Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe nicht ganz die Aufregung, die das von der CDU auf ihrem Parteitag noch zu beratende Konzept bei der Opposition hervorruft.
Die SPD will die Belastungen, die durch dieses Papier kommen könnten, heute thematisieren. Ich finde, ein bisschen mehr aufregen müsste uns das, was die Menschen draußen aufgrund dessen, was derzeit schon beschlossen ist, als Belastung empfinden.
in dieser Diskussion, die jetzt Gott sei Dank vertieft geführt wird und die genau Ihre Regierung über die Rürup-Kommission mit angestoßen hat – –
Diese Diskussion hätte man sehr viel früher anstoßen müssen. Rürup zeigt genau diese beiden Wege auf: entweder Bürgerversicherung oder in Richtung Gesundheitsprämienmodell gehen.
Das ist das Y-Modell, das von Ihrer Regierung über Rürup in die politische Diskussion eingebracht worden ist.
Jetzt will ich einmal zu Ihrer Wortwahl und zu dem kommen, was Sie in dieser Diskussion versuchen: von vornherein einen denkbaren Weg – ich werde nachher sagen, warum und in welcher Form er denkbar ist –
mit Totschlagargumenten wie „ungerecht und unsozial“ kaputtzumachen. Ich möchte Sie jetzt einmal an etwas erinnern. Ich erinnere mich gut an Debatten hier im Landtag zur Gesundheitspolitik, die wir auch wieder stellvertretend für Bundestagsdebatten geführt haben. Ich erinnere mich noch gut an die Diskussion,
in der es darum ging, ob es nicht solidarisch ist, dass man einzelne Leistungspakete, die vielleicht nicht existenziell notwendig für die Menschen sind, aus dem Leistungskatalog der paritätischen und solidarischen Finanzierung herausnimmt. Und da haben Sie – –
Frau Haußmann, Sie haben plakatiert, am Gebisszustand der Menschen werde man künftig ihren sozialen Status erkennen, als unsere damalige Koalition darüber nachgedacht hat
und begonnen hat, Teile aus dem Leistungskatalog auszugliedern, um die Solidarität da, wo es um existenzielle Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger geht, erhalten und auch finanzieren zu können. Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem dies plötzlich Konsens ist.
Bei der Definition, was gerecht ist, warne ich sehr vor Folgendem – gestern ist es in der Debatte um die Studiengebühren auch gesagt worden –: Gerechtigkeit ist ein so absoluter Begriff, dass wir ihn da, wo es um Beitragssätze geht, überhaupt nicht benutzen sollten.
(Abg. Drexler SPD: Kommen Sie mir nicht mit to- ten Sozialdemokraten! Die können sich nicht weh- ren!)
doch! – hat mehrfach davor gewarnt, den Begriff Gerechtigkeit überzustrapazieren. Denn das, was Sie vorgestern noch für ungerecht gehalten haben, muten Sie jetzt den Menschen zu,
nämlich dass sie mehr Eigenverantwortung betreiben, weil bestimmte Bereiche, die nicht existenziell notwendig sind, ausgegliedert werden.
Jetzt aber zum Kernpunkt. Worum geht es denn in dieser Debatte? Es geht um die Frage: Wie organisieren wir künftig Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Solidarität gilt auch in der privaten Versicherung. Das ist nämlich das Versicherungsprinzip, dass der, der gesund ist, Prämien zahlt für den Fall, dass er krank wird.
Die zahlt er auch, wenn er Gott sei Dank nie krank wird. Die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken wird also in keinem System angetastet.
Jetzt geht es um die Solidarität zwischen den Generationen. Der entscheidende Punkt ist ja, ob wir wie bei der Rentenversicherung künftig der erwerbstätigen Generation zumuten können, all das, was bisher durchaus üblich war, über solidarische Beiträge mitzufinanzieren. Letztendlich geht es in der politischen Diskussion darum, ob wir diese Finanzierung künftig in diesem Versicherungssystem integriert lassen mit allen Gefahren, die das beinhaltet, nämlich dass man unter dem Deckmantel der Solidarität Verschiebebahnhöfe eröffnet, oder ob wir eine ordnungspolitisch saubere Lösung finden, den solidarischen Teil über Steuern zu finanzieren. Zu diesem Thema werde ich in der zweiten Runde noch etwas sagen.
Ich werde in der zweiten Runde dazu etwas sagen. Lassen Sie uns aber bitte sachlich diskutieren und ohne die Leute schon wieder verrückt zu machen und auf die Bäume zu jagen, wo Sie nachher selber Mühe haben – –
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Ja, ja! Immer dann, wenn Sie über Solidarität reden, geht es bei uns da unten raus!)
Sie sehen doch jetzt, dass Ihnen Ihre eigenen Mitglieder und die Bevölkerung insgesamt von der Fahne gehen. Warum? Weil Sie ihnen jahrelang Maßnahmen, die jetzt zwingend notwendig sind und die Sie jetzt durchführen, als unsolidarisch und ungerecht verkauft haben.