Weg mit allem Überflüssigen! Die allgegenwärtige Bürokratie ist wie eine Schlingpflanze, die alles Leben und Wirtschaften einschnürt und erschwert.
Gesetze, Verordnungen und Vorschriften sollen die Kräfte des Menschen freisetzen, die Initiative der Wirtschaft begünstigen und nicht behindern.
Meine Damen und Herren, ich sehe in Brüssel, ich sehe in Berlin, ich sehe in Stuttgart, wie schwer sich manche Verwaltung tut, einen Platz, den sie seit langem besetzt hat, wieder freizugeben für die Eigengestaltung der Bürger oder für die Selbstverwaltung der Kommunen.
Wir müssen Ernst machen mit Entbürokratisierung auf allen Ebenen. Baden-Württemberg geht dabei voran. Der Ministerrat hat 110 Vorschläge zur Entbürokratisierung vorgelegt. Das ist nur Teil 1 – Fortsetzung folgt.
Für die Landesregierung schlage ich den umfassenden Abbau von Standards für Land und Kommunen vor. Ich könnte wirklich zuhauf Beispiele nennen, will aber nur auf zwei eingehen, die mich in den letzten zwei Wochen beschäftigt haben.
Ich weihe ein Schulhaus ein. Der Gemeinde werden durch die schulbautechnische Beratung Vorschriften gemacht, die zu einer Kostensteigerung führen.
Ich war bei der Einweihung der Deutschen Universität in Kairo. Nicht für ein Gebäude, sondern für einen ganzen Campus, für eine unglaubliche Zahl von Instituten und Hörsälen und bei einer ordentlichen bis guten Gestaltung: 20 Millionen €.
Man muss wirklich einmal sehen: Wir können noch einsparen. Man muss einmal französische mit deutschen Kindergärten vergleichen. Die französischen Kindergärten werden mit weniger als der Hälfte der Kosten der deutschen Kindergärten gebaut.
Jetzt sollten wir doch einmal den Mut haben, die Standards zu senken und wenigstens den Bürgermeistern und Gemeinderäten Chancen zu geben, die billiger bauen wollen.
Ja, ich weiß nicht, worüber man sich aufregen kann. Dieser Zwischenruf könnte doch höchstens dann kommen,
wenn ich andere in Brüssel oder in Berlin zum Handeln auffordern würde. Dann könnten Sie rufen: „Fang bei dir selbst an!“ Wir fangen ja hier an. Unterstützen Sie das doch endlich!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Drexler SPD: Machen wir doch auch! Sie haben es aber zu- erst eingeführt! – Weitere Zurufe, u. a. Abg. Oel- mayer GRÜNE und Abg. Zeller SPD)
In fünf Jahren wollen Sie auch dabei gewesen sein. In fünf Jahren wollen Sie überall dabei gewesen sein, meine Damen und Herren.
Ich freue mich ja, dass Sie entgegen den Ratschlägen Ihrer Fraktion jetzt hier in diesem Parlament wieder zum Reden kommen. Dafür ist ein Parlament ja auch da.
Das Gesetz über den Abbau kommunalbelastender Standards wird in das Umsetzungsgesetz der Verwaltungsreform integriert. Es kommt also bis zur Sommerpause des nächsten Jahres.
Meine Damen und Herren, ich schlage dem Landtag vor, Gesetze mit einem Verfalldatum von fünf Jahren zu beschließen. Die Landesregierung wird bei Verordnungen und Verwaltungsvorschriften entsprechend verfahren.
Ich schlage vor, in Landesgesetzen, wo immer möglich, Experimentierklauseln für die Gemeinden und die Verwaltungen vorzusehen.
Ich werde im Staatsministerium ohne Schaffung einer zusätzlichen Stelle einen Ombudsmann für Bürokratieabbau berufen,
Das Land richtet ein elektronisches Ideen- und Beschwerdemanagement ein. Die Bürger können künftig ihre Ideen zum Bürokratieabbau oder auch ihre Beschwerden direkt über das Internet an das Land herantragen.
Wir werden umfassende Berichte vorlegen, nämlich erstens einen Deregulierungsbericht zum Stand der Entbürokratisierungsbemühungen im Land, zweitens ein „Graubuch Europäische Union“ zu bürokratischen Auswüchsen auf europäischer Ebene, Auswüchse, die wir leider nicht direkt beheben können.
Drittens wird auf den Tisch des Hauses ein „Graubuch Bund“ kommen, in dem wir völlig überflüssige Regelungen
auf Bundesebene benennen und Bemühungen zum Bürokratieabbau auf Bundesebene in einer Bundesratsinitiative bündeln.
Der Abbau überflüssiger Bürokratie und belastender Standards muss zu einer der Megaaufgaben der kommenden Jahre gemacht werden. Wir setzen unser Vertrauen in die Menschen und nicht in die Paragraphen.
Die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen dort, wo der Kreativität und der Leistungsbereitschaft der Menschen freie Bahn gelassen wird.
Meine Damen und Herren, der Staat muss von unten nach oben aufgebaut sein. Das gilt für Europa; das gilt für Deutschland; das gilt für Baden-Württemberg. Ich habe im Konvent der Europäischen Union dafür gearbeitet, dass Europa vom Kopf auf die Füße gestellt wird, dafür, dass festgelegt wird, dass die europäische Ebene regelt, was über die Kraft der nationalen Ebene hinausgeht, dafür, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten der Länder und Regionen respektiert werden, dafür, dass die Städte und Gemeinden als selbstständige Einheiten endlich auf europäischer Ebene anerkannt werden. Alle diese Ziele sind erreicht worden. Wir haben Einfallstore geschlossen und Dämme gegen den Zentralismus errichtet.
Jetzt steht die Aufgabe der Dezentralisierung auf Bundesebene an – ein Kardinalanliegen dieses ganzen Hauses. Ich werde mich in der neu gebildeten Föderalismuskommission genau so engagieren wie im Europäischen Konvent.
Seit 1950 haben wir eine Einbahnstraße der Kompetenzverlagerung von den deutschen Ländern zum Bund – ohne jeden Gegenverkehr.
Der Bund hat den Ländern und den Landtagen sämtliche Gesetzgebungsbefugnisse der konkurrierenden Gesetzgebung entzogen. Der Bund macht so breite Rahmengesetze, dass man vor lauter Rahmen das Bild nicht mehr sieht, wie Bundespräsident Rau in seiner Rede zum 50-Jahr-Jubiläum des Landes vor einem Jahr hier in Stuttgart sehr schön formuliert hat.
Der Bund mischt sich mit Mischfinanzierungen und ohne Mitfinanzierung in immer mehr Länderkompetenzen ein. Dem muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden.
Wenn der Bund für Bereiche, für die er überhaupt keine Zuständigkeit hat, überflüssiges Geld hat, dann, sage ich, soll er diese Milliarden den Stadt- und Landkreisen für die Sozialhilfen geben, an denen sie ersticken. Dort soll er die Mittel anbringen.