Ich möchte auf die einzelnen Maßnahmen nicht näher eingehen. Ich zähle sie nur auf. Ich nenne die Reform der Erzieherinnenausbildung; darin sind ganz klar Schwerpunkte in der Sprachförderung, in der Entwicklungsdiagnostik und in der Integration gesetzt. Ich nenne das Kindergartengesetz; darin wurde der Bildungsauftrag ausdrücklich aufgenommen und die ganzheitliche Sprachförderung besonders hervorgehoben. Auch die intensive Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule ist ein Bestandteil des Sprachförderkonzepts.
Die Landesregierung hat mit einer interministeriellen Arbeitsgruppe ein allgemeines Sprachförderkonzept für das Vorschulalter und den Einführungsunterricht in der Grundschule entwickelt. Dieses Konzept wird ein wichtiger Baustein im Orientierungsplan für den Kindergarten. Derzeit werden die Eckpunkte und die Finanzierung mit den kommunalen Landesverbänden und mit den Trägern von Kindergärten abgestimmt. Dazu kommt das aus Mitteln der Landesstiftung finanzierte Projekt zur Sprachförderung im Vorschulalter, insbesondere für Migrantenkinder. Es ist ein wichtiges Angebot. Wie Sie sicher wissen, hat der Aufsichtsrat der Landesstiftung dieses Projekt im November des letzten Jahres beschlossen und mit 5 Millionen € pro Jahr ausgestattet. Es ist vorerst auf fünf Jahre angedacht, und darin sind enthalten: Sprachstandserhebung, Durchführung der intensiven Sprachförderung, Beteiligung der Eltern
an der Sprachförderung sowie die Qualifizierung der betreuenden Fachkraft. Diese Ausschreibung läuft seit dem Juli 2003 auf unbefristete Dauer. Die Resonanz auf das bisherige Ausschreibungsverfahren ist groß, was zeigt, dass die Träger mit dieser Förderung vor Ort bedarfsorientierte und passende Konzepte entwickeln.
Bei all diesen Maßnahmen muss eines klar bleiben: Ein Konzept kann man nicht überstülpen nach dem Motto: Wir haben hier etwas, und das ist das Patentrezept. Es muss ge
meinsam entwickelt werden. Es muss bereits vorhandene Ansätze, die ja vielerorts praktiziert werden, mit einbeziehen und berücksichtigen. Es darf kein enges Korsett sein, sondern muss eher ein Rahmenplan sein, der offen ist für andere kreative Ansätze.
Herr Professor Dr. Manfred Spitzer hat dies bei der Anhörung zum Thema „Sprachförderung im Vorschulalter und Kooperation mit der Grundschule“ am 4. Juli 2003 in diesem hohen Hause auf den Punkt gebracht. Professor Spitzer sagte – ich zitiere –:
(Abg. Wacker CDU: So ist es! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Er hat noch viel mehr gesagt! – Weitere Zurufe)
Deshalb möchte ich an alle Beteiligten – auch an Sie von der Opposition – appellieren: Streiten wir nicht, sondern packen wir es gemeinsam an! Wir brauchen dazu alle, die für Kinder Verantwortung tragen. Das sind die Eltern, die Erzieher, die Kommunen, die Träger der Bildung und ihre Einrichtungen. Wir brauchen die Partnerschaft und die Zusammenarbeit, denn es geht um junge Menschen, deren Lebensweg wir ganz entscheidend verbessern können.
In Baden-Württemberg sind wir auf diesem wichtigen Gebiet schon weit vorangekommen. Vieles, was Sie in Ihrem Antrag, den wir heute behandeln, aufgeschrieben haben, ist auf den Weg gebracht. Mit Hektik und Sprunghaftigkeit wird hier überhaupt nichts erreicht.
Sie wissen genau, im Bildungsbereich brauchen wir einen längeren Atem. Daher: Hören Sie auf, wieder einmal alles schlechtzureden, bevor es überhaupt losgeht.
Hören Sie auf, die vielen Eltern und die gutwilligen Beteiligten zu verunsichern. Damit helfen Sie den Kindern am allerwenigsten, und um die geht es schließlich.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Sprachstandsförderung“ und „Sprachstandsdiagnose“ sind Schlagworte, die aber, glaube ich, jetzt nach PISA nicht völlig neu sind, sondern da ist in der Vergangenheit sicherlich schon vieles auch von den Erzieherinnen und Erziehern vor Ort geleistet worden.
Ich glaube, sowohl, wenn man wissenschaftlich argumentiert, als auch, wenn man die Erfahrungen von unten nimmt, ist in der Tat der Versuch, Dinge von oben überzustülpen, sicherlich nicht so erfolgreich, wie wenn wir von unten Erfahrungen sammeln. In meinem Bereich habe ich zum Beispiel einmal einen Vortrag zusammen mit Erzieherinnen
und Eltern veranstaltet, wo ganz klar wurde: Es macht relativ wenig Sinn, die Kinder sozusagen zu selektieren und in einer eigenen Gruppe mit Personal von außen zu fördern,
(Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie sagen das in die falsche Richtung! – Abg. Schmiedel SPD: Ganz- heitlich! – Weitere Zurufe von der SPD)
Sie haben völlig Recht. Deswegen diskutieren wir auf zwei Ebenen. Wir haben heute Morgen schon darüber diskutiert. Da ist einmal das Gesamtkonzept, das in der interministeriellen Arbeitsgruppe erstellt wird, wo Spracherziehung natürlich integraler Bestandteil des Bildungsauftrags ist – übrigens nicht nur, wenn die Kinder in den Kindergarten kommen. Es ist schon erschreckend, wenn man die Zahlen liest: Jedes vierte bis fünfte Kind hat Defizite. Das hängt wohl schon ein bisschen damit zusammen, dass man sich entweder die Zeit nicht nimmt oder sich vielleicht gar nicht mehr dessen bewusst ist, dass so ganz alte Dinge wie abends einmal Märchen vorzulesen Sinn machen – sei es durch die Eltern oder die Großeltern. Das ist schon der Beginn. Wir können nicht erst mit dem Eintritt in den Kindergarten, sondern schon im Elternhaus etwas dazu tun.
Dies alles muss seine Fortsetzung finden beim Übergang in den Kindergarten und natürlich auch durch Kooperation und Verzahnung der Projekte, die dann zwischen Kindergarten und Schule stattfinden, also auf dieser Ebene. Es muss integraler Bestandteil werden.
Dazu kann natürlich genau das, was wir mit dem Landesstiftungsprojekt machen, wertvolle Hinweise geben. Zugegebenermaßen ist das ein auf Freiwilligkeit basierendes Verfahren.
Darüber kann man streiten. Das hat natürlich steuerliche Hintergründe; das wissen wir alle. Aber auch da gilt: Besser, wir können überhaupt einen Schritt in die richtige Richtung tun, als dass wir gar nichts tun.
Von daher verstehe ich immer die Kritikaster von der Opposition nicht, die dann, wenn man mit Landesstiftungsmitteln eine sinnvolle Maßnahme finanziert, sofort schreien: „Das reicht alles nicht aus.“ Natürlich wäre an vielen Stellen mehr und Besseres wünschenswert. Aber wenn wir einen Anstoß über die Landesstiftung bekommen können, sollten wir das, glaube ich, alle gemeinsam positiv bewerten.
Um das Ganze jetzt nicht unnötig zu verlängern: Ich denke, wir sind auf den verschiedensten Ebenen auf einem guten Weg. Das fängt an bei der Stärkung der Erziehungsfähigkeit in der Familie und geht weiter über die Erzieherinnenausbildung. Auch dazu noch einmal: Wir müssen das Rad
nicht neu erfinden. Da ist an vielen Stellen schon viel Positives geleistet worden. Ich denke daran, welche Aufgaben die Erzieherinnen zu leisten haben. Wir haben zum Beispiel die Themen „Bewegung“ und „Spracherziehung“ im Kindergarten; das ist überhaupt keine Frage. Wir sollten also, glaube ich, nicht so tun, als wäre bisher überhaupt nichts gelaufen.
Aber in der Tat müssen wir versuchen, die unterschiedlichen Aktivitäten zu bündeln und ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Das passiert derzeit in Baden-Württemberg, und ich denke, einen wertvollen Beitrag dazu kann das Programm der Landesstiftung leisten. Wir sollten nicht schlechtreden, sondern wir sollten gut mit unseren Kindern reden
(Lachen bei den Grünen – Abg. Christine Rudolf SPD: Weihnachten ist aber erst in ein paar Mona- ten!)
und über unsere Kinder reden. Das, denke ich, wird dazu beitragen, dass wir Defizite, die wirklich erschreckend sind, hoffentlich bald ausmerzen können.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Christine Rudolf SPD: Das war das Wort zum Advent!)
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In § 9 des Kindergartengesetzes wird auf die zentrale Rolle der Sprachförderung hingewiesen. Schon bei der Verabschiedung des Kindergartengesetzes haben wir kritisiert, dass zwar auf die Sprachförderung hingewiesen wird, aber kein Sprachförderkonzept vorliegt. Auch hier tritt das berüchtigte Bermudadreieck, von dem wir schon heute Vormittag gehört haben und das man auch „interministerielle Arbeitsgruppe“ nennen kann, wieder zutage.
Von diesem Konzept der interministeriellen Arbeitsgruppe – Kultusministerium, Sozialministerium, Innenministerium – wird viel geredet, darüber haben wir schon viele Gerüchte gehört.
Frau Schavan, vielleicht können Sie uns nachher ja aufklären, wie weit Sie da in der Zwischenzeit sind.
Bei der Ausgestaltung der Sprachförderung geht es darum, mit dem Eintritt in den Kindergarten und damit ab einem Alter von drei Jahren mit der Sprachförderung zu beginnen. Sprachförderung heißt nicht nur, Sprachstandsdiagnosetests durchzuführen, sondern Sprachförderung bedeutet in der Tat, dass sie in den pädagogischen Alltag integriert sein muss, dass sie ein ganzheitlicher Ansatz ist. Sie ist nichts, was mit ehrenamtlichen Sprachhelferinnen oder mit ein paar Stunden in der Woche im Kindergarten geleistet werden kann.
Herr Kollege Hauk, regen Sie sich nicht auf. Genau auf diesen Punkt komme ich nachher noch zu sprechen.
Es gibt unterschiedliche Modelle. Es gibt Kindergärten, die mit ehrenamtlichen Sprachhelferinnen arbeiten. Es gibt Kindergärten wie zum Beispiel in Stuttgart, die ein ganzheitliches Sprachförderkonzept entwickelt haben. Dieses Konzept beinhaltet zum Teil einfach kleinere Gruppen und eine bessere Personalausstattung.
Ich finde, das ist legitim. Jeder Träger, jede Einrichtung kann ihr eigenes Konzept entwickeln. Aber es müsste auch legitim sein, dass all diese Einrichtungen die Möglichkeit hätten, an den so genannten HSL-Mitteln zu partizipieren.