Protocol of the Session on May 28, 2003

Die zweite Forderung – deswegen verstehe ich Ihr Argument nicht, Frau Kollegin Gurr-Hirsch –: Der EU-Kommissar hat im Zusammenhang mit mehreren Lebensmittelskandalen immer wieder die Zersplitterung der Zuständigkeiten in Deutschland kritisiert. Wenn es nach ihm ginge, müsste das Ganze zentralisiert werden. Das ist nicht mein Weg. Aber wenn wir jetzt noch eine Ebene tiefer gehen und noch die Landkreise stärken wollen, frage ich wirklich, wie das geschehen soll.

Genauso unsinnig ist es, eine Zersplitterung zu beklagen, nur weil der WKD beim Innenministerium angesiedelt ist. Das ist halt nun einmal eine polizeiliche Behörde. Ebenso unsinnig wäre es aber – und das würde der Lebensmittelkontrolle in Baden-Württemberg sicherlich schaden –, wenn der WKD durch die angedachte Verwaltungsreform dann mehr oder weniger zerschlagen würde. Diesen Weg werden wir nicht mitgehen – und ich hoffe, auch Sie nicht.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Sie sind ja noch konservativer als alle anderen! Das ist strukturkonservativ!)

Nein, das ist nicht strukturkonservativ. Aber Dinge kaputtzumachen, die gut funktionieren, ist idiotisch.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Es gibt genügend Dinge, die nicht funktionieren.

Noch eines, Frau Kollegin: Die Kommunikation zwischen den Bundesländern und dem Bund – das haben diese Skandale gezeigt, und darauf hat auch die EU immer wieder hingewiesen – muss verbessert werden. Wir brauchen ein einheitliches Vorgehen. Es ist richtig, dass die Länder hier Hoheitsrechte haben, aber trotzdem muss das Ganze miteinander abgestimmt werden. Deshalb ein zweiter Punkt, Herr Minister:

(Abg. Hauk CDU: Jetzt nennen Sie doch mal Ross und Reiter! Was meinen Sie denn konkret?)

Die Verwaltungsvorschrift, die jetzt erarbeitet wird, was die Meldungen usw. anbelangt, all diese Dinge, hoffe ich, werden Sie gemeinsam mit der Frau Bundesministerin auf den Weg bringen.

(Abg. Hauk CDU: Wenn wir es mit dem Föderalis- mus ernst meinen, dann sagen Sie doch mal, wo!)

Herr Kollege Hauk, vor dem Hintergrund dessen, dass der internationale Handel ausgeweitet wird und wir eine Globalisierung der Märkte haben, müssen wir doch stärker zwischen den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund zusammenarbeiten. Da können wir doch nicht in jedem einzelnen Land vor uns hinwursteln.

(Abg. Hauk CDU: Sagen Sie doch mal, wo!)

Das geht einfach nicht. Es funktioniert nicht. Beispielsweise darf man Kontrollen nicht nur dort machen, wo das Produkt für den Endverbraucher praktisch schon bereitliegt,

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Das wird doch gemacht!)

sondern man muss die Kontrollen beispielsweise schon an den Grenzen durchführen. Da muss man zwischen den Ländern zusammenarbeiten. Deswegen nützt es nichts, wenn man sich nur auf seine Länderhoheit beschränkt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hauk CDU: Sie ha- ben bisher nur Luftblasen gebracht! – Abg. Dr. La- sotta CDU: Das sind lauter Schlagworte!)

Ein letzter Punkt – leider ist meine Sprechzeit schon zu Ende –: Transparenz schafft Vertrauen. Ich glaube und hoffe,

dass der Herr Minister die Lehre aus dem BodenseeobstSkandal gezogen hat. Damals – da hat der WKD gut gearbeitet – lagen die Ergebnisse auf dem Tisch, aber die Öffentlichkeit hat sie nicht erfahren. Auch das schadet letztendlich nur denen, die sich gesetzeskonform verhalten. Deswegen ist Transparenz eines der wichtigsten Themen, die wir in diesem Bereich haben.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Man darf es in der Öffent- lichkeit auch nicht überziehen! Sonst schafft man Verunsicherung!)

Ein allerletzter Satz: Den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Herr Kollege, ist es völlig egal, welche politische Farbe kontrolliert. Sie wollen Vertrauen in unsere Lebensmittel haben. Deswegen ist es gut, wenn wir auf allen Ebenen zusammenarbeiten. Aber lassen Sie die Finger von dieser Verwaltungsreform. Da reißen Sie Mauern ein, die bisher in Baden-Württemberg – das gebe ich offen zu – gut bestanden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Hauk CDU: Jetzt müssen wir mal die alten Protokolle he- rausholen! Ich will mal lesen, wie Sie sich früher über Themen wie BSE geäußert haben! Das ist doch hanebüchen, was wir da hören! – Gegenruf des Abg. Pfister FDP/DVP: „Doucement“, sagt der Franzose! – Unruhe)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Stächele.

Verehrte Frau Landtagspräsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist überhaupt keine Frage: Die Menschen haben ein Recht auf gesunde Nahrungsmittel.

(Abg. Kiefl CDU: Sehr gut!)

Deswegen muss Lebensmittelsicherheit ganz obenan stehen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Richtig!)

Insofern ist es grundsätzlich richtig, dass wir immer mal wieder hier im Parlament diskutieren. Ich hatte mich auch zunächst über das Thema gefreut, war allerdings, verehrte Frau Kipfer, ein bisschen überrascht. Eingegangen ist die Große Anfrage am 13. Juni 2002, beantwortet haben wir sie im September 2002, und ich frage mich, warum Sie sie so lange haben liegen lassen, bevor sie hier diskutiert wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD – Abg. Fischer SPD: Dafür können wir nichts!)

Wenn es so ernst und wichtig ist, müssten wir das Ding an sich schneller in die Parlamentsdebatte bringen, anstatt ein halbes Jahr verstreichen zu lassen.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Das ist aber nicht Ihr ein- ziger Punkt!)

Ihr Stichwort war der „Nitrofen-Skandal“. Herr Kollege Drautz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man das, was dort zu sagen gewesen wäre, wirklich richtigerweise hätte

(Minister Stächele)

in Berlin sagen müssen. Nichtsdestotrotz – und da sind wir nicht schadenfroh –: All das, was in der breit angelegten, tiefen und auch weiten Kette der Lebensmittelerzeugung entsteht, geht uns alle an. Wenn wirklich irgendwo ein Fehler gemacht wird, dann ist das auch für uns eine Aufforderung, zu prüfen, ob Ähnliches bei uns vorkommen könnte oder ob wir eine weitere Optimierung unserer Abläufe vornehmen müssen.

Ich halte allerdings nicht viel davon, Frau Kipfer, wenn Sie mutwillig oder politisch bedingt schlechtreden,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Ich habe das doch gelobt! Was wollen Sie denn?)

was in Baden-Württemberg gut funktioniert. Wenn Ihr Antrag schon damit anfängt, wie schlecht gegliedert und schlecht koordiniert das alles sei, dann ist das einfach falsch. Solche Begriffe kommen wirklich aus dem Tal der Ahnungslosen. Anders kann man das nicht bezeichnen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP – Abg. Röhm CDU: So ist es!)

Im Gegenteil: Wir haben geradezu eine optimale, vorbildlich funktionierende Überwachung unserer Lebensmittel in Baden-Württemberg. Andere Länder neiden uns dies, was hier aufgebaut ist.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Die können noch was ler- nen von uns! – Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Schauen Sie sich doch einmal – wir haben gerade in diesen Tagen Grund, lobend darüber zu reden – die vorbildliche Organisation der Untersuchungseinrichtungen an.

(Abg. Schmiedel SPD: Warum wollen Sie es dann ändern? Warum wollen Sie denn ändern, was so schön ist?)

Lassen Sie mich doch einmal vortragen. Sie peitschen ja im Grunde jetzt schon mit Begriffen hinein, die gar nicht gelten und überhaupt nicht gefragt sind. Wir reden im Moment von vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern, und dazu kommt das Staatliche Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf. Dort wird Spitzenarbeit geleistet, und kein Mensch denkt daran, diese Einrichtungen in ihrer Funktionalität zu schmälern oder zu mindern. Deswegen: Machen Sie doch nicht so eine Falschpropaganda! Die gehört da nicht hin. Das ist eine unnötige Verunsicherung der Verbraucher. Das gehört sich einfach nicht.

(Beifall bei der CDU)

Der nächste Vorwurf war, in Baden-Württemberg gebe es drei Behörden mit sich überschneidenden Aufgaben. Ich bin der Meinung: Wer beim Thema Verwaltungsreform überhaupt mitreden möchte, sollte zunächst den jetzigen Verwaltungsaufbau verstehen. Da gibt es nämlich nichts Überschneidendes, sondern da gibt es klare Zuständigkeiten. Da gibt es das MLR – das wissen alle, die sich ein bisschen darum kümmern – als die oberste Lebensmittelüberwachungsbehörde, dann haben wir die Regierungspräsidien, die als höhere Lebensmittelüberwachungsbehörden den Vollzug kontrollieren, und wir haben schließlich den unteren Bereich der Landratsämter, die weiß Gott gründlich und

genau mit der hohen Kompetenz, die wir den Landräten und Landratsämtern einfach zuerkennen, auf den Gebieten Tierschutz, Tiergesundheit, Tierarzneimittelüberwachung, Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung tätig sind. All dies wird dort vollzogen, durch die Regierungspräsidien überwacht und letztlich dann vom Ministerium in der großen Fachaufsicht begleitet.

Jetzt frage ich Sie: Was soll sich da überschneiden? Das ist ein ganz normaler dreigliedriger Aufbau. Den muss man einfach einmal begreifen. Dann kann man nicht zu solchen unsinnigen Vorwürfen kommen.

Nun zum WKD, einem operativ tätigen Vollzugsinstrument, das dem Innenminister, dem Innenministerium unterstellt ist. Nennen Sie mir einen einzigen Fall, wo es nicht geklappt hätte! Das Gegenteil ist der Fall: Ich höre eher, dass zu viel kontrolliert wird, dass gesagt wird: Schon wieder wird kontrolliert. Die Kontrollsysteme funktionieren. Reden Sie sie deswegen bitte nicht schlecht. Sagen Sie uns vielmehr konkret, wenn im Einzelfall etwas nicht funktioniert hat, weil wir das dann im Interesse der Verbraucher sofort abstellen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Also: Die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg – das sage ich ganz gezielt auch nach draußen – hat keine Defizite. Wir sind beim Verbraucherschutz optimal aufgestellt. Wir sind in der Lebensmittelüberwachung vielfach europaweit führend. Ich nenne die beiden Ihnen bekannten Beispiele: erstens Acrylamid. Dessen Entwicklungsweg wurde beim Untersuchungsamt hier in Stuttgart erforscht und begründet. Das zweite Beispiel – das macht uns stolz, und ich habe den Mitarbeitern dafür auch herzlich gedankt, auch in Ihrem Namen – ist neuerdings die Sache mit dem 3-MCPD, Monochlorpropandiol. Auch hier stellt sich die Frage, wie man damit umgehen kann. Sie wissen: der schwarz geröstete Toast einerseits oder die ganz dunkel gebrannte Kante des Brots.

Hier in Stuttgart sind die Erkenntnisse über die Entstehung dieser Substanzen entwickelt worden. Das heißt, wir haben jetzt die Möglichkeit, zusammen mit dem Bundesministerium und den zuständigen Bundesaufsichtsämtern zu erforschen, wie wir auf diese Gefahr beispielsweise mit Weisungen oder Hinweisen an die Bevölkerung sofort reagieren können.

Ich nenne schließlich auch die Einrichtung in Freiburg, die als Dioxinlabor von der WHO als europaweit zuständiges Referenzlabor ausgewiesen wurde. Schließlich sind wir führend bei der Bestimmung gentechnischer Veränderungen in Lebensmitteln.