Protocol of the Session on July 16, 2003

Europa müsse in der Außenpolitik mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Das wünsche ich mir wirklich! Ich muss aber sagen: Wir sind noch weit davon entfernt, dass sich beispielsweise Großbritannien oder Deutschland in Fragen von Krieg und Frieden, auch nach der Erfahrung des IrakKriegs, einem Votum unterwerfen würden, das nicht ihrer jeweiligen Überzeugung entspricht. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Europäische Institutionen sind hilfreich; aber da müssen wir, glaube ich, noch viele inhaltliche Diskussionen führen.

Der Tierschutz ist angesprochen worden. Dafür habe ich mich eingesetzt. Gerade auf europäischer Ebene hätte ich eine Verbesserung für besonders wichtig gehalten, weil ich finde, dass das Schlimmste im Moment die überlangen Tiertransporte in Europa sind, die ich überhaupt nicht für gut halte.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen sowie Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Kretschmann, Sie haben auch gesagt, das Entscheidende sei eigentlich nicht einmal der Gottesbezug, sondern die Tatsache, dass der Mensch Rechte hat, die er nicht aus der Gunst des Staates hat, sondern die unmittelbare Rechte sind. Aber die Begründung für die Menschenwürde und für die elementaren Menschenrechte in der europäischen Tradition liegt ja gerade in der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Deswegen hätte ich diese Verankerung gerne gesehen. Aber ich stimme mit Ihnen völlig überein, dass Menschenwürde und Menschenrechte für sich in der Formulierung dieser Verfassung natürlich wichtig sind.

Zur Türkei ein zurückhaltendes, aber doch ein klares Wort. Zunächst einmal stimme ich mit Herrn Kretschmann darin überein, dass nicht das Kriterium sein darf, dass es sich hier um Muslime handelt. Wir haben schon jetzt 14 Millionen Muslime in der Europäischen Union. Das ist nicht das Kriterium. Mit Muslimen wären wir übrigens auch schnell über den Gottesbezug einig gewesen. Vielmehr ist das entscheidende Kriterium, mit dem ich voll übereinstimme, dass jedes Mitgliedsland der Europäischen Union vor dem Beitritt ein Rechtsstaat sein muss und die Menschenrechte und das Demokratieprinzip usw. achten muss.

Aber es kommt ein Zweites hinzu, und da stimme ich dem Kollegen Reinhart zu: Ich möchte, dass nicht alle Demokratien der Welt Mitglieder der Europäischen Union werden können, sondern es sollte auch ein europäisches Land sein. Es gibt Überlegungen des israelischen Außenministers und übrigens auch schon seines Vorgängers. Sie wissen, wie nahe ich Israel stehe. Aber ich bin nicht der Meinung, dass Israel Mitglied der Europäischen Union werden kann,

(Abg. Seimetz CDU: Richtig!)

ich bin nicht der Meinung, dass Marokko Mitglied der Europäischen Union werden kann,

(Abg. Seimetz CDU: Richtig!)

und ich sehe auch die Türkei nicht als europäisches Land.

(Abg. Seimetz CDU: Sehr richtig!)

Deswegen sollte man sich sehr wohl Gedanken darüber machen, wo Europa endet. Da gehören ganz sicher noch einige Länder dazu: alle ehemaligen Länder Jugoslawiens, Bulgarien, Rumänien. Aber ich glaube nicht, dass wir darüber hinausgehen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kretschmann?

Sehr gern. Ich darf vorher nur noch den Gedanken mit einem Satz zu Ende bringen: Ich sehe Europa nicht als eine geschlossene Burg, sondern am Mare nostrum selbstverständlich engste Beziehungen, die auch schon bestehen, mit Israel, mit dem Maghreb, mit der Türkei. Ich bin also für Sonderbeziehungen und für alle wirtschaftlichen Vorteile, die sich da denken lassen. Europa

(Ministerpräsident Teufel)

nicht als geschlossene Burg, Lomé-Abkommen, in breitem Maße enge Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten. Aber ich glaube, auch wenn afrikanische Staaten Demokratien sind, können wir sie nicht als Vollmitglied in die Europäische Union aufnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen gibt es für mich zwei entscheidende Kriterien: das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip und die Frage: Ist das ein europäisches Land?

Jetzt bin ich gern bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten.

Herr Ministerpräsident, jetzt ist aber bekannt, dass ein Teil der Türkei auf dem europäischen Kontinent liegt. Stimmen Sie mit mir überein, dass die europäische Geschichte auch mit ihren leidvollen Anteilen ohne Konstantinopel, Byzanz und Istanbul nur schwer denkbar ist und dass diese Stadt auch heute noch durch und durch europäisch ist?

Das Erste: Ein Teil, allerdings ein geografisch sehr, sehr kleiner Teil der Türkei

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Ein wichtiger!)

ist europäisch. Das ist gar keine Frage. Anatolien ist es sicher nicht. Dass Byzanz eine ganz große europäische Geschichte hat und mitgeschrieben hat, ist keine Frage. Ich lese gerade ein großes Geschichtsbuch über Byzanz

(Abg. Capezzuto SPD: Oi! Jetzt aber!)

und finde das darin bestätigt. Aber die Türkei ist nicht mehr Byzanz – ich glaube, das darf man auch in aller Offenheit sagen –, sondern da hat sich in der Geschichte einiges weiterentwickelt.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle und Behringer CDU)

Letzte Bemerkung: Ich möchte aufnehmen, was der Kollege Reinhart gesagt hat: Es kommt jetzt darauf an, dass die nationalen Parlamente auch ihre Mitwirkungsrechte nutzen, die ihnen eine europäische Verfassung ermöglicht.

Allerletzte Bemerkung: Nachdem wir den europäischen Verfassungsprozess zu einem guten Ende gebracht haben, sollten wir uns unter Führung des Landtagspräsidenten und der Fraktionsvorsitzenden dieses Hauses vonseiten des ganzen Landtags von Baden-Württemberg darum bemühen, dass wir Fehlentwicklungen der letzten 50 Jahre gegen das Subsidiaritätsprinzip in Deutschland korrigieren können, die Länder wieder stärken und vor allem die Landtage stärken. Wir sollten da in Deutschland durchaus in einen Verfassungsprozess eintreten, wie auch immer er gestaltet ist, und zwar mit gleicher Kraft und mit gleicher Gemeinschaft und Übereinstimmung. Das Ziel wäre es wert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Punkt 1 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Auswirkungen der geplanten Verwaltungsreform auf die Beamtinnen und Beamten – Drucksache 13/2083

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Beabsichtigte Eingliederung der Polizei in die Regierungspräsidien, Land- und Stadtkreise – Drucksache 13/2093

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Auswirkung der geplanten Verwaltungsreform auf die Schulverwaltung – Drucksache 13/2121

d) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums – Schwächung des Denkmalschutzes in Baden-Württemberg durch die von der Landesregierung geplante Verwaltungsreform – Drucksache 13/2138

e) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Beabsichtigte Neugliederung der Landesverwaltung in den Bereichen Landwirtschaft, Forst und Verbraucherschutz – Drucksache 13/2070

f) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Innenministeriums – Auswirkungen der Verwaltungsreform auf die Straßenbauverwaltung – Drucksache 13/2164

Zusätzlich rufe ich zu Punkt 2 b den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 13/2256, und zu Punkt 2 d den Änderungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/2254, auf.

Meine Damen und Herren, wir haben im Präsidium vereinbart, dass freie Redezeit gilt. Bis zur Mittagspause, die aus gegebenem Anlass spätestens um 12:50 Uhr beginnen muss, sollen aber alle Fraktionen und die Regierung noch zu Wort kommen. Deshalb gilt zunächst für die erste Runde eine Redezeit von sechs Minuten je Fraktion.

(Abg. Drexler SPD: Das hatten wir nicht verein- bart!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Drexler.

Das hatten wir nicht vereinbart.

Doch.

Herr Präsident, ich muss Sie da leider korrigieren. Wir haben freie Redezeit vereinbart, aber wir sind, weil der Herr Ministerpräsident uns zugesagt hat, maximal 40 Minuten zu reden, von einer anderen Zeitfolge ausgegangen. Jetzt hat der Herr Ministerpräsident aber über 70 Minuten geredet und damit den Tagesordnungspunkt 2 systematisch auf knapp 40 Minuten reduziert.

(Unruhe)

Wir hatten vereinbart, die restliche Zeit aufzuteilen. Das biete ich den anderen Fraktionen an. Die Regierung muss

vor der Ordensverleihung nicht mehr zu Wort kommen. Herr Innenminister, Sie können ja am Nachmittag zur Verwaltungsreform reden.

(Zurufe von der SPD: So ist es!)

Aber dass die Kolleginnen und Kollegen vor der Mittagspause zu Wort kommen, hatten wir vereinbart, und so sollten wir das auch halten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Verwaltungsreform entwickelt sich zunehmend – –