Protocol of the Session on October 2, 2003

Meine Damen und Herren, Zuwendung zum Kind ist für uns das Allerwichtigste. Diese kann von jedermann erbracht werden, unabhängig davon, ob die angehende Erzieherin einen Realschulabschluss oder eine Fachhochschulreife vorweisen kann.

(Beifall bei der CDU – Abg. Fischer SPD: Herr Kollege Wacker, das geht doch bis jetzt nicht!)

Die menschliche Wärme ist das Entscheidende. Diese fachliche Kompetenz kann im Grunde von jedermann erbracht werden.

(Abg. Fischer SPD: Okay! Das ist in Ordnung!)

Wir gestalten die Erzieherinnenausbildung attraktiver. Sie müssen nur genau hinschauen. Ab sofort ist durch diese Ausbildung der Erwerb der Fachhochschulreife möglich. Wir versprechen uns dadurch größeren Zuspruch. Den drohenden Fachkräftemangel wollen wir dadurch abwenden. Das Vorpraktikum wird es nicht mehr geben, weil wir ein

durchgängiges Ausbildungskonzept ermöglichen wollen. Wir erfüllen die Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz. Damit wird die inhaltliche Ausbildung aufgewertet. Wenn Sie in die anderen Bundesländer schauen und dort die Diskussionen verfolgen, werden Sie durchaus beobachten, dass kein Bundesland ein haushaltspolitisches und ein verantwortliches Interesse daran hat, die Fachhochschulreife in diesen Jahren zu ermöglichen. Gerade Niedersachsen hat diesbezüglich kürzlich eine sehr eindrucksvolle Diskussion geführt.

Die Anerkennung des neuen vierjährigen Ausbildungsgangs in anderen Bundesländern ist damit uneingeschränkt gewährleistet. Das Erlernen von Sprachkompetenz und der Diagnosefähigkeit von Schwächen ist wesentlicher Bestandteil der inhaltlichen Ausbildung. Sprachförderung ist natürlich ein Grundelement der erzieherischen Arbeit; die Lehrplanarbeit hierfür ist in vollem Gange; weitere neue Erkenntnisse können selbstverständlich ohne weiteres noch in die Lehrplanarbeit übernommen werden.

Wer, wie immer wieder behauptet wird, meint, eine Akademisierung der Ausbildung führte dazu, dass dieser Beruf für Männer interessanter würde, irrt. Auch in Finnland und Kanada – das haben wir beobachtet, und bei diesem Thema waren die Kollegin und die Kollegen der Opposition ruhig – sind Erzieher bzw. Elementarpädagogen vorwiegend Frauen. Die Feminisierung wird auch dort beklagt.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Jetzt sagen Sie doch einmal, warum!)

Das ist die Tatsache.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Warum ist das so? Sie wis- sen es ganz genau!)

Es ist schon abenteuerlich, bei der derzeitigen extrem schwierigen Haushaltslage der Kommunen – hören Sie gut zu; wir befinden uns ja im Vorfeld des Kommunalwahlkampfs – über eine deutlich bessere Vergütung der Erzieherinnen nachzudenken. Bezahlen müssen dies letztendlich die Träger vor Ort.

(Abg. Herrmann CDU: Sehr richtig!)

Ich darf daran erinnern, dass sowohl die Verbände der freien Träger als auch die kommunalen Landesverbände das neue Ausbildungskonzept gelobt haben. Wenn Sie eine Hochschulausbildung fordern, dann bitte ich Sie, das Kind beim Namen zu nennen. Sie wissen, dass Sie die Erzieherinnen oder Elementarpädagogen dann anders vergüten müssten. Das würde bedeuten, dass unsere Träger vor Ort um 15 bis 25 % höhere Personalkosten zu verkraften hätten.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Wacker, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zeller?

Ich möchte meine Rede gern zu Ende führen. Am Ende meiner Ausführungen bin ich, wenn ich dann noch Redezeit zur Verfügung habe, gern bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Ich kann Sie nur ermutigen, das im Vorfeld des Kommunalwahlkampfs Ihren Bürgermeistern kundzutun. Da kommt Freude auf!

(Abg. Herrmann CDU: Richtig! Kein Wort dazu!)

Wir sind auf einem guten Weg. Die ersten Klassen des neuen Berufskollegs an den Fachschulen für angehende Erzieherinnen wurden eingerichtet. Die Lerninhalte für den Hauptabschnitt der Ausbildung an den Fachschulen für Sozialpädagogik sind in guter Vorbereitung. Das vierte Ausbildungsjahr als praktisches Jahr kann nach Absprache durchaus flexibel gestaltet werden. Die Finanzierung, meine Damen und Herren, in Höhe von 5,9 Millionen € für das Haushaltsjahr 2004 ist in trockenen Tüchern. Sie ist nur ein weiterer Schritt zur notwendigen Weiterentwicklung der vorschulischen Bildung: Bewegungserziehung, musische Erziehung und damit verbunden das Erlernen von Liedern. Auch das Trainieren von Sprache muss noch stärker beachtet werden. Externer Sachverstand, beispielsweise von unseren Musikschulen, muss noch stärker einbezogen werden. Sie haben mit der musikalischen Früherziehung über viele Jahre hinweg schon sehr große Erfahrungen. Von Bayern lernen heißt natürlich auch siegen lernen. Der bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bietet Orientierung. Dort wurde bei der Erstellung dieses Plans gerade auf den großen Sachverstand der Kooperationspartner gesetzt.

Unsere Kultusministerin leitet – und dafür sind wir sehr dankbar – eine Initiative bei der Kultusministerkonferenz ein. Wir wollen, dass ein länderübergreifender Leitfaden erstellt wird. Er soll Orientierung bieten, er soll wesentliche Bausteine für die erzieherische Arbeit zur Verfügung stellen, und er soll eine Hilfe vor Ort sein. Er soll kein verbindlicher Lehrplan im Sinne eines schulischen Curriculums sein. Wir wollen die Freiheit der Träger nicht einschränken. Wir wollen deren Verantwortung stärken, und die Verantwortung soll vor Ort bleiben.

Diesbezüglich kann ich zum Schluss Professor Fthenakis zitieren, der sagt, dass sich das Wesentliche in der Bildung im Kindesalter bis zum achten Lebensjahr abspielt. Natürlich, er hat Recht. Deswegen arbeiten wir daran, auch die schulische Ausbildung und das Einschulungsalter vorzuziehen. Wir sind hier auf einem guten Weg, und hier gibt es auch gute Anzeichen dafür, dass die Rückstellungsquoten bereits zurückgehen. Deswegen arbeiten wir auch daran, dass die Verzahnung zwischen Kindergarten, vorschulischem Bereich und Grundschule weiter verbessert wird. Auch dies ist wesentlicher Bestandteil der Erzieherinnenausbildung.

Herzlichen Dank. – Jetzt kann gern die Zwischenfrage gestellt werden, wenn dies gewünscht wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. Stickelberger SPD: Dann ist es keine Zwischenfrage mehr! – Abg. Ma- rianne Wonnay SPD: Es heißt doch „Zwischenfra- ge“ und nicht „Endfrage“!)

Herr Wacker, Sie haben eben Herrn Fthenakis zitiert. Sind Sie bereit, sich nochmals daran zu erinnern, was Herr Fthenakis, Herr Spitzer und alle anderen

Fachleute hier in der öffentlichen Anhörung des Schulausschusses zum Thema Erzieherinnenausbildung gesagt haben? Sie haben nämlich unisono gesagt, dass dazu eigentlich eine Hochschulausbildung notwendig ist, um den künftigen Herausforderungen Rechnung zu tragen.

Sind Sie zum Zweiten bereit, da Sie in Kanada dabei waren, zur Kenntnis zu nehmen, dass dort bereits im Vorschulbereich Grundschullehrer tätig sind – und zwar mit der gleichen Ausbildung wie die übrigen Lehrkräfte und übrigens mit der gleichen Bezahlung – und dies von Kanada als eine fachlich notwendige Maßnahme dargestellt wurde?

Vielen Dank für Ihr Statement, Herr Zeller.

(Abg. Fischer SPD: Aber es ändert sich nichts!)

Aber ich bleibe dabei, dass menschliche, persönliche Zuwendung durchaus auch von Realschulabsolventen erbracht werden kann.

(Beifall bei der CDU – Abg. Herrmann CDU: Pro- fessoren haben auch nicht immer Recht!)

Natürlich haben andere Länder hervorragende Erfahrungen gemacht. Deswegen darf ich Ihnen in diesem Zusammenhang auch Herrn Hohl zitieren, den Vertreter der 4-K-Konferenz, der bei derselben Anhörung ausdrücklich betonte, dass Deutschland nicht das absolute Schlusslicht sei,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Wenn wir Vorletzte sind, brauchen wir uns darauf aber auch nicht aus- zuruhen! Das ist ja unglaublich!)

auch wenn Erzieherinnen nicht die gleiche Ausbildung wie Grundschullehrerinnen erhielten. Er erklärte, dass beispielsweise in Italien die Ausbildung von Erzieherinnen gemeinsam mit der von Grundschullehrerinnen an der Universität stattfinde, dass aber ein großer Teil der dortigen Fachkräfte wesentlich weniger qualifiziert sei als in Deutschland. Wir müssen auf unsere Stärken und auch auf unsere Bodenständigkeit setzen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass ich jetzt als Sozialpolitiker nicht in das Bermudadreieck der Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker gerate.

(Abg. Fischer SPD: Es kommt darauf an! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Zumal der Sozialminister gar nicht da ist!)

Aber im Ernst: Es ist in der Tat so, dass wir uns manchmal schon etwas raschere Entwicklungen gewünscht hätten. Im Bereich des Sozialministeriums haben wir ja mit der Novellierung des Kindergartengesetzes den Bildungsauftrag ausdrücklich als Auftrag des Kindergartens benannt. Es ist überhaupt keine Frage, dass daraus natürlich Konsequenzen für die Ausbildung der Erzieherinnen folgen müssen.

Es ist auch keine Frage, dass sich die gesellschaftlichen Bedingungen geändert haben. Da bitte ich einfach darum, die ideologischen Grabenkriege einmal wegzulassen. Natürlich darf man nicht die familiäre Erziehung und Bildung gegen die professionelle Erziehung und Bildung ausspielen; beides gehört selbstverständlich zusammen. Man sollte von keiner Seite das eine gegen das andere ausspielen wollen.

Eine Bemerkung zu dem Thema „Akademisierung versus ‚Jede gute Mutter kann diese Aufgabe erbringen‘ “. Das sind die extremen Positionen. Da möchte ich von einer pragmatischen Erfahrung berichten.

Ich war mit dem Kollegen Döpper und dem Kollegen Schmid – wer war noch dabei? – vor kurzem bei einer Börse für Hauptschul- und Realschulabgängerinnen und -abgänger. Wir waren uns einig, dass es nicht sein kann, dass wir gerade in dem sehr nachgefragten Bereich der sozialen und erzieherischen Dienstleistungen schon so hohe Barrieren beim schulischen Erstabschluss errichten, dass ein guter Hauptschulabgänger bzw. eine gute Hauptschulabgängerin praktisch keinerlei Chancen mehr hat.

Die Konsequenz muss sein – das ist keine Frage –: Attraktivitätssteigerung. Die Attraktivität steigert man nicht, indem man die Zugangsbarriere riesenhoch ansetzt, sondern es kommt darauf an, wer bei niedriger Barriere durch ständige Fort- und Weiterbildung und sozusagen das Erklimmen des nächsten Abschlusses die entsprechende Perspektive hat. Dann bekommt der Beruf auch ein besseres öffentliches Ansehen.

(Abg. Zeller SPD: Das machen wir jetzt auch bei Zahnärzten! – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Im Übrigen zu der Frage, warum so viele Erzieher weiblich sind. Ich kenne einen Erzieher im Kindergarten. Er ist wirklich noch die Ausnahme. Aber fragen wir uns – davon wurde vorhin auch gesprochen –, ob ein Grund nicht darin liegt, dass der Vater im gesamtgesellschaftlichen Bild ein Stück weit immer noch eine eher etwas zurückgenommene Rolle spielt.

(Zuruf des Abg. Gaßmann SPD)

Natürlich hängt es auch mit der Attraktivitätssteigerung zusammen.

Noch einmal: Wir dürfen nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern wir brauchen beides. Wenn ich höre, wie die Bildungspolitiker – ich konnte bei der Anhörung leider nicht dabei sein –

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Schade! Aber man kann es nachlesen!)