Da war es innerhalb von vier Wochen möglich, die Gemeindeordnung zu ändern. Deswegen ist dieses Argument sicher nicht bestechend. Ich würde Sie bitten, hier vielleicht doch sachbezogen mit in dieses Gesetzgebungsverfahren einzutreten und Erweiterungen vorzuschlagen. Das wäre eine konstruktive Politik einer Regierungsfraktion. Ich hoffe, dass Sie darauf einsteigen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Anliegen, das die SPD mit ihrem Gesetzentwurf verfolgt, ist sicherlich diskussionswürdig.
Man muss natürlich bedenken, dass § 29 der Gemeindeordnung ein scharfes Schwert ist. Andere Bundesländer sind hierbei zurückhaltender und lösen die Konfliktfälle, die es immer wieder geben wird, über das gleichfalls vorhandene Instrument der Befangenheit.
Ich teile auch die Auffassung des Kollegen Heinz, dass man nicht einfach einen Einzeltatbestand herausgreifen sollte.
Ich bin im Unterschied zu Ihnen, Herr Kollege Birzele, der Auffassung, dass man den Umstand, dass wir uns jetzt vor den Kommunalwahlen befinden und dass zu einem Großteil noch Kandidatinnen und Kandidaten gesucht und auch schon geworben werden – die Arbeit ist schwer genug; das wissen wir alle –, nicht einfach mit der Verwaltungsreform vergleichen kann.
Ja, gern, aber ich möchte meinen Gedanken noch ausführen. Dann gestatte ich Ihre Frage gern, Herr Moser.
Auf die Verwaltungsreform kann und muss sich – das gilt für diese Frage und auch für viele andere Fragen – jeder einstellen. Aber jeder sollte sich jetzt in dieser Phase, wenige Monate vor der Kommunalwahl, darauf verlassen können, dass § 29 der Gemeindeordnung vor der Kommunalwahl nicht mehr geändert wird.
Jetzt gehe ich gern auf die Zwischenfrage von Herrn Kollegen Moser ein. Er ist mir über viele Jahre vertraut, und da kann ich immer eine alte Geschichte erzählen. Vielleicht kann ich sie in meine Antwort einbinden.
Herr Minister, Sie haben vorhin gesagt, man solle keine Einzelfälle herausgreifen. Ich habe dennoch nie begriffen: Warum müssen leitende Ärzte in einer Großen Kreisstadt, die nicht einmal kreisabhängig ist, den Gemeinderat wieder verlassen, wenn sie gewählt werden – sie können also gar nicht gewählt werden –, während der Chef einer Großen Kreisstadt, die über Stadtwerke verfügt – eine GmbH, wenn ich das Beispiel aus meiner Heimatstadt Tuttlingen nehme; das wäre dann der Bruder des Herrn Ministerpräsidenten –, kandidieren und als Chef einer Stadtwerke GmbH im Gemeinderat sitzen dürfte? Die Ärzte aber, bei denen gar keine Verbindung besteht, weil sie in einem Kreiskrankenhaus und nicht in der Gemeinde arbeiten, müssen den Gemeinderat verlassen. Können Sie mir das erklären? Ich habe das nie begriffen.
Vielen Dank, Herr Kollege Moser. Ihre Frage bestärkt mich in meiner Auffassung – ich habe es schon gesagt –: Wir sollten jetzt keine Einzelfälle herausgreifen, sondern uns nach der Kommunalwahl überlegen
ja, natürlich –, was da und dort wirklich verbesserungsbedürftig ist. Wir sollten jetzt aber keinen Schnellschuss für einen Einzelfall machen.
Deshalb können wir, glaube ich, bei dem Grundsatz bleiben, dass wir jetzt so kurz vor den Kommunalwahlen, wo Kandidaten bereits gefunden worden sind und zum Teil noch geworben werden, § 29 der Gemeindeordnung nicht mehr ändern sollten.
Im Übrigen habe ich bei der Vorbereitung auf die heutige Debatte in den Unterlagen auch gelesen: Man hat Ende der Siebzigerjahre – Sie waren vielleicht schon dabei – schon einmal versucht, das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf jetzt verfolgen, gesetzgeberisch zu regeln. Warum man damals wieder Abstand davon genommen hat, konnte ich in der Kürze der Zeit nicht herausarbeiten. Die Problematik ist jedenfalls nicht unbekannt. Sie ist jetzt nicht einfach durch eine neue Entwicklung entstanden, sondern eben schon – –
Es könnte sein, dass Herr Kollege Birzele damals schon im Landtag gewesen ist; da bin ich jetzt überfragt. Die Frage ist jedenfalls nicht ganz neu.
Deshalb denke ich, wir verfahren klug, wenn wir uns dem Kollegen Heinz und dem Kollegen Dr. Glück anschließen und sagen: Bei dieser Frage kann man jetzt, so kurz vor der Kommunalwahl, keinen Schnellschuss mehr machen. Dafür trete auch ich ein.
Frau Präsidentin, Herr Kollege Heinz und Herr Minister Schäuble! Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion haben mir vorausgesagt, dass Sie genau diese Argumente bringen werden. Ich habe dagegengehalten, weil ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte und wollte, dass Sie diese wiederholen.
Sie erinnern sich, dass Sie auf die Anträge, die wir zur Änderung der Gemeindeordnung in den zurückliegenden Monaten gestellt haben, immer wieder geantwortet haben, es stehe sowieso eine umfassende Änderung der Gemeindeordnung an. Damit haben Sie argumentiert. Sie haben aber selbst, wenn es um Ihre Interessen ging – Beispiele wie das der „Lex Föll“ wurden genannt, einer Regelung, mit der Sie einem Parteifreund zu der Stelle des Stadtkämmerers der Stadt Stuttgart verhelfen konnten –, nicht so lange warten wollen.
Ich will Ihnen sagen: Ich habe jetzt nach zweieinhalb Jahren Parlamentszugehörigkeit wirklich gelernt, dass bei Ihnen Eigennutz vorgeht.
(Widerspruch bei der CDU – Abg. Gaßmann SPD: Das war schon vorher so! – Abg. Hillebrand CDU: Was hat das mit Eigennutz zu tun?)
Da wir nicht damit rechnen, dass Sie Ihre Vorschläge zur Änderung der Gemeindeordnung – wie Sie es immer wieder hier bekunden – in Kürze auch tatsächlich einbringen, die Kommunalwahlen, wie Sie sagten, aber vor der Tür stehen, werden wir den Gesetzentwurf nicht zurückziehen. Vielmehr müssen Sie tatsächlich Farbe bekennen und deutlich machen, ob Sie auch hier wieder Parteifreunde begünstigen wollen.
Herr Heinz, Sie sagten, der Aufwand wäre ja relativ groß und so viele würde es gar nicht betreffen. Deshalb frage ich Sie: Warum verkämpfen Sie sich eigentlich dafür,
(Abg. Fleischer CDU: Sie sind doch nicht hier, um zu beleidigen und Verdächtigungen auszusprechen! Lausbuberei!)
wenn Sie dann an anderer Stelle – auch dies wurde gesagt – durch die Verwaltungsreform einer Unzahl von Beamten und Angestellten die Möglichkeit nehmen, Mandate im Kreistag auszuüben?
Ich will Ihnen sagen: Wer sich wie Sie Regelungen, die Gleichheit beim Wahlrecht herstellen sollen, zum wiederholten Male strikt widersetzt, der braucht sich doch nicht zu wundern, wenn die Menschen ihren Glauben an eine gerechte Gesetzgebung verlieren. Vielleicht geben Sie sich doch einen Ruck und gehen noch einmal in sich und prüfen unseren Gesetzentwurf, damit wir dann im Ausschuss auf einer breiteren Basis darüber diskutieren können. Vielleicht ist es doch möglich, dass wir noch Einigkeit herstellen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Die Frechheiten können Sie sich sparen! – Gegenruf des Abg. Gall SPD: Das ist doch nur wahr! – Ge- genruf des Abg. Fleischer CDU: Das Niveau richtet sich selber!)
(Abg. Gall SPD: Wann prüfen Sie denn? – Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD – Gegenruf des Abg. Fleischer CDU: Eine Frechheit!)
Wir haben das nicht in Bausch und Bogen abgelehnt. Haben Sie nicht zugehört? Wir sagen, der Zeitpunkt – –
Nein, jetzt müssen Sie auch einmal zuhören. Wir sagen erstens: Zu diesem Zeitpunkt so kurz vor den Kommunalwahlen ist es unsinnig, die von Ihnen begehrten Änderungen vorzunehmen. Zweitens halte ich es für unverschämt, wenn Sie hier sagen, wir verfolgten einen Eigennutz. Haben Sie denn konkrete Fälle, anhand derer Sie das belegen können?