(Abg. Herrmann CDU: Das habe ich nicht gesagt! Sie haben mir nicht richtig zugehört! – Gegenruf des Ministers Dr. Schäuble: Interessiert auch kei- nen!)
Aber, Herr Herrmann, wenn Sie schon solche absurden Beispiele wählen, dann müssten Sie genauso sagen: Bei uns kann der Bürgermeister mit einer einzigen Stimme gewählt werden; also führen wir in der Gemeindeordnung ein Mindestquorum ein. Wir hatten das ja schon, und wir haben das aus wohl erwogenen Gründen – vor meiner Zeit, vor Ihrer Zeit, Herr Innenminister – abgeschafft, weil es zu großen Schwierigkeiten geführt hat. Denkspiele bringen überhaupt nichts. Der Landtag kann mit einer Stimme ein Gesetz verabschieden, wenn die anderen nicht da sind und die Beschlussunfähigkeit nicht rügen. Also, was sollen denn solche absurden Beispiele?
(Abg. Blenke CDU: Das ist eine ganz neue Per- spektive! Das müssen wir mal ausprobieren! – Abg. Herrmann CDU: Dadurch wird das Beispiel nicht falsch!)
Solche Beispiele bringen überhaupt nichts. Wenn, dann müssten Sie konsequent sein und müssten auch in anderen Bereichen entsprechende Quoren einführen.
Was das Zustimmungsquorum, das wir gegenwärtig haben, bedeutet, möchte ich Ihnen daran klar machen, dass die Stimmen, die CDU und FDP/DVP bei der letzten Landtagswahl zusammen erzielt haben, nicht ausreichen würden, um das Zustimmungsquorum zu überwinden, sondern dass immer noch ein paar Tausend Stimmen fehlen würden.
Das zeigt: Die Verfassung sieht ein völlig unrealistisch hohes Zustimmungsquorum vor, und deshalb muss notwendigerweise eine entsprechende Änderung vorgenommen werden.
Demokratie lebt jeden Tag, und Demokratie lebt von der Einmischung der Bürgerinnen und Bürger jeden Tag, und deshalb müssen wir ihnen auch ermöglichen, entscheidend auf die Gesetzgebung einzuwirken,
mitzubestimmen, damit sie sich wirklich beteiligen können und nicht ihre Entscheidungsgewalt nur an Abgeordnete abgeben.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich gestehe, dass wir Ihrem Entwurf in Teilen Sympathie entgegenbringen.
Manches zeigt für uns durchaus in die richtige Richtung und enthält auch vernünftige Ansätze. Die Quoren, die Sie vorgesehen haben, sind uns aber in Teilen doch zu niedrig. Die FDP/DVP-Fraktion ist jedoch gesprächsbereit.
Nun beherrschen wir natürlich alle – Sie genauso wie wir – die Grundrechnungsarten. Wenn Sie die Verfassung ändern wollen, brauchen Sie halt eine Zweidrittelmehrheit. Eine Zweidrittelmehrheit schaffen Sie aber in diesem Haus ohne Zustimmung der CDU nicht. So einfach ist es zunächst einmal.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, also wirklich das wollen, von dem Sie vorgeben, dass Sie es
möchten, hilft es nichts, zu versuchen, Ihren Entwurf durch das Parlament zu bringen. Denn Sie wissen ganz genau, dass Sie sich dabei nur einen blutigen Kopf – sprich: eine Abstimmungsniederlage – holen würden. Wenn es Ihnen allerdings nur um die politische Agitation geht, haben Sie es richtig gemacht; aber dann ist es schade um die Zeit.
(Abg. Birzele SPD: Haben Sie nicht gehört, was Herr Herrmann gesagt hat? – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: Er spricht für sich und nicht für Herrn Herrmann! – Abg. Birzele SPD: Wir haben erklärt, dass wir dazu bereit sind!)
Ich spreche für die FDP/DVP-Fraktion, Herr Birzele. Herr Herrmann hat für seine Fraktion gesprochen. Ich kann nur sagen: Wir sind in der Sache gesprächsbereit.
denn einiges wäre für uns noch zu ändern. Eine Zustimmung brächte natürlich nichts anderes als einen Koalitionskrach mit der CDU. Das wäre auch nicht so schlimm. Entscheidend ist aber: In der Sache würde sich überhaupt nichts ändern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Positionen hier im Landtag von BadenWürttemberg sind, glaube ich, klar abgesteckt.
Herr Kollege Herrmann hat versucht, heftig und zum Teil, glaube ich, wirklich überzogen darzustellen, warum sich die CDU in diesem Haus gegen die Gesetzesinitiative der sozialdemokratischen Fraktion ausspricht.
Herr Kollege Herrmann, die Begründung dafür kann nicht sein, dass es in diesem Land noch nie einen anderen Ministerpräsidenten als einen aus Ihrer Partei bzw. Ihrer Fraktion gab.
(Abg. Herrmann CDU: Auch Sie haben mir nicht zugehört! Es gab noch nie einen sozialdemokrati- schen Ministerpräsidenten!)
Selbstverständlich habe ich zugehört. – Das kann doch keine Begründung sein, wenn es um die Frage geht, ob wir die Partizipationsmöglichkeiten, die für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Verfassung verankert sind, erweitern sollten. Die derzeitige Verfassung wurde übrigens nicht von
der CDU – Herr Kollege Birzele hat das zu Recht erwähnt –, sondern vom Landtag von Baden-Württemberg beschlossen. Noch gibt es ihn und nicht nur die CDU.
Der Landtag hat die Bestimmung vor knapp 30 Jahren in die Verfassung eingefügt. Da stellt sich doch eine Frage. Der Herr Ministerpräsident hat heute zu Recht gesagt – ich trage diese Idee ja mit –, dass man Gesetze evaluieren, zeitlich befristen und von Zeit zu Zeit darauf überprüfen solle, ob die Intentionen, die man mit einem Gesetz verfolgt hat, auch wirklich greifen.
Wenn die CDU in diesem Haus der Gesetzesinitiative damals zugestimmt hat – das muss sie ja wohl, weil eine verfassungsändernde Mehrheit notwendig war –, war ihre Intention damals die, auch in Baden-Württemberg die Bürgerinnen und Bürger trotz einer andauernden CDU-Regierung, die Sie beschrieben haben, an Gesetzgebungsverfahren, an Volksinitiativen bzw. am politischen Prozess mehr zu beteiligen. Das war ja damals Ihre Intention.
Jetzt gehen Sie dagegen mit, wie ich, glaube ich, zu Recht sagen darf, nicht ganz zutreffenden Beispielen an; ich will das gar nicht weiter kommentieren. Bürgerentscheidungen auf kommunaler Ebene haben, glaube ich, eine andere Qualität als das, worum es hier geht.
Wir wollen gerade auch mehr Kompetenz für die Landesparlamente einfordern. Deswegen ist es nach 30 Jahren – da hat Herr Kollege Birzele völlig Recht – doch einmal an der Zeit, zu überlegen, ob die Verfassungsbestimmungen, die vor knapp 30 Jahren in die Verfassung mit der Intention eingefügt wurden, dass sich die Menschen im Land mehr – also nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei Abstimmungen – beteiligen können, gegriffen haben.
Da gehe ich nun ganz einfach vor und frage: Wie viele Volksabstimmungen, Volksinitiativen und Volksentscheide hat es in Baden-Württemberg seither gegeben? Volksentscheide und Volksabstimmungen in Baden-Württemberg hat es trotz der Regelungen, die Sie zu Recht in die Verfassung eingebracht haben, nicht gegeben. Da muss man ja einmal die Frage stellen: Warum denn?
Für die Antwort gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine: Sie haben das Ganze schon damals nur als Alibiveranstaltung gesehen. Das unterstelle ich nicht, sondern ich unterstelle, dass Ihnen mehr Bürgerbeteiligung damals ein ehrliches und ernsthaftes Anliegen war. Wenn dem aber so war, müssen Sie doch den Argumenten des Kollegen Birzele 1 : 1 zustimmen, wenn er feststellt: „Die Quoren sind falsch. Die festgeschriebenen Quoren sind zu hoch. Sie ermöglichen gar nicht die Partizipation, die man angedacht hat. Deswegen muss man diese Regelungen überdenken. Man muss sie im Sinne der Änderungen, die der Gesetzentwurf der SPDFraktion vorsieht, anpassen.“
Wenn damals mehr Bürgerbeteiligung richtig war, muss dieses Anliegen auch heute richtig sein. Es gibt keinen Grund, weshalb dies heute anders sein sollte.
Ich will einmal kurz einen Blick auf die anderen 16 Bundesländer richten, Herr Kollege Herrmann. Die werden ja
leider nicht alle von Rot-Grün regiert. Ich fange einmal mit Bayern an. Es geht um die Frage, wie viele Unterschriften der Wahlberechtigten man für ein Volksbegehren braucht. Man braucht 10 %. Dasselbe gilt für Berlin, für Niedersachsen und im Prinzip für viele weitere Bundesländer. Ich will die Aufzählung gar nicht fortsetzen.
Das Gleiche gilt für die Frage des Quorums bei Volksentscheiden. Auch hierfür sieht Baden-Württemberg mit das höchste Quorum vor. Es würde dem Instrument der Bürgerbeteiligung einfach gut tun, wenn sich die Menschen einmal mit einer Initiative einmischen könnten. Der CDU würde überhaupt kein Zacken aus der Krone brechen,