Protocol of the Session on October 30, 2003

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Sie reden jetzt davon, dass es 65 Jahre werden sollen. Ich muss einmal darauf hinweisen: Herr Stickelberger hat zum ersten Mal die 60 Jahre infrage gestellt.

Ich darf nun doch noch auf einen Punkt eingehen, der mir wirklich ein Anliegen ist. Einige Male ist gesagt worden, richtig sei, dass man die Gehälter entsprechend erhöhen und sich jeder selbst versichern müsse. Das klingt zunächst einmal ungeheuer gut. Das ist es aber nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Stickelberger SPD: Ist prinzipiell richtig!)

Denn eine Versicherungsprämie hängt natürlich von dem Risiko ab, das ich versichere.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das versichert gar keine Versiche- rung!)

Das Risiko eines Ministers, bald nicht mehr Minister zu sein, ist so hoch, dass die Versicherungsprämie sehr hoch wäre. Wir müssten also das Gehalt ganz gewaltig erhöhen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So eine Versicherung gibt es gar nicht!)

Jetzt haben die Minister zwei Risiken: einmal das Risiko der Entlassung; dieses Risiko ist groß. Zweitens das Risiko, dass sie die Wahl verlieren. Dieses Risiko ist für uns in Baden-Württemberg klein.

(Abg. Stickelberger SPD: Also, das Erste ist bei Ih- nen groß!)

Trotzdem wäre natürlich eine sehr hohe Prämie zu erwarten. Deswegen bitte ich, das bei der Diskussion ernstlich zu bedenken.

Das ist so ein Ballon, den alle paar Jahre jemand aufsteigen lässt. Sie müssten bei dieser Unsicherheit – denn ein Minister kann ja von einem auf den anderen Tag ohne Angabe von Gründen entlassen werden – eine wahnsinnige Prämie zahlen, weil keine Versicherung einen solchen Versicherungsvertrag eingehen würde.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Ich bitte das einmal zu bedenken. Sie müssten die Gehälter so gewaltig erhöhen, dass das öffentlich nicht vermittelbar wäre. Deswegen glaube ich, dass die Vorschläge, die die Koalitionsparteien gemacht haben, ausgewogen sind, insbesondere wenn Sie sie mit denen aller anderen Bundesländer vergleichen.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Sie sind einverstanden, dass wir die beiden Gesetzentwürfe an den Ständigen Ausschuss überweisen. –

(Zuruf von der SPD: Sind wir!)

Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

(Stellv. Präsidentin Christa Vossschulte)

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung für Baden-Württemberg – Drucksache 13/2453

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gall.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da der von uns vorgelegte Gesetzentwurf der Logik der bisherigen Festlegungen der Gemeindeordnung folgt und die Begründung im Gesetzentwurf umfassend ist, könnte ich eigentlich auf eine weiter gehende Begründung verzichten. Da ich aber davon ausgehe bzw. aus Gesprächen des heutigen Tages weiß, dass insbesondere nicht alle Mitglieder der CDU-Fraktion den Gesetzentwurf auch gelesen haben, will ich ihn doch kurz begründen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Wie Sie wissen, meine sehr geehrten Damen und Herren, regeln die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung Baden-Württembergs die Mitwirkung von Personen, die ein enges Bindungsverhältnis zur Kommune bzw. zum Landkreis haben, insofern, als sie von einer Tätigkeit im Gemeinderat bzw. im Kreistag ausgeschlossen sind. Damit soll eine freie, unabhängige Entscheidungsfindung der Mandatsträger in den besagten Gremien gewährleistet sein.

Die bisherigen Formulierungen in der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung beziehen sich jedoch, wie Sie wissen, auf verwandtschaftliche Beziehungen, auf Beamte und Angestellte allgemein und auf Körperschaften des öffentlichen Rechts. Nicht berücksichtigt sind bislang juristische Personen oder sonstige Organisationen des Privatrechts. Gerade aber die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einer Privatrechtsform, meine Damen und Herren, gewinnt auch auf kommunaler Ebene immer mehr an Bedeutung. Wir treffen diese teilweise oder vollständig durchgeführten Privatisierungen in den zurückliegenden Jahren zum Beispiel im Gesundheitsbereich oder bei der Abfallentsorgung an.

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Nach wie vor ist es aktuell – Sie kennen diese Beispiele –, dass kommunale Unternehmen und Organisationen aus dem öffentlichen in den privaten Bereich ausgegliedert werden. Nahezu die gesamte Sparte der Energieversorgung ist hiervon betroffen, aber zum Beispiel auch Wohnungsbauunternehmen. In nicht wenigen Fällen – besser gesagt: in vielen Fällen – ist es aber nach wie vor so, dass die Gemeinde bzw. der Landkreis – wie ich meine, richtigerweise – bei den ausgegliederten Unternehmen und Organisationen die Kapitalmehrheit und die Stimmenmehrheit in den Kollegialorganen, zumindest aber eines von beiden, besitzt.

Sinn und Zweck unseres Gesetzentwurfs ist, dass leitende Beamte oder Angestellte solcher Unternehmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten – die ja auf der Hand liegen – aufgrund der nach wie vor bestehenden Bindung zur

Kommune bzw. zum Landkreis nicht das Amt eines Gemeinderats oder eines Kreisrats ausüben dürfen. Das heißt, wir erweitern die bisherige Vorschrift um private Rechtsformen und berücksichtigen dabei sowohl die Kapitalbeteiligung als auch die Stimmverteilung im jeweiligen Kollegialorgan. Man kann auch sagen: Wir schaffen Gleichheit bei den Hinderungsgründen zur Annahme eines Mandats.

Meine Damen und Herren, Ihre Zustimmung dürfte Ihnen sicherlich etwas leichter fallen, wenn ich Ihnen noch sage, dass wir uns mit unserem Gesetzentwurf eng an dem orientiert haben, was Ihre Freunde in Bayern bereits in ihrer Gemeindeordnung stehen haben. Es wäre schön, meine Damen und Herren, wenn Sie sich auch einmal ein Beispiel an uns nehmen würden. Wir haben heute bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass wir sehr gut in der Lage sind, an der Sache orientiert zu entscheiden und Gesetzesinitiativen zu unterstützen, wenn sie richtig und gut sind. Dieser Gesetzentwurf ist richtig, und er ist gut.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Heinz.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem beginnen, was Kollege Gall am Schluss gesagt hat. Er sagte, dass Sie das aus Bayern abgeschrieben haben. Das ist schon bemerkenswert. Mir fällt auf, dass die SPD immer mehr von Bayern abschreibt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Von Bayern war überhaupt nicht die Rede! – Abg. Stickelberger SPD: Wir ler- nen im Gegensatz zu Ihnen von Bayern! – Weitere Zurufe von der SPD, u. a.: Doch nicht „abschrei- ben“! Von „orientieren“ war die Rede!)

Das finde ich ja ganz nett, und das ist sicherlich im Grundprinzip gar nicht so falsch, Herr Gall, und wenn Sie das jetzt auch noch zur Begründung anführen – à la bonne heure –, ist es umso besser.

Ich will noch eine zweite Legende ausräumen, die Sie einfach unterstellen, weil da die Zahlen fehlen. Aus meiner Sicht gibt es keine Belege und Beweise dafür, dass die Kommunen in größerer Zahl aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen in gGmbHs gegangen wären. Das ist einfach falsch. Da gibt es eine Untersuchung der RPs, die etwa ein halbes Jahr alt ist. Es waren nur ganz wenige, die diesen Weg gegangen sind. Diese Zeit liegt schon mindestens zehn Jahre zurück. In den letzten Jahren hat sich gar nicht so viel Weltbewegendes verändert.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das haben sie schon al- les verleast, Herr Kollege Heinz! Ausgegliedert!)

Unabhängig davon will ich Ihnen zusagen, dass wir vonseiten der CDU durchaus eine sorgfältige Prüfung dieses Vorschlags vornehmen und auch für sinnvoll halten. Man muss das genau anschauen.

Aber – jetzt gebe ich Ihnen einmal ein Beispiel – Sie haben willkürlich die Grenze von 50 % genommen. Die liegt ja eigentlich auf der Hand. Aber genauso gut könnte man natürlich fragen: Warum gerade 50 %? Es könnte ja auch eine Sperrminorität von 25,1 % sein – das ist in der Wirtschaft

gang und gäbe –, durch die ganz wichtige Entscheidungen unter Vorbehalt stehen. Darüber müssen wir noch einmal diskutieren.

(Abg. Fischer SPD: Okay!)

Mir scheint das auch noch nicht ganz der Weisheit letzter Schluss zu sein.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Wenn man an das Ding herangeht, dann sollte man nicht nur ein kleines Pickerl herausnehmen, sondern dann sollte man § 29 der Gemeindeordnung einmal global diskutieren

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Oje!)

und den ganzen Bereich des Kommunalwahlrechts einmal insgesamt beleuchten. Das hielte ich für sinnvoll.

Jetzt kommt mein Hauptargument, weshalb ich im Moment eigentlich gar nicht die Notwendigkeit sehe, uns sofort in die Sache hineinzustürzen. Wir haben nämlich schon mit den Kandidatenaufstellungen begonnen. Ich finde, deshalb ist der Zeitpunkt eigentlich vorbei.

(Lachen des Abg. Gall SPD)

Für das nächste Mal können wir aus meiner Sicht darüber reden, aber im Moment, denke ich, würden wir es nicht für richtig halten, jetzt, nachdem das vorbei ist, einzusteigen.