Protocol of the Session on July 16, 2003

(Abg. Drexler SPD: Vor Ort ist gut! Vor Ort ist toll! – Abg. Göschel SPD: Das ist „Bürgernähe“! Der neue Zentralismus ist das! – Zuruf des Abg. Stickelberger SPD)

Landesversorgungsämter sollen über Landkreise hinaus kooperieren. Zuständigkeiten für Planung, Bau und Erhalt der Bundesautobahnen, Bundes- und Landesstraßen auf die RPs. Gewässerdirektionen: zum größten Teil auf die vier RPs. Fachtechnische Aufgaben im Umweltrecht: in die vier RPs. Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau: RP Freiburg, Vor-Ort-Lösung.

(Abg. Drexler SPD: Vor Ort!)

Landesdenkmalamt: vier RPs und Wirtschaftsministerium. Landesvermessungsamt: noch zu benennendes RP, VorOrt-Lösung.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Einmal!)

Eichverwaltung: Vor-Ort-Lösung. Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege: vier RPs. Landesamt für Flurneuordnung: noch zu benennendes RP, Vor-Ort-Lösung. Landesforstdirektionen: RPs Tübingen und Freiburg, Vor-Ort-Lösung. Schulämter sollen über die Landkreise hinaus kooperieren. Die Lösung mit den Polizeidirektionen ist bekannt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Ja, da sind sie gut!)

Was erkennt man an diesen beiden Dingen? Erstens: Ein Großteil dessen, was Sie als Bürgernähe versprochen haben, geht noch eine Ebene höher bis hinauf in die Ministerien.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Das nennen Sie eine „bürgernahe Verwaltung“. Herzlichen Glückwunsch! Dabei haben auch wir als Parlament auf die Regierungspräsidien, die keinen demokratischen Unterbau haben, einen geringen Einfluss.

(Abg. Drexler SPD: Ganz geringen!)

Die Regierungspräsidien sind die Gremien, die am wenigsten überhaupt vom Bürger kontrolliert werden können. Das nennen Sie eine „bürgernahe Verwaltung“. Da kann man doch nur lachen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Zudem zeigen die vielen Vor-Ort-Lösungen, die Sie machen müssen, die Kooperationszwänge, die damit einhergehen: Sie müssen, um Ihr Modell durchzuhalten, alles in ein Prokrustesbett zwingen. Das macht die Sache unübersichtlicher und intransparenter und nicht etwa transparenter. Das ist der Punkt.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Jetzt führe ich das einmal an zwei Beispielen aus. Bei diesen zwei Beispielen geht es mir um Folgendes: Jemand, der eine solche Reform macht wie Sie, muss glaubwürdig und erkennbar nachweisen, dass die Reform die Zustände besser macht als vorher. Wenn er das nicht nachweisen kann, ist es besser, er belässt es so, wie es ist. Das ist dann immer noch besser; denn der ganze Reformaufwand kostet nur Kraft, Zeit, Energie und Geld. Also ist es logisch: Wenn man solch tief greifende Reformen macht, sind Sie nachweispflichtig, dass es nachher besser wird als vorher.

Betrachten wir jetzt erstens einmal den Forst. Da hatten wir bisher eine eigene Behörde, bei der Sachlösungen im Vordergrund standen. 870 000 Hektar Staats- und Körperschaftswald und 9 Millionen Kubikmeter Holz werden von ihr bewirtschaftet. Dem stehen heute internationale Firmen gegenüber, die Chargen von bis zu 1 Million Kubikmeter Holz auf den Markt schmeißen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Richtig!)

Die beiden Stürme haben gezeigt, dass wir eine schlagkräftige Forstverwaltung haben, die das bewältigen kann, indem sie zum Beispiel völlig unabhängig von irgendwelchen Grenzen Nasslager im Land konzipiert, die dafür sorgen, dass der Markt nicht kaputtgeht. Das hat funktioniert, und man kann der Forstverwaltung nur ein großes Lob aussprechen, wie sie zwei so rabiate Naturkatastrophen gemeistert hat.

Es kommt hinzu, dass die 163 Forstämter bei der kleinteiligen Struktur zwischen Privatwald, Körperschaftswald und Staatswald genau die dienstleistungsnahen Forstämter sind, die angesichts einer so kleinteiligen Struktur in einer einheitlichen Forstverwaltung die Effizienz erbringen können, die wir hier erfreulicherweise sehen.

Die hoheitlichen Aufgaben, die der Grund für eine Eingliederung der Forstämter sein könnten, machen gerade 5 % aus. Wenn man dann noch die Gemeinwohlaspekte der Forstverwaltung hinzunimmt, nämlich Naturschutz, Freizeit, Tourismus und alles, was damit zusammenhängt, und die nachhaltige Forstwirtschaft, dann müssen Sie nachweisen, dass das mit Ihrer Reform auf einmal besser funktionieren soll. Das können Sie nicht! Das ist nämlich nicht der Fall, sondern gerade die kleinteiligen Forstämter in der einheitlichen Forstverwaltung haben bisher hervorragend gewährleistet, dass wir eine nachhaltige Forstwirtschaft haben und dass Erholung und Ökologie als gemeinwohlorientierte Aufgaben gewährleistet werden können.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wird sich nichts ändern!)

Solch eine Forstverwaltung zerschlagen Sie, und zwar gegen das gemeinsame Ziel, das wir alle verfolgen. Aber das, was man sich hätte vorstellen können, um noch mehr Effizienz zu bekommen, nämlich einen eigenständigen Landesbetrieb, das gerade haben Sie nicht gemacht.

Resümee: Alle Argumente sprechen dagegen, dass die Forstverwaltung nach der Reform besser sein wird als jetzt. Sie sind also auf der ganzen Linie gescheitert.

(Abg. Drexler SPD: Es geht auch nicht ums Besser- werden, es geht um die Effizienzrendite!)

Jetzt kommt mein zweites großes Beispiel, die Schulverwaltung. Sie machen aus 30 Staatlichen Schulämtern 44.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Nein, 35! Keine Stadtkrei- se!)

Bei den größeren Stadtkreisen wollen Sie es auf jeden Fall. Das haben wir gerade gehört. Das ist an sich schon völlig grotesk, nachdem sich die Kultusverwaltung gerade bemüht hat, die Schulämter zu konzentrieren. Die vier Oberschulämter gehen an die Regierungspräsidien. Das steht zunächst einmal allen Wünschen nach Aufhebung einer Zweistufigkeit in der Schulverwaltung entgegen. Diesbezüglich waren wir uns mit der FDP/DVP immer einig. Das hat sich in Luft aufgelöst.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Nein!)

Ich frage mich: Wie sollen dabei Stellen eingespart werden, vielleicht abgesehen von den Schreibkräften? Das würde mich schon interessieren. Bitte legen Sie das einmal dar, damit 20 % nicht so eine gegriffene Zahl bleibt.

Wie sollen diese kleinen Schulämter in den Kreisen ein umfassendes, schulübergreifendes Beratungs- und Unterstützungssystem gewährleisten, nachdem man gerade von den Kleinstschulämtern weggekommen ist, weil diese das nicht leisten können? Es kann sich doch nicht jedes Schulamt einen Schulpsychologen leisten. Ich meine, das ist doch grotesk. Wollen Sie denn die Zahl der Stellen vermehren?

Wie soll das Land seine zentrale Aufgabe Bildung als Kernbereich der Landeskompetenz in so einem System wahrnehmen, das nur eine Türschildlösung ist, bei der sich also jetzt alles unter anderen Dächern befindet, aber inhaltlich nichts geändert hat? Während nach PISA die Aufgabe ganz vorn stehen müsste, den Unterschied zwischen höheren Schulen und so genannten niederen Schulen in der Schulverwaltung einzuebnen, wird die Tatsache, dass die Oberschulämter für die Gymnasien und die Schulämter für den Rest verantwortlich sind, noch weiter zementiert.

Wenn man sich das anschaut, stellt man fest, dass das eine Schulverwaltungsreform ohne jede Vorstellung von der Zukunft der Schulen und des Bildungswesens ist. Es wird gar nicht danach gefragt, wie sich so eine Reform auf die Qualität der Ausbildung auswirkt, sondern es wird einfach so gemacht. Fehlen von Aufgabenkritik!

Was wäre die Alternative? Selbstständigkeit der Schulen einerseits,

(Abg. Pfister FDP/DVP: Kommt!)

staatliche Qualitätssicherung und Standards auf der anderen Seite.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Kommt doch alles!)

Was bekommen wir mit Ihrem Modell? Eine weitere Verrechtlichung des Schulwesens.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Wieso das?)

Ja klar! – Jetzt bringen Sie die Schulämter in Behörden, in denen alle Abteilungsleiter und Chefs bekanntermaßen Juristen sind, die auch so denken. Das heißt, das, was eh schon schlimm genug ist in unserem Schulwesen – zu viel Verrechtlichung, zu wenig pädagogische Freiheit –, wird dadurch, dass man dies in klassische Rechtsbehörden eingliedert, noch verstärkt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist doch keine Rechts- behörde!)

Eine Rolle rückwärts ist das!

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir sagen dagegen: Kompetenzverlagerung auf die Einzelschule einerseits, eine zweistufige Verwaltung, eine stärkere Einbindung in die Kommune und bestimmte wichtige Aufgaben wie Lehrerfortbildung, Bildungsstandards festlegen, in eine Institution aus dem Kultusministerium ausgliedern.

Das ergäbe eine schlanke Verwaltung mit Standards und Qualitätsvorgaben durch den Staat. Damit nähme er seine Kernkompetenz wahr. Wir haben einen Wettbewerb „selbstständige Schulen“. Das ist genau das, was wir brau

chen. Wir haben eine bürgernahe Verwaltung, weil in dieser Schule Elternschaft und Lehrerschaft viel enger unter dem Dach der Gemeinde zusammenarbeiten müssen.

Jetzt sage ich Ihnen meine Prognose: Wenn man das so macht, dann verringert man die Schulverwaltung nicht u m 20 %, sondern a u f 20 % in 10 bis 15 Jahren. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich habe Ihnen wohl klar machen können: Wenn man ein Schulreformmodell wählt, das sich an den Aufgaben ausrichtet, und dann eine Aufgabenkritik vornimmt – Dezentralisierung einerseits, Reduktion der staatlichen Verwaltung auf Sicherung der Standards –, dann kommen Sie auf 20 % dessen, was wir heute an Schulverwaltung haben. Daran sieht man, wohin man mit wirklichen Reformanstrengungen kommen kann.

Ich habe natürlich noch viel zu den anderen Gebieten zu sagen. Das lasse ich jetzt weg.