und verhunzen, einen erklecklichen Anteil mehr bezahlen sollen als bisher.

Man muss sich immer wieder klar machen, dass ein Vierzigtonner eine bis zu 40 000-, manche sagen sogar 60 000mal höhere Straßenbelastung verursacht als ein Pkw. Selbst wenn die Maut dann kommt: Für diese Lkws ist es immer noch nicht völlig verursachergerecht, aber sei’s drum.

Zum anderen war mit der Maut beabsichtigt, faire Chancen zwischen Schiene und Straße auf den Weg zu bringen. Wir

wollten zusätzliche Einnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Solche fehlen aktuell, das ist zu konzedieren. Natürlich – jetzt kommt ein entscheidender Punkt – war beabsichtigt, eine Technik zu initiieren und zu installieren, die Zukunft hat. Der Glaube, es ginge mit einer Vignette – wie der Ministerpräsident gestern gesagt hat: ein Kleber, und dann würde das schon reichen –, ist falsch.

(Abg. Hauk CDU: Ein Bäbber!)

Ein Bäbber, jawohl, da sind wir uns in der Formulierung auf Schwäbisch einig. Aber das ist doch keine Zukunftstechnologie. Ein Bäbber ist etwas aus der Vergangenheit, wie unser Kollege Bebber, der nicht mehr hier ist.

(Unruhe)

Bäbber sind Übergangslösungen, aber keine Zukunftstechnologie.

(Abg. Hauk CDU: Ein preiswerter Übergang! – Zu- rufe der Abg. Döpper und Wieser CDU)

Die Bundesregierung hat entschieden, auf eine Zukunftstechnologie zu setzen – nach einer Ausschreibung –, mit einem deutschen Konsortium. Es ist auch richtig, dass wir uns bei einer solchen Zukunftstechnologie nicht an die Alpenstaaten oder an andere Staaten anlehnen. Damit erhalten wir, wenn es dann funktioniert – da bin ich immer noch optimistisch –, einen weltweiten Exportschlager aus unseren Reihen.

Frau Berroth, das, was Sie produziert haben, war Schlaubergerei dritter Klasse. Die Fehler, die jetzt auftreten – das ist unstrittig –, haben Sie offensichtlich am Anfang schon erkannt, aber niemand aus Ihren Reihen hat davor gewarnt.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wie bitte? – Abg. Wieser CDU: Sind wir schuld? Jetzt ist die CDU schuld, dass es nicht geht! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Der Glaube, dass alles funktioniert, wenn man es von privaten Firmen erledigen lässt, ist an dieser Stelle – wohl zu Recht – sehr tief erschüttert worden. Sie haben doch Freudentränen vergossen,

(Abg. Schmiedel SPD: Genau!)

als das alles auf die private Schiene ging.

Klar ist: Es fehlt Geld.

Nun noch einmal zur Rekapitulation: Wer ist eigentlich für die Fehler ursächlich verantwortlich? Das ist doch die entscheidende Frage. Darauf kann es nur eine Antwort geben: die Industrie, die den Auftrag erhalten hat.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: So ein- fach ist das, Herr Scheuermann! – Abg. Wieser CDU: Wer hat denn den Auftrag erteilt? Wer hat die Konventionalstrafe festgelegt?)

Das sind keine Würstchenbudenbesitzer und keine Seifenblasenfirmen. Es sind altehrwürdige deutsche Firmen. Man mag noch milde dafür Verständnis haben, wenn preußische, bayerische oder welsche Firmen Technologie nicht auf die

Reihe bringen. Aber wenn ein urschwäbisches Unternehmen wie Daimler scheitert, ist das eine Schande für dieses Land.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Wieser CDU: Von einem SPD- Mann geleitet! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Es wäre der Firma Daimler allemal anzuraten, ihr Gehirnschmalz stärker für diese Zukunftstechnologie einzusetzen, anstatt mit irrem Geldaufwand irgendeinen Boliden von 800 PS auf 802 PS aufzurüsten. Dann hätte das Land Baden-Württemberg einen Ertrag von dieser Firma, und wir hätten hier Arbeitsplätze. Wenn bei Ihnen die Sorge um dieses Land so groß ist, Herr Scheuermann, dann nehmen Sie doch einmal den Ministerpräsidenten am Händchen, gehen Sie zu Herrn Schrempp, und sagen Sie, was er hier – auf gut Schwäbisch – versaubeutelt hat! Das sei einmal deutlich formuliert.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich lasse es in der ersten Runde einmal dabei bewenden – denn meine verbleibende Redezeit bewegt sich auf null zu – und komme später noch einmal auf Ihre nicht zutreffenden Argumente zurück.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hauk CDU: Was war denn jetzt die Botschaft?)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Palmer.

(Abg. Scheuermann CDU: Jetzt kommt die Lö- sung! – Abg. Pauli CDU: Maut für das Fahrrad! – Weitere Zurufe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Pauli CDU: Wo ist dein Helm?)

Ich lade Sie – besonders die Damen und Herren, die auf der rechten Seite des Hauses sitzen – zu einem Gedankenexperiment ein: Nehmen Sie einmal an, im Bund würde gerade die CDU mit der FDP regieren.

(Abg. Stickelberger SPD: Oh Gott ! – Abg. Wieser CDU: Sie fangen gut an!)

Guter Anfang, ja! – Nehmen Sie weiter an, sie hätten einen Vertrag mit den größten und führenden Technologieunternehmen in Deutschland, mit der Telekom und mit Daimler-Chrysler, geschlossen, sie hätten das Modell Public Private Partnership – also eine urliberale Idee, Frau Berroth – implementiert und hätten nach einem Jahr feststellen müssen, dass die Verträge von diesen großen Unternehmen nicht eingehalten werden.

(Zurufe der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP und Wieser CDU)

Dann hätten sie eine Debatte bekommen, in der sie von der Opposition gefragt worden wären: „Was haben Sie – das ist ja unglaublich – denn da für einen Versagerminister? Da

muss ein Rücktritt folgen! Das ist ja wirklich skandalös, was in Berlin für Fehler gemacht werden!“

(Zuruf des Abg. Dr. Glück FDP/DVP)

Dann hätten Sie doch mit Sicherheit geantwortet:

(Abg. Drexler SPD: Beschimpft!)

Ihr vaterlandslosen Gesellen von der SPD und den Grünen!

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das war Bis- marck!)

Sie hätten gepoltert, wie man das Ansehen der deutschen Industrie mit einer solch haltlosen Kritik dermaßen beschädigen könne.