(Lachen des Abg. Birzele SPD – Abg. Birzele SPD: Die von der CDU aufgenommene Regelung! – Abg. Oelmayer GRÜNE: Also, aufgenommen hat der Landtag die Regelung, nicht die CDU!)
dass durch Volksbegehren und Volksentscheid wichtige Angelegenheiten entschieden werden können, aber nur dann, wenn eine breite Bürgerbewegung für ein solches Volksbegehren oder einen solchen Volksentscheid vorhanden ist.
Ein zweites Argument – ich habe es bereits bei der Ersten Beratung gesagt –: Nach dem Gesetzentwurf der SPD könnte ein Gesetz dann endgültig verabschiedet werden, wenn 750 000 Wahlberechtigte, nämlich 10 % der Wahlberechtigten, zustimmen würden. Bei keiner Bürgermeister- und Oberbürgermeisterwahl – das wird von Ihnen, Herr Birzele, immer wieder angeführt – kann ein Kandidat die Wahl mit einer so geringen Zustimmungsrate gewinnen.
Oft sind die Gegner eher bereit, sich an einer Wahl zu beteiligen, als die Befürworter. Ein Beleg dafür ist ein Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene, nämlich in der Stadt Karlsruhe. Im Jahr 1996 fand dort ein Bürgerentscheid zum Stadtbahntunnel statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 45,2 % haben mit Nein, also gegen diesen Tunnel, 62 599 Wahlberechtigte gestimmt. Das waren 67,6 % der Abstimmenden und somit eine deutliche Mehrheit dagegen. Als sechs Jahre später der Bürgerentscheid am Tag der Bundestagswahl wiederholt wurde, haben 65 993 Wahlberechtigte gegen diesen Tunnel gestimmt. Das waren nur noch 44,4 %,
weil die Wahlbeteiligung nämlich 74 % betragen hat und die große Mehrzahl der Abstimmenden sich für den Vorschlag ausgesprochen hat.
Daher komme ich nicht zu dem Schluss, dass man auf der kommunalen Ebene etwas ändern sollte. Vielmehr komme ich zu dem Schluss, Herr Birzele, dass man Ihrem Gesetzentwurf, der Minderheiten große Rechte einräumt, nicht zustimmen sollte.
Immer wieder wird diskutiert, dass in der Schweiz Bürgerentscheide Tradition haben. Nur hat die Schweiz eine völlig andere Verfassungstradition als Baden-Württemberg und Deutschland insgesamt. Auch England und die USA, die Mutterländer der Demokratie, haben keine landesweiten plebiszitären Elemente in ihren Verfassungen. Im Übrigen ist in der Schweiz bei den Volksabstimmungen die Wahlbeteiligung in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Im Ständigen Ausschuss wurde angesprochen, dass sich Bürgerinnen und Bürger nicht mehr von den Parteien vertreten fühlten. Wenn ich mir das Ergebnis der Kommunalwahl am Sonntag in Brandenburg anschaue, mag das für die SPD zutreffen. Auch bei der bayerischen Landtagswahl mag das für die SPD zutreffen.
(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist doch eine Frage der Wahlbeteiligung! Die stimmt noch nicht einmal mehr in Bayern!)
Herr Oelmayer, eines stimmt: Die Wahlbeteiligung hat auch dort abgenommen. Aber durch die Erleichterung von Volksentscheiden und Volksbegehren wird sich die Wahlbeteiligung nicht erhöhen, wie man in Bayern sieht.
Dazu sind andere Dinge notwendig, beispielsweise eine klare Zuordnung der Zuständigkeit, sodass beispielsweise auf Bundesebene nur noch eine Kammer wesentliche Dinge entscheidet und nicht 60 % aller Gesetze der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Das war ja heute schon Thema der Diskussion.
Wir von der CDU lehnen auch die Einführung einer Kommission ab, die über dieses Thema berät, weil wir glauben, dass an der bewährten Regelung in der baden-württembergischen Landesverfassung nichts geändert werden muss.
Ich darf Herrn Kollegen Pauli zitieren, der im Ständigen Ausschuss gesagt hat, dass die CDU nicht dem Volk misstraut, sondern dem Volk vertraut, das die Abgeordneten wählt.
Die große Mehrheit der baden-württembergischen Bevölkerung fühlt sich von der Mehrheit im Landesparlament richtig vertreten. Die SPD hat bei Wahlen immer die Minderheit der Stimmen bekommen und damit auch die Minderheit der Sitze hier im Parlament. Das war vom Volk so gewollt, und das wollen wir auch nicht durch neue Minderheitenrechte aushebeln.
Im Übrigen hat die gute Politik der Mehrheit dieses Landtags auch dazu geführt, dass die SPD in Baden-Württemberg als einzigem deutschen Bundesland nie einen Ministerpräsidenten gestellt hat. Das war gut für unser Land, und das soll auch künftig so bleiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Oelmayer GRÜNE – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Deswegen gibt es keinen Volksent- scheid!)
Wir wollen auch künftig keine Gesetzesbeschlüsse durch eine kleine Minderheit, sondern Gesetzesbeschlüsse durch die Mehrheit im Parlament und im Ausnahmefall durch Volksbegehren und Volksentscheid. Die von der Verfassung festgelegten Quoren sind richtig und angemessen: beim Volksbegehren ein Sechstel der Stimmberechtigten, beim Volksentscheid die Mehrheit der Abstimmenden, und diese Mehrheit muss mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten betragen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede des Herrn Kollegen Herrmann, die vor Arroganz und Hochmut
und vor Unkenntnis von Sachverhalten strotzte, war ich wirklich erschüttert über den Stil der Auseinandersetzung hier im Landtag.
Aber zunächst eine allgemeine Bemerkung: „Demokratie heißt, sich in seine eigenen Angelegenheiten einmischen“, diesen zutreffenden Satz von Max Frisch zitiert Herr Ministerpräsident Teufel besonders gerne, wenn Bürgerinnen und Bürger für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement ausgezeichnet werden. Dieser Satz macht deutlich – das sollten Sie sich wirklich einmal durch den Kopf gehen lassen, Herr Herrmann –, dass unsere Demokratie davon lebt, dass sich die Menschen einmischen, sich mit unserem Staat – Kommunen, Land, Bund – identifizieren und – ich zitiere – „sich aktiv in die Gestaltung politischer Entscheidungsprozesse einbringen“, wie es kürzlich Frau Professorin Pröhl im Forum der Bertelsmann-Stiftung ausgeführt hat.
Eine lebendige Demokratie benötigt die Bereitschaft von mehr engagierten und informierten Bürgerinnen und Bürgern, sich an den politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Für eine lebendige Demokratie ist es aber auch unerlässlich, staatliche Strukturen so zu verändern, dass Beteiligung überhaupt erst möglich ist. Dabei heißt Beteiligung mit entscheiden, nicht nur anhören oder mitdiskutieren, sondern mit entscheiden.
Nach 1945 herrschte große Skepsis gegenüber Entscheidungen des Volkes, obwohl in den amerikanischen und britischen Besatzungszonen die Verfassungen der Länder – auf Wunsch der Besatzungsmächte – interessanterweise durch eine Volksabstimmung angenommen wurden. Auch die Skepsis angesichts der Entwicklung der Weimarer Republik war in dieser Frage nicht berechtigt, denn die beiden Volksentscheide, die es damals gab – Enteignung von Fürsten und Ablehnung von Reparationszahlungen –, führten zu einer Ablehnung. Die Fehler in der Weimarer Republik, Herr Kollege Herrmann, sind im Zusammenhang mit Wahlen entstanden: Bei den Wahlen sind Fehlentscheidungen in verheerendem Ausmaß getroffen worden. Deshalb werden Sie doch nicht auf die Idee kommen, die Wahlen abschaffen zu wollen.
Trotz dieser Skepsis haben sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassung ausdrücklich festgelegt, dass die Bevölkerung, das Volk durch Abstimmungen an der Gesetzgebung beteiligt werden kann und werden soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Herrmann sagte, die CDU habe 1974 die Verfassung geändert. Richtig ist, dass die SPD 1972 Änderungen, die weiter
gehend waren, beantragt hat und dass es eine zweijährige Auseinandersetzung mit der CDU gab, bis der Landtag – und nicht die CDU, denn es handelte sich um eine Verfassungsänderung – 1974 die jetzige Verfassungslage beschlossen hat.
Nach nun nahezu 30 Jahren – ich habe das schon ein paar Mal gesagt – muss schlicht überprüft werden, ob das Instrumentarium, das in dieser Landesverfassung vorgesehen ist, für eine echte Beteiligung der Bevölkerung ausreicht. Wenn wir unsere Verfassungslage mit der anderer Länder vergleichen, dann ist festzustellen, dass das Land Baden-Württemberg, was die Beteiligung betrifft, eines der Schlusslichter ist.
Ich will noch einmal – man kann es in diesem Zusammenhang nicht oft genug tun – auf das Beispiel Bayern verweisen und darauf hinweisen, dass ganz wichtige Entscheidungen in Bayern – Einführung der Gemeinschaftsschule, Rundfunkfreiheit, kommunale Bürgerentscheide, die Novellierung des Abfallrechts, die Abschaffung des Senates – nach unserem Zustimmungsquorum mit einem Drittel der Stimmberechtigten überhaupt nicht angenommen worden wären. Das zeigt, dass unser Quorum zu hoch ist, und deshalb hatten wir bisher auch kein erfolgreiches Volksbegehren und keinen erfolgreichen Volksentscheid.
Deshalb wollen wir die Volksinitiative ermöglichen – Kommentar der CDU im Ständigen Ausschuss: dann würde der Landtag laufend von wenigen Bürgern voll beschäftigt –,
wir wollen das Quorum für Volksbegehren auf ein Zwanzigstel absenken, und wir wollen bei der Abstimmung beim Volksentscheid statt des Zustimmungsquorums ein Beteiligungsquorum von 20 %.
und schließt daraus, dass ein Gesetz mit 730 000 Stimmen verabschiedet werden könnte, und sagt, Ähnliches sei bei Bürgermeistern nicht möglich. Da täuschen Sie sich!
(Abg. Herrmann CDU: Das habe ich nicht gesagt! Sie haben mir nicht richtig zugehört! – Gegenruf des Ministers Dr. Schäuble: Interessiert auch kei- nen!)