(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Wo kriegen Sie denn noch Wähler? In Bayern sind Sie nicht drin, in Brandenburg sind Sie nicht drin, Sie sind nirgends mehr drin! Klientelpartei!)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sozialpolitische Ziel unserer grünen Politik ist, unsere sozialen Sicherungssysteme gerechter zu gestalten, mehr Effizienz in die Systeme zu bekommen und die Lohnnebenkosten zu senken.
Das gerade verabschiedete Gesundheitsmodernisierungsgesetz, ein Allparteienkompromiss, geht einen Schritt in die richtige Richtung, in Richtung eines stärkeren Wettbewerbs bei den Leistungserbringern. Wir brauchen diesen Wettbewerb und mehr Maßnahmen, um Überversorgung, Unterversorgung und Fehlversorgung im deutschen Gesundheitswesen zu beseitigen. Wir möchten in Zukunft keine Politik machen, die sich auf Leistungskürzungen und auf Privatisierung von Gesundheitsrisiken reduziert, sondern wir brauchen eine gerechtere und nachhaltigere Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme.
Deshalb ist der Satz richtig: „Nach der Reform ist vor der Reform.“ Das ist ein aktuelles Thema, und dieser Satz hatte nie mehr Bedeutung als in der augenblicklichen Diskussion um die sozialen Sicherungssysteme.
(Beifall bei den Grünen – Abg. Alfred Haas CDU: Die Grünen haben das begriffen, die SPD hat es nicht begriffen!)
Zurzeit liegen unterschiedliche Vorschläge auf dem Tisch, erarbeitet von den Expertenkommissionen Rürup und Herzog. Herzog präferiert das Modell der Kopfpauschale, Rürup unter anderem das Modell der Bürgerversicherung.
Rürup hat ein Y-Modell entwickelt, bei dem sowohl die Bürgerversicherung als auch ein Prämienmodell diskutiert wird.
Zweifelsohne kann man feststellen, dass beide vorliegenden Vorschläge noch der weiteren Überarbeitung und Konkretisierung bedürfen.
Heiner Geißler hat das von der CDU präferierte Modell der Kopfpauschale nicht umsonst als unsozial und als bürokratisches Monstrum bezeichnet.
Nicht nur die Oppositionsparteien sehen das so, sondern auch große Teile der CDU: Heiner Geißler, Norbert Blüm und die CDU-Sozialausschüsse von Baden-Württemberg. Auch die Tatsache, dass Edmund Stoiber jetzt gemeinsam mit den Gewerkschaften ein Papier zur Gesundheitspolitik
(Abg. Capezzuto SPD: Das hat Herr Dr. Noll noch nicht gemerkt! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: So ist es!)
Ich meine, das ist eigentlich ganz einfach zu verstehen. Eine Kopfpauschale in Höhe von 264 €, wie Herzog sie vorschlägt, die alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrem Einkommen bezahlen müssen, belastet – das ist doch ganz klar – Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen viel stärker. Meine Damen und Herren, wie wollen Sie eigentlich erklären, dass jemand mit einem Verdienst von 1 000 € eine genauso hohe Kopfpauschale bezahlen muss wie jemand, der 2 000 oder 3 000 € verdient?
Der zweite Knaller bei diesem Kopfpauschalenmodell ist der steuerfinanzierte Ausgleich. Um die entstehenden Mehrbelastungen von Versicherten mit geringen Einkommen aufzufangen,
bringen Sie beim Herzog-Modell staatliche Ausgleichszahlungen ins Gespräch. Niemand soll mehr als 14 % seines Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden müssen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Doch! Es gibt eben Leute, die verstehen das nicht!)
Das ist doch die gleiche Geschichte wie gestern. Das ist Ihre Linie der Halbwahrheiten. Sie sagen: Wir haben ein Supermodell, das kostet uns 22 bis 28 Milliarden €. Sie sagen aber nicht, wo Sie das Geld hernehmen wollen.
(Abg. Alfred Haas CDU: Aus dem Haushalt, ganz einfach! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Und der Strom kommt aus der Steckdose! – Zuruf von der CDU: Eichel wirds schon richten!)
Bisher zahlen Arbeitnehmer Krankenversicherungsbeiträge entsprechend ihrem Einkommen. Wer viel verdient, zahlt auch mehr. Die Arbeitgeber schießen die Hälfte der Beiträge zu, beim gut Verdienenden mehr, beim weniger Verdienenden weniger, ohne dass der besser verdienende Arbeitnehmer einen Vorteil davon hätte. Nach dem Herzog-Modell zahlen zukünftig alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten das Gleiche.
Ja, ja. – Der Arbeitgeberanteil soll weiterhin an das Einkommen gekoppelt und auf 6,5 % festgeschrieben sein. Von diesen 6,5 % sollen 5,1 % an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Der Rest soll zur Finanzierung von Krankengeld benutzt werden.
Ein gut verdienender Arbeitnehmer bekommt nach den Herzog-Plänen künftig von seinem Arbeitgeber die 5,1 %. Wenn man 5,1 % von 3 825 € nimmt, also der Beitragsbemessungsgrenze, dann bekommt er 195 €. Er muss also drei Viertel der Kosten für seine Krankenversicherungspauschale nicht selbst aufbringen. Jemand, der wenig verdient, ein Kleinverdiener mit etwa 1 000 €, bekäme von seinem Arbeitgeber dann gerade einmal 51 € pro Monat, müsste also 80 % der Beiträge für seine Krankenversicherung selbst aufbringen. Da stellt sich doch jetzt die spannende Frage, ob eine Regelung, mit der der Staat den Arbeitgeber verpflichtet
ich bin beim letzten Satz –, seinen gut verdienenden Arbeitnehmern drei Viertel, den schlecht verdienenden aber weniger als ein Viertel ihrer Krankenversicherungskosten zu erstatten, mit dem Gleichheitsanspruch und dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes noch in Einklang zu bringen ist. Das glaube ich nicht.
Nein, das ist so. Das ist nicht verfassungskonform. Deshalb mag das Kopfpauschalenmodell auf den ersten Blick zwar bestechend wirken,
aber wenn man es sich genauer anschaut, stellt man einfach fest, dass die Nachteile überwiegen: Es ist unsozial, es ist ein bürokratisches Monstrum, es ist finanziell nicht – –