Vor ein paar Wochen war in der „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen, dass im baden-württembergischen Parlament mehr Beamte sitzen als in anderen Parlamenten. Das hat sicher damit zu tun, dass Menschen, die beruflich selbstständig sind oder in der Wirtschaft arbeiten, andere Entschädigungen erwarten. Wenn wir wollen, dass ein Abgeordnetenmandat attraktiv ist, und zwar nicht nur für Leute aus dem öffentlichen Dienst, sondern auch für Leute aus anderen Bevölkerungsgruppen, ist eine angemessene Abgeordnetenentschädigung wichtig.
Ich denke, mit der vorgeschlagenen einprozentigen Erhöhung, mit der wir unter der Inflationsrate liegen, und der Nichterhöhung der steuerfreien Pauschalen haben wir eine Kompromisslösung gefunden, die in die Richtung einer Nullrunde geht, die aber die Abgeordnetenentschädigung auch nicht völlig von der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppelt. Deshalb tragen wir Grüne den Gesetzentwurf mit.
Der Gesetzentwurf ist an den Ständigen Ausschuss zu überweisen. – Dagegen gibt es keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.
a) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Neue Arbeitszeitmodelle für Lehrkräfte an den Schulen in Baden-Württemberg – Drucksache 13/1166
b) Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Neue Arbeitszeitmodelle statt Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung – Drucksache 13/2038
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die grüne Landtagsfraktion hat vor einem Jahr die Debatte über die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle für Lehrkräfte in Baden-Württemberg eröffnet. Der Antrag meiner Fraktion, mit dem die Landesregierung aufgefordert wird, neue Arbeitszeitmodelle an allen Schularten zu erproben und dazu in Verhandlungen mit den Lehrerverbänden einzutreten, liegt Ihnen heute vor.
Dass wir, meine Damen und Herren, in der Sache nicht locker lassen, können Sie daran erkennen, dass Ihnen heute ein zweiter, aktueller Antrag meiner Fraktion vorliegt, in dem wir fordern, dass die beschlossene Arbeitszeitverlängerung für Lehrkräfte ausgesetzt wird und Sie stattdessen sofort mit Verhandlungen mit den Lehrerverbänden beginnen, damit zeitnah neue Arbeitszeitmodelle erprobt und in der Fläche an allen Schularten eingeführt werden können.
Meine Damen und Herren, die Bereitschaft der Verbände liegt längst vor. Die GEW ist als erster Verband auf das Kultusministerium, auf Sie, Frau Kultusministerin, zugegangen und hat mit Ihnen Verhandlungsgespräche über die Neubewertung der Lehrerarbeitszeit geführt. Ich muss sagen, die Lehrergewerkschaft hat es sich dabei nicht leicht gemacht. Denn neue Arbeitszeitmodelle für Lehrer und Lehrerinnen werden innerhalb der Lehrerschaft durchaus sehr kontrovers diskutiert.
Andere Verbände, auch die Lehrerverbände im Beamtenbund, vor allem der VBE, sind gefolgt und fordern jetzt ebenfalls die Erprobung und Einführung neuer Arbeitszeitmodelle. Inzwischen hat sich dem auch der Landeselternbeirat, Ihr wichtigstes Beratungsgremium, angeschlossen.
Leider beißen wir bei der Kultusministerin in der Frage neuer Arbeitszeitmodelle von Lehrkräften immer noch auf Granit. Ausgerechnet Sie, Frau Kultusministerin Schavan, die im Bildungswesen mit Überschallgeschwindigkeit eine Reform nach der anderen verkündet, erweisen sich bei der Lehrerarbeitszeit als Besitzstandswahrerin eines verstaubten, anachronistischen Arbeitszeitmodells, bei dem die Lehrerarbeitszeit als reine 45-Minuten-Stunden-Halterei definiert wird.
Damit kein Missverständnis entsteht: Auch bei einem neuen Arbeitszeitmodell bleibt der Unterricht das Kerngeschäft für Lehrer und Lehrerinnen. Mit einem neuen Arbeitszeitmodell geht es uns Grünen auch nicht darum, dass Lehrer und Lehrerinnen künftig weniger arbeiten sollen.
Im Gegenteil, die Arbeitszeit soll effizienter und ertragreicher werden. Es geht uns im Kern darum, dass die Lehrerarbeitszeit alle Aufgaben von Lehrern und Lehrerinnen – es sind ja in vielfältiger Weise Aufgaben dazugekommen – definiert und in ein zeitliches Verhältnis zueinander bringt. Es geht um Transparenz von Lehrerarbeitszeit. Es geht vor allem auch um Arbeitszeitgerechtigkeit zwischen den Lehrkräften unterschiedlicher Schularten, Arbeitszeitgerechtigkeit zwischen Lehrkräften mit unterschiedlicher Belastung durch Unterrichtsfächer und Klassenstufen. Beim Thema Arbeitszeitgerechtigkeit geht es auch um die Unterschiede zwischen denen, die sich heute als Lehrer und Lehrerinnen halb tot arbeiten, und denen, die auf der faulen Haut liegen; auch das muss einfach gesagt werden.
(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Was? – Abg. Sei- metz CDU: Mit „halb tot arbeiten“ hat sie den Win- truff gemeint!)
Neue Arbeitszeitmodelle müssen auch Präsenzzeiten für die Lehrer und Lehrerinnen an den Schulen vorsehen, Zeiten, in denen sie gemeinsam an der Bildungsplanreform arbeiten – Stichwort schuleigenes Curriculum –, in denen der Unterricht gemeinsam geplant und vorbereitet wird, in denen er evaluiert wird und auch Ziele der Schule evaluiert werden.
(Abg. Seimetz CDU zu Abg. Fischer SPD: Günter, dass dir da nicht das Messer in der Tasche aufgeht, wundert mich!)
Das Burn-out-Syndrom resultiert doch zu einem guten Teil daraus, dass viele Lehrer in der Vereinzelung arbeiten und isoliert sind.
Last, but not least sollen die Lehrer und Lehrerinnen in den Präsenzzeiten auch für Gespräche mit Eltern und Schülern zur Verfügung stehen. Die Präsenzzeit ist im Übrigen auch bei dem jetzt anstehenden Ausbau der Schulen zu offenen Ganztagsschulen sehr wichtig.
In der Praxis sollen neue Arbeitszeitmodelle so aussehen, dass alle Lehrkräfte eine Jahresarbeitszeit haben, in der die unterschiedlichen Anteile an Aufgaben zeitlich definiert sind. Letztlich soll aber im Sinne der Autonomie von Schulen das Kollegium, soll die Schule über die Schwerpunktsetzungen jedes Lehrers an der Schule entscheiden. So wird es künftig durchaus möglich sein, dass eine Lehrkraft, die sehr stark am Schulprogramm und an der Evaluation arbeitet, weniger unterrichtet,
Hinzu kommt noch: Wer zum Beispiel Deutsch in der Oberstufe des Gymnasiums unterrichtet, soll natürlich weniger Unterricht erteilen müssen als jemand, der weniger korrekturintensive Fächer, zum Beispiel in der Unter- und der Mittelstufe, unterrichtet.
Tatsache ist, dass erste Ansätze neuer Arbeitszeitmodelle an einigen Schulen in Baden-Württemberg durchaus bereits praktiziert und entwickelt werden. Ich habe gerade in der letzten Woche ein Gespräch mit der Schulleiterin eines Gymnasiums geführt. Dort gibt es mehrere Schulentwicklungsteams im Kollegium. Ein Team hat zum Beispiel gerade ein Konzept einer offenen Ganztagsschule entwickelt. Dieses sieht sogar von sich aus – das ist hoch anzurechnen – gewisse Präsenzzeiten vor, wonach zum Beispiel Lehrer am Nachmittag da sind, die dann Ansprechpartner für Lerngruppen von Schülern sind, die im Sinne von selbstständigem Arbeiten nachmittags an der Schule bleiben. Dann kam die Deputatsstundenerhöhung um eine Stunde. Die Schulleiterin hat mir berichtet, das Ausmaß an Empörung und Demotivation, das jetzt eingetreten ist, sei katastrophal.
Das Engagement der Lehrkräfte ist zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: In einer Zeit, in der wie nie zuvor an unseren Schulen in Baden-Württemberg eine Aufbruchstimmung verlangt und erwartet wird, ist die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit das falsche Signal.
Natürlich sehe ich auch, dass die Erwirtschaftung von 950 Deputaten angesichts der katastrophalen Finanzlage des Landes ein gewichtiges Argument ist. Die Frage ist allerdings, ob nicht die negativen Folgen dieser Arbeitszeiter
höhung unterm Strich für die Qualitätsentwicklung der Schulen schwerer wiegen und negativer zu Buche schlagen als der durch die Arbeitszeiterhöhung erwirtschaftete Gewinn an Deputaten.
Fest steht allerdings auch: Das permanente Drehen an der Deputatsschraube, das Starren auf die Deputatsstundenzahl wie ein Kaninchen auf die Schlange muss an unseren Schulen überwunden werden.
Ich fordere Sie auf, Frau Kultusministerin Schavan: Setzen Sie deshalb nicht immer nur Reformen von oben durch, zum Teil auch gegen erheblichen Widerstand der Betroffenen, sondern greifen Sie endlich auch einmal einen Vorschlag auf, der von den Verbänden bzw. vom Landeselternbeirat kommt. Führen Sie Verhandlungen mit den Betroffenen. Fangen Sie an, neue Arbeitszeitmodelle in BadenWürttemberg einzuführen. Erweisen Sie sich in dieser Frage nicht als Besitzstandswahrerin und als Ewiggestrige, denn Sie behindern damit neue Formen des Lernens an den Schulen und eine Weiterentwicklung von Unterrichtsqualität und von ganztägig geöffneten Schulen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge sind von dem berechtigten Bemühen gekennzeichnet, Lehrern in Bezug auf ihre Arbeit Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Dieses Anliegen bedarf meines Erachtens aber vorab der Definition der Tätigkeit eines Lehrers. Es gibt meines Erachtens keinen vergleichbaren Beruf, in dem Arbeitszeit so individuell ausgestaltet werden kann wie im Lehrerberuf. Dies betrifft alle Tätigkeiten gleichermaßen. Einige wenige davon will ich nennen: Unterrichtsvor- und -nachbereitung, fachliche Zusammenarbeit mit Kollegen, Bereitschaft zur Weiterbildung, Ausgestaltung der Klassenlehrertätigkeit, Intensität und Umfang der Elterngespräche.
Die große Mehrheit der Lehrer in Baden-Württemberg geht mit diesem hohen Maß an eigenverantwortlicher Arbeitszeitgestaltung höchst verantwortungsbewusst um. Aber leider – Frau Rastätter, Sie haben es angesprochen – haben die wenigen, die sich anders und eher verantwortungslos verhalten, ein Lehrerbild in der Öffentlichkeit mitgeprägt, das einen Nährboden für populistische Lehrerbeschimpfung bietet. Davon distanzieren wir uns als CDU-Fraktion ganz entschieden, weil wir um die Herausforderung und die Belastungen des Lehrerberufs gerade in der heutigen Zeit wissen.
Die Erhöhung der Arbeitszeit der Lehrer im höheren Dienst hat weder mit Missachtung des Lehrerberufs zu tun noch mit der Bestrafung irgendeiner Berufsgruppe.