Protocol of the Session on October 2, 2003

b) Ist die Landesregierung bereit, eine solche ergänzende Verordnung für Pflegedienste zu erlassen, mit der die Pflegedienste gleichgestellt werden zum Beispiel mit Handwerkernotdiensten und dem Südwestrundfunk?

Das Wort zur Beantwortung der Anfrage erhält der Minister für Umwelt und Verkehr, Herr Müller.

(Abg. Blenke CDU: Der muss heute richtig schaf- fen!)

Ich habe schon wieder eine lange Redezeit angesammelt,

(Abg. Blenke CDU: Ist das eine Drohung? – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Das war aber eine kurze Frage, Herr Minister!)

aber ich kann nichts dafür.

(Heiterkeit)

Meine Redezeit beträgt jetzt schon 23 Minuten.

Die Frage a hieß: Trifft es zu, dass eine fehlende Rechtsverordnung zu der von Ihnen beschriebenen Praxis geführt hat? Antwort: Nein, dies trifft nicht zu. Das Straßenverkehrsrecht – –

(Heiterkeit des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Ich sage schon noch etwas dazu.

(Heiterkeit – Abg. Blenke CDU: Wir waren zufrie- den! – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wir haben es verstanden!)

Sie haben die Abgeordneten zunächst mit Ihrer Antwort verblüfft.

Ja, darauf war es angelegt.

Das Straßenverkehrsrecht gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung. Da der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch macht, fehlt den Ländern die Möglichkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen in diesem Bereich.

Die Straßenverkehrsordnung eröffnet aber den Straßenverkehrsbehörden, also den Behörden vor Ort, die Möglichkeit, in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für be

(Minister Müller)

stimmte Antragsteller Ausnahmen von den Halte- und Parkverboten zu genehmigen. Die Behörde entscheidet nach freiem Ermessen. Dabei hat sie die vom Antragsteller darzulegenden Ausnahmegründe ebenso zu berücksichtigen wie zum Beispiel die örtliche Situation in Bezug auf den Parkdruck – also auf gut Deutsch: wie knapp Parkplätze sind, wie stark sie umkämpft sind – und die gleichgerichteten Interessenlagen anderer Berufsgruppen, also ob es noch andere gibt, die sagen könnten: „Wenn der eine Ausnahmegenehmigung erhält, dann wollen wir auch eine.“

Die Städte und Gemeinden erteilen daher Ausnahmen im Einzelfall oder regeln die Sachverhalte unter Anwendung des Opportunitätsprinzips. Das heißt, die Überwachungskraft beanstandet falsch geparkte Fahrzeuge im Einzelfall nicht. Man schaut quasi weg. Diese Verfahrensweise hat sich bewährt – es ist manchmal vielleicht ganz gut, wenn man wegschaut –, da die Kommunen selbst am besten beurteilen können, wo großer Parkdruck herrscht und wie mit Einzelausnahmen darauf reagiert werden kann. Dass es dabei auch zu Ablehnungen kommt, liegt in der Natur der Sache.

Übrigens liegt es auch in der Natur der Sache, dass die Verwaltungspraxis nicht einheitlich ist, wenn sie den einzelnen Straßenverkehrsbehörden überlassen ist. Ich glaube, das ist auch hinzunehmen, wenn wir von einer Reglementierung oder Überreglementierung absehen wollen, die ohnehin mit unbestimmten Rechtsbegriffen und mit Ermessensspielräumen arbeiten müsste und insofern doch wieder nicht die Einheitlichkeit bewirken könnte.

Nach Mitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart werden nicht generell, sondern nur in begründeten Einzelfällen Ausnahmegenehmigungen für Pflegedienste erteilt.

Zu Frage b: Die Frage bezog sich darauf, ob wir bereit wären, ergänzende Verordnungen für Pflegedienste zu erlassen, um damit eine Gleichstellung mit Handwerkernotdiensten und dem Südwestrundfunk zu erreichen. Antwort: Nach dem eben Ausgeführten besteht für die Landesregierung keine Notwendigkeit, den Straßenverkehrsbehörden im Wege einer Verwaltungsvorschrift Hinweise zur Erteilung infrage stehender Ausnahmegenehmigungen zu geben. Eine Rechtsverordnung scheitert, wie ich zuvor dargelegt habe, aus Rechtsgründen. Wir könnten aber eine Verwaltungsvorschrift erlassen. Wir könnten also eingreifen. Das will ich nicht bestreiten. Die Frage ist: Sollen wir das tun?

Dies gilt für Pflegedienste ebenso wie für zahlreiche andere Berufsgruppen, die dann gegebenenfalls auch zu berücksichtigen wären. Die Entscheidung über Ausnahmegenehmigungen ist bei den örtlich zuständigen Behörden nach unserer Einschätzung gut aufgehoben. Der Erlass einer Verwaltungsvorschrift würde den Anstrengungen der Landesregierung zur weiteren Deregulierung und zur Stärkung der unteren Verwaltungsebenen zuwiderlaufen.

Im Übrigen muss man sagen: Wegen dieser vielen Beurteilungsspielräume und Ermessensspielräume, die man da einräumen müsste, würden wir immer noch keine Einheitlichkeit erreichen. Es ist auch die Frage, ob man bei unterschiedlichen Voraussetzungen überhaupt eine Einheitlichkeit erzwingen will. Insofern glauben wir, wir sollten an der

heutigen Praxis, dass die Kommunen das selbst entscheiden, nichts ändern.

(Abg. Blenke CDU: Sehr gut!)

Keine Zusatzfragen? – Damit ist die Fragestunde beendet.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Neubau und Modernisierung von Wohnungen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1433

b) Antrag der Fraktion der SPD – Rücknahme des Stopps bei der Wohnraumförderung in Baden-Württemberg – Drucksache 13/2403

dringlich gemäß § 57 Abs. 3 GeschO

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu Buchstabe a und b fünf Minuten und für die Aussprache zehn Minuten je Fraktion, gestaffelt.

Herr Abg. Gaßmann, Sie erhalten das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welche Erfahrungen macht eine wohnungssuchende Familie mit Kindern in einem der Ballungszentren unseres Landes, wenn sie dringend eine Wohnung benötigt? Ich will nur aus zwei Absagen zitieren, die eine solche Familie nach 50 Bewerbungen bekommen hat. Da schreibt eine Baugenossenschaft:

Wegen der großen Anzahl noch nicht mit Wohnraum versorgter Mitglieder unseres Unternehmens sind wir in den nächsten zwei Jahren leider nicht in der Lage, weitere Bewerbungen anzunehmen.

Oder da schreibt die Baugenossenschaft Luginsland:

Aufgrund der großen Nachfrage nach Wohnungen ist es uns leider nicht möglich, Sie in unsere Warteliste aufzunehmen.

Also gibt es noch nicht einmal eine Bereitschaft und Fähigkeit, diese Familien in eine Warteliste aufzunehmen. Absagen, Absagen, Absagen!

Das aktuelle Wohnungsdefizit beträgt laut Pressemitteilung des Statistischen Landesamts vom Juni dieses Jahres in Stuttgart 30 000 Wohnungen, in Karlsruhe 11 000 Wohnungen, in Freiburg 15 000 Wohnungen, in Mannheim 6 500 Wohnungen und in Pforzheim 3 300 Wohnungen.

(Abg. Hauk CDU: Es gibt aber auch noch Regio- nen mit Überschuss!)

So ist es. Da brauchen wir auch keine Wohnungsförderung.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Aber die von Ihnen, das heißt, auch vom Wirtschaftsminister eingesetzte Kommission zur Ermittlung des Wohnungsbedarfs hat den Neubau von 50 000 Wohnungen pro Jahr

für dringend erforderlich gehalten. Das ist Ihnen sicher bekannt. Das war im Jahr 2001. Ich sage Ihnen: Heute würde diese Prognose, diese Zahl höher ausfallen, weil damals nämlich die starke Zuwanderung, die durch die schwache Wirtschaftssituation in den neuen Bundesländern entstanden ist, nicht prognostiziert worden ist.

(Abg. Mack CDU: Und wie kriegen wir jetzt die Wohnungen?)

Die Wohnungsnot in den Ballungszentren wird noch schlimmer werden, als sie ist, wenn nichts geschieht. Als Herr Wirtschaftsminister Döring das Ressort Wohnungsbau in Baden-Württemberg übernahm, wurden noch fast dreimal so viele Wohnungen gebaut wie heute.

Sicher gibt es verschiedene Ursachen für den Crash am Wohnungsmarkt. Eine Ursache dafür ist, dass die mit der Börsenblase verbundenen überzogenen Renditeerwartungen vieler Investoren diese aus dem Wohnungsbau haben aussteigen lassen. Das wird sich hoffentlich allmählich ändern.

(Abg. Hauk CDU: Aber da gibt es Dinge wie Mie- terrecht, Mieterschutz usw.!)

Herr Kollege, wenn Sie Zwischenfragen haben, wenden Sie sich bitte an den Präsidenten.

(Abg. Hauk CDU: Das war nur ein reiner Zwi- schenruf! An Sie habe ich keine Fragen, Herr Gaß- mann!)

Auch einige Finanzbeschlüsse der Bundesregierungen und des Bundestags haben das Bauen unverhältnismäßig verteuert. Ich erinnere an die Erhöhung der Grunderwerbsteuer – noch unter der Regierung Kohl! Das kostet den Käufer eines gebrauchten Einfamilienhauses in Stuttgart ungefähr das Siebenfache der jährlichen Eigenheimzulage.