Protocol of the Session on October 30, 2003

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Lösch, würden Sie bitte zum Ende kommen.

Ich bin nach wie vor bei meinem letzten Satz.

(Heiterkeit – Abg. Blenke CDU: Kurze Sätze, Frau Kollegin!)

Es ist finanziell unseriös und letztendlich frauen- und familienfeindlich.

Zur Bürgerversicherung mehr in der zweiten Runde.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Sozialminister Dr. Repnik.

(Abg. Zimmermann CDU: Das ist einer, der was versteht!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas verwundert, dass wir heute über mögliche Entwicklungen im Gesundheitsbereich diskutieren.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Denken Sie einmal darüber nach: Vor einem halben Jahr hatten wir ein Defizit von rund 5 Milliarden € in der Krankenversicherung – und mit 14,3 % den höchsten Beitragssatz in der Geschichte der GKV. Ich muss mich darüber wundern, dass die SPD schon jetzt eine Debatte darüber beginnt, wenn die CDU Vorschläge macht, wie dieses System mittel- und langfristig auf gesunde Füße gestellt werden kann. Vor allen Dingen verwundert mich, dass die SPD im Titel der Aktuellen Debatte davon spricht, es sei „ungerecht und unsolidarisch“, was die CDU zur Kopfpauschale vorschlägt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! Das ist die Wahrheit!)

Tatsache ist doch, dass die Bundesregierung dieses Desaster verursacht hat. Dass die SPD in diesem Zusammenhang das Wort Solidarität in den Mund nimmt,

(Abg. Drexler SPD: Das ärgert Sie, schon klar! Aber nichtsdestotrotz!)

ist völlig absurd.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wer plant denn im Augenblick eine Nullrunde für Rentner?

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Die SPD!)

Danke. Wer plant, die anrechenbaren Ausbildungszeiten zu senken?

(Zurufe von der CDU: Die SPD! – Abg. Drexler SPD: Sie haben doch gesenkt!)

Wer will die Schwankungsreserve in der Rentenversicherung auf null herunterfahren?

(Zurufe von der CDU: Die SPD! – Abg. Drexler SPD: Das ist doch das Letzte! Wer streicht denn beim psychosozialen Dienst in Baden-Württem- berg? Die CDU! – Unruhe)

Und wer will die Rentner die Beiträge zur Pflegeversicherung allein tragen lassen? Die SPD.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Wer will das Bundeserziehungsgeld senken? Die SPD. Wer will die Pendlerpauschale kürzen? Die SPD.

(Abg. Capezzuto SPD: Weil ihr jahrelang nichts getan habt!)

Und wer weigert sich beharrlich, in der Pflegeversicherung die Familien mit zu berücksichtigen? Auch die SPD.

(Zurufe von der SPD – Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich nicht mit Steinen werfen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Ein Sozialminister, der in den sozialen Strukturen so viel kaputtmacht, sollte da vorn gar nicht reden!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Bundesebene haben wir von der Opposition der Regierung in gemeinsamen Konsensgesprächen geholfen, die GKV in den nächsten Jahren auf einen guten Weg zu bringen. Sie wissen, dass wir schon im nächsten Jahr 10 Milliarden € einsparen und es bis zum Jahr 2007 ca. 23 Milliarden € Einsparungen geben wird. Damit kommen wir auf einen Beitragssatz von 12,1 %. Wir haben Ihnen, der Koalition, geholfen, die Krankenversicherung in den nächsten Jahren zu stabilisieren.

(Abg. Drexler SPD: „Geholfen“! – Zurufe der Abg. Alfred Haas CDU und Fischer SPD)

Das war ein Kraftakt sondergleichen. Wenn wir Ihre Vorschläge von vornherein als „unsolidarisch“ und „ungerecht“ bezeichnet hätten, wäre ein solcher Konsens nicht zustande gekommen. Wir haben das marode Gesundheitswesen – mit unserer Hilfe – für die nächsten Jahre modernisiert und auf die richtigen Beine gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Aber eines ist uns bei alledem klar: Wir werden dieses System mit einer Umlagefinanzierung und rein lohnabhängig auf Dauer nicht stabilisieren können, weil die Grundlohnsumme permanent fällt und die Ausgaben steigen werden. Das heißt, wir müssen schon heute die Weichen für die Zukunft stellen. Wenn wir im Sozialsystem nichts tun, werden wir im Jahr 2050 etwa bei 60 % Sozialabgaben für die Bürgerinnen und Bürger sein. Das kann doch nicht wahr sein!

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Und Steuern müssen sie auch noch ein bisschen zahlen!)

Jetzt hat die SPD Herrn Rürup beauftragt, Vorschläge zu machen, und die CDU hat Herrn Herzog beauftragt, Vorschläge zu machen. Von beiden Kommissionen liegen Vorschläge auf dem Tisch. Bei Abwägung – Herzog-Kommission – –

(Abg. Drexler SPD: Aber Sie haben es beschlos- sen!)

(Minister Dr. Repnik)

Es ist noch nichts beschlossen; es ist noch in der Diskussion.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Was meinen Sie, was Ihr Bundesvorstand schon alles beschlossen hat?

(Abg. Drexler SPD: Jetzt reden Sie doch nicht im- mer von uns! Reden Sie doch mal von sich!)

Sie haben Hartz I, Hartz II und Hartz III beschlossen, und nichts ist daraus geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben nur nicht den Fehler gemacht, Herr Drexler, zu sagen, die Vorschläge würden im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt, sondern wir sagen: Wir diskutieren darüber

(Abg. Drexler SPD: Gar nicht! Sie haben einen Be- schluss des Bundesvorstands!)

und führen Berechnungen durch. Wir versuchen auch, einen Solidarbeitrag einzubringen.

Jetzt liegen zwei Vorschläge vor: Die Rürup-Kommission, die weiß Gott nicht die Handschrift der CDU trägt, hat eine Volks- oder Bürgerversicherung oder alternativ das so genannte Kopfprämienmodell vorgeschlagen. Die HerzogKommission wiederum hat beides besprochen und schlägt nach Abwägung aller Möglichkeiten die Einführung von Gesundheitsprämien vor. Ich komme auch darauf noch ganz kurz zu sprechen.

Wir stehen doch vor folgenden Problemen: Wir stehen vor der Frage, was wir machen sollen. Wir können erstens am GKV-System in der jetzigen Form festhalten. Das aber würde dazu führen, dass wir in drei, vier oder fünf Jahren an neuen Schrauben drehen müssen und irgendwann zu einer Rationierung von Leistungen kommen müssen; dann müssen wir noch mehr Leistungen herausnehmen. Man kann zwar da und dort noch etwas mehr machen, aber im Wesentlichen sind wir an Grenzen angelangt. Die Einnahmen werden den Ausgaben nicht folgen, wenn wir wollen, dass die Bürger weiterhin an einer guten Gesundheitsversorgung in Deutschland teilhaben dürfen.