Protocol of the Session on June 27, 2001

Sie, Herr Ministerpräsident, sprachen von der Konjunktur und davon, dass wir hier nicht von der Konjunktur gesprochen hätten. Herr Drexler hat schon darauf hingewiesen, dass wir dazu morgen eine Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der FDP/DVP, führen werden, genauso wie zum Risikostrukturausgleich und zur Biotechnologie. Diesen Debatten sollte man nicht vorgreifen.

Ich will aber schon eines sagen: Die Inflation von 3,6 % – darüber sind sich alle Gutachten einig – hat im Wesentlichen zwei Gründe: Der eine Grund ist der Spritpreis, und zwar nicht in erster Linie wegen der Ökosteuer, sondern, wie ich schon gesagt habe, wegen der Erhöhung des Rohölpreises und des zulasten des Euro veränderten Euro-Dollar-Verhältnisses. Der zweite Grund ist: Wir hatten in der Bundesrepublik BSE-Fälle. Die Fleischpreise und die Wurstpreise sind angezogen. Das schlägt sich nieder, und das macht das Gros der Inflation aus. Das hat nichts mit einer schlechten Wirtschaftspolitik zu tun. Das sagt auch kein Wirtschaftsforschungsinstitut.

Gleichzeitig haben wir natürlich jetzt ein reales Problem; das ist überhaupt keine Frage. Ich bin der Ansicht, dass die Bundesregierung tatsächlich in einem Bereich noch etwas tun muss, was sie eigentlich schon lange hätte tun müssen: Das Thema Arbeitsmarkt und auch das Thema „Flexibilisierung des Arbeitsmarkts“ wurden nicht angegangen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ich glaube, da muss die Bundesregierung nachbessern,

(Abg. Kiefl CDU: Sehr gut!)

und da muss man Vorschläge machen. Das heißt natürlich nicht – das will ich gleich dazusagen –, dass man das Tarifrecht abschaffen muss.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das können wir gar nicht!)

Aber es muss Flexibilisierungen geben, es muss Übergänge vom zweiten in den ersten Arbeitsmarkt geben, es muss eine Art Kombilohn geben. Wir machen das alles so wie Sie mit Ihren Demonstrationsanlagen: Wir machen Modellversuche für 10 000 Einwohner. Das ist zu wenig. Wir müssen das flächendeckend angehen, sonst werden wir unser Ziel, die Zahl der Arbeitslosen bis 2002 tatsächlich unter 3,5 Millionen zu bringen, nicht erreichen. Da muss etwas getan werden.

Ich halte überhaupt nichts von – das will ich Ihnen ganz deutlich sagen – diesem Fundamentalismus, mit dem Sie jetzt auf einmal glauben, die Steuerreform vorziehen zu können. Da spielt es dann keine Rolle, ob es 100 oder 150 Milliarden DM sind.

(Zuruf des Abg. Kiefl CDU)

Michael Glos hat natürlich gemerkt: „Wir machen da Vorschläge, die wir gar nicht finanzieren können.“ Deshalb hat die CDU mittlerweile auch schon gemerkt, dass man, wenn man die Ökosteuer jetzt einfach abschafft, die 30 Milliarden DM ja irgendwoher haben muss. Oder man muss die Renten kürzen – da wünsche ich gute Reise –, oder man muss in die Verschuldung gehen.

(Abg. Zeller SPD: Da sind die ja geübt! – Abg. Dr. Birk CDU: Die nächste Stufe zunächst einmal aus- setzen!)

Dann kann man das Ziel der Haushaltskonsolidierung nicht erreichen. Das heißt, das ist alles haltloses Geschwätz. Sie können doch nicht sagen: „Dann zieht halt 2002 die Steuerreform von 2003 und 2005 im Gesamtvolumen von ungefähr 60 Milliarden DM vor.“ Das funktioniert so nicht.

(Abg. Dr. Birk CDU: Zumindest die nächste Stufe aussetzen!)

Sie haben in den Siebzigerjahren immer gepredigt, dass kurzfristige Konjunkturprogramme – dass man, wie es Helmut Schmidt noch gemacht hat, einfach Geld aufnimmt und in die Landschaft wirft und dass dann alles gut wird, weil sich dann die Steuereinnahmen von selber finanzieren – nicht greifen. Das ist heute in der Wirtschaftswissenschaft überhaupt kein Thema mehr.

(Zuruf des Abg. Kiefl CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Zumindest die nächste Stufe aussetzen!)

Das geht alles nicht. Umgekehrt genügt es natürlich auch nicht, einfach nur zu sagen: „Wir machen Steuererleichterungen, und dann läuft alles von selber.“ Herr Haas – ich wüsste eigentlich nicht, woher er da seine Fachkenntnisse haben soll – sagt einfach: Das finanziert sich von selber. Wahrscheinlich ist er der Berater von Angela Merkel. Die erzählt nämlich ähnlichen Käse.

(Heiterkeit bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Das finanziert sich natürlich nicht von selber. Es dauert Jahre, bis Steuersenkungen sich umsetzen. Die Konjunktur springt dann wieder an, wenn Unternehmen investieren, wenn Unternehmen das Gefühl haben, dass sie ihre Produkte absetzen können.

Hier kann man einfach nicht außer Acht lassen – das sagt auch jedes Forschungsinstitut –, dass wir in Europa insgesamt folgendes Problem haben – wir haben in Deutschland zusätzlich noch spezielle Probleme des Arbeitsmarkts und seiner Flexibilisierung; darauf habe ich hingewiesen –: Wenn man einfach ignoriert, dass nach neun Jahren, in denen die USA die Konjunktur für die Weltwirtschaft bestimmten, dort im letzten Jahr die Konjunktur eingebrochen ist, dass sich in Japan seit Jahren nichts tut, dann kann man nicht sagen, das müsse Europa aus eigener Kraft schaffen. Das weiß jeder. Aber dann gebietet es auch die Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, dass das so ist, und hier keine Wahlkampfrede zu halten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Abg. Seimetz CDU: Frau Präsidentin! – Weitere Zurufe: Frau Präsidentin! – Vereinzelt Heiterkeit)

Frau Präsidentin! – Kollege Drexler, Sie haben sich über die Redezeitverteilung beklagt und dargetan, dass der Regierungschef zu lange über die Landespolitik gesprochen habe. Ich glaube, dass eine Regierungserklärung so lang sein soll, wie die Fragen, die auf dem Tisch liegen, bedeutsam sind. Erwin Teufel hat letzte Woche und heute zu allem Stellung bezogen, was für Baden-Württemberg in Berlin und was in Stuttgart für uns von Bedeutung ist.

Jetzt haben Sie aber gesagt, Ihre Redezeit sei zu kurz, und haben völlig unterschlagen, dass es in der Aussprache nach einer Wortmeldung des MP für die Fraktionsvorsitzendenrunde überhaupt keine Redezeitbeschränkung gibt. Mir scheint, Sie waren nicht vorbereitet.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Nein! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Sie könnten jetzt noch am Rednerpult stehen. Sie könnten jetzt noch auf alles eingehen, was gesagt worden ist; denn für Ihre letzte Wortmeldung hätten Sie ohne weiteres die Zeit bekommen, die Sie brauchen, um das darzutun, was der SPD in Baden-Württemberg wichtig ist.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Sehr richtig! – Abg. Drexler SPD: Zwei Stunden!)

Pfeifendeckel! Deswegen ist meine Bitte: Beschweren Sie sich nicht, wenn eine Gelegenheit, eine Position vorzubringen, von Ihnen nicht sinnvoll genutzt wird.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist richtig!)

Ein zweiter Punkt: Sie haben uns geraten, die Bundespolitik draußen zu lassen, weil es um Landespolitik gehe, und haben sich beschwert, dass der Regierungschef heute verstärkt auf Themen eingegangen sei, die in Berlin ressortiert seien.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Über Bundeswehr und NATO-Erweiterung, über den Einsatz von Soldaten im ehemaligen Jugoslawien sprechen wir hier selten, eher nicht. Wenn es aber um Fragen geht, die Baden-Württemberg berühren, die im Bundesrat zur Zustimmung anstehen und bei denen das Votum Baden-Württembergs wichtig ist, wenn es um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg geht, wenn es um die Tatsache geht, dass die Arbeitslosigkeit stagniert und steigt, dass die Inflationsrate bei über 3 % angelangt ist und eine Tarifrunde droht, die unseren Haushalt sprengen kann, wenn es um eine Entwicklung der Gesundheitskosten geht, die die Lohnnebenkosten nach oben bringt, dann melden wir uns auch im Landtag von Baden-Württemberg zu Wort. Dann wollen wir nicht nur, sondern dann erwarten wir, dass die Landesregierung eines Volkes von 10,4 Millionen Einwoh

nern Position bezieht und auch hier im Landtag von BadenWürttemberg die Debatte dazu durch klare Fakten und Tatsachen ermöglicht.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch klar!)

Sie haben diese Chance heute nicht genutzt.

(Beifall bei der CDU)

Mir scheint, Sie haben eines gemerkt: Der Wind hat sich gedreht. Noch vor einem Vierteljahr haben Sie auf dem Weg zur Bundestagswahl geglaubt: Das läuft von selbst. Sicher haben wir es Ihnen zum Teil leicht gemacht,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das tun Sie immer noch!)

weil in Berlin die Geschlossenheit der CDU Deutschlands – – Vielen Dank für Ihre Sorge; die teile ich auch. Aber wir kümmern uns darum. Im Gegensatz zu den Grünen schreibt man über uns nicht: „Die Grünen welken vor sich hin“ – Gebauer im „Schwarzwälder Boten“ vom 25. Juni 2001. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir noch keinen Zufallskandidaten nötig, sondern haben unseren Bundesvorstand in guter Kompetenz und Auswahl gewählt. Ich würde also sagen: Ihr kümmert euch um euren Laden, ihr macht eure Miste, und wir kriegen unsere hin.

Aber eine Tatsache bleibt: Der Wind hat sich gedreht. Auf Bundesebene haben wir eine Entwicklung, die durch Untätigkeit und falsches Handeln, durch Ideologie und falsche Hoffnungen von Rot-Grün geprägt ist und die dem Standort Deutschland sowie Baden-Württemberg mittendrin schadet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Nun noch eine knappe Bilanz, was aus meiner Sicht heute Konsens ist oder Streitpunkt geblieben ist.

Beim Länderfinanzausgleich haben drei Fraktionen klar gesagt, dass der Kompromiss vom letzten Samstag das war, was man erreichen konnte. Sie tragen ihn mit: CDU, FDP/ DVP und wohl auch die Fraktion GRÜNE. Anderer Ansicht ist die SPD. Ich glaube, dass diese Parlamentsmehrheit eine gute Grundlage für den Abschluss dieser Gesetzgebung auf Bundesebene ist.

Zweitens: Der Regierungschef hat eine Klage gegen den Risikostrukturausgleich der Krankenkassen angekündigt. Dazu gibt es eine klare Position von uns: Wir halten das System für ungerecht. Wir haben einen Missbrauch zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Baden-Württemberg. Wir haben eine unverdient hohe, aber nötige Erhöhung der Krankenkassenbeiträge. Deswegen kann diese Frage nur durch eine rechtliche Prüfung, eine Klage, geklärt werden. Die Christlich-Demokratische Union im Landtag trägt diese Klage, wenn sie eingereicht wird, ausdrücklich mit. Wir bitten darum, dass dazu auch andere Fraktionen ihre Unterstützung zusagen und ein breiter Konsens im Hause entsteht.

(Beifall bei der CDU)

Drittens: Zur Unterrichtsversorgung. Kollege Drexler hat nur mit Einzelfällen und Beispielen gearbeitet,

(Abg. Drexler SPD: Nordwürttemberg!)

die im Landtag überhaupt nicht aktuell nachprüfbar sind. Unsere Bitte, Kollege Drexler, lautet: Wenn Sie in Zukunft die Grundschule X oder das Gymnasium Y erwähnen,