Protocol of the Session on May 28, 2003

(Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Es gibt aber auch die Möglichkeit, durch ein solches Modell Arbeitgeber mit ins Boot zu nehmen. Auch die können Bildungsgutscheine finanzieren. Man kann Stiftungen dafür gewinnen, Bildungsgutscheine auszugeben, und so komplett neue Impulse in die Bildungslandschaft setzen und den Hochschulen einen finanziellen Anreiz geben, mehr für das Studium zu tun, mehr für wissenschaftliche Weiterbildung zu tun, weil dieses Geld über Bildungsgutscheine direkt in die Hochschulen fließt.

(Beifall bei den Grünen)

Wir wollen Bildungsgutscheine, weil sie ein konkreter Beitrag dazu sind, die Selbstständigkeit der Hochschulen zu erhöhen, die Selbstständigkeit der Studierenden zu verbessern.

Jetzt frage ich Sie, Herr Frankenberg: Was wollen eigentlich Sie? Jetzt ist die Zeit, konkrete Konzepte vorzulegen und Ihre Position vorzustellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Herrn Professor Dr. Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, uns allen im Haus ist die schwierige Lage der Wirtschaft und der öffentlichen Finanzen bekannt.

(Abg. Clemens Winckler CDU: Nicht allen!)

Und sie sollte auch in Berlin bekannt sein und Reaktionen hervorrufen.

Gerechtigkeit in dieser Situation heißt, dass alle Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern ihren Beitrag zur Lösung der Problematik der öffentlichen Haushalte leisten müssen und dass nicht einzelne Gruppen ausgenommen oder übermäßig belastet werden. Wir diskutieren zurzeit sehr viele Belastungen einzelner Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern, sei es in den Fragen der Krankenversicherung, sei es in den Fragen der Rente oder auch bei anderen Sozialleistungen.

Das heißt, wir dürfen keine Gruppe ausnehmen, auch nicht die Studierenden. Denn ein Studium kostet pro Jahr und pro Studienplatz – Vollkosten – je nach Bundesland zwischen 10 000 und 20 000 €. Das sind Leistungen des Staates für die Studierenden, und die Leistungen in Baden-Württemberg liegen an der Obergrenze dieser Summe. Es gibt außer Bayern kein Bundesland, das für die Studierenden mehr Haushaltsmittel als Baden-Württemberg bereitstellt. Man kann uns nicht vorwerfen, wir täten hier wenig. Wenn Sie uns das vorwerfen, müssen Sie überall dort hingehen, wo wir nicht regieren, und dann sehen Sie, was „wenig“ wirklich bedeutet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Pfisterer CDU: Wenn man sehen will! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Ein Studium lohnt sich. Diese öffentlichen Investitionen lohnen sich für die Gesellschaft, aber das Studium lohnt sich auch für das Individuum. Die Arbeitslosigkeit der Akademiker ist geringer als die Arbeitslosigkeit des Durchschnitts der Bevölkerung, und die Einkommen der Akademiker liegen in der Regel über den Durchschnittseinkommen der Bevölkerung.

Wenn man bedenkt, was anderen Bevölkerungsgruppen zugemutet wird, fragt man sich, ob ein Beitrag von 40 € pro Semester zu den Kosten – in diesem Falle zu den Verwaltungskosten –, also ein Beitrag von 80 € pro Jahr, angesichts der gegenwärtigen Wirtschafts- und Haushaltslage nicht doch wirklich gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Oder umgekehrt ausgedrückt: Man fragt sich, wer denn dafür plädieren könnte, dass von den Studierenden angesichts dieser Tatsache keine Leistungen verlangt werden dürfen.

Wenn man nun fragt: „Wem kommt das denn zugute?“, dann heißt es: Das kommt nicht den Hochschulen, sondern dem Finanzminister zugute. Dem Finanzminister selbst kommt natürlich überhaupt nichts zugute, sondern es gibt e i n e n Landeshaushalt, und dieses Geld fließt in den Landeshaushalt. Im Gegenzug werden die Hochschulen von Kürzungen in Höhe von ca. 16 Millionen € ausgenommen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist der Punkt!)

Ob man also jemandem jetzt 16 Millionen € direkt gibt

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

oder ihn davon ausnimmt, dass er diese Summe abgeben muss, das kommt auf das Gleiche heraus.

Diese Einsparungsvermeidung ist notwendig. Man muss ja auch die Gegenseite sehen: Wir haben in Baden-Württemberg nicht nur die beste Hochschulfinanzierung pro Studierenden, sondern wir haben einen Solidarpakt mit den Universitäten, und wir haben ähnliche Verträge mit den Fachhochschulen und mit den Pädagogischen Hochschulen. In keinem Land sind die Haushalte der Hochschulen so gesichert wie in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

(Minister Dr. Frankenberg)

Und wenn die Rede davon war, wir vermieden durch diesen Beitrag weitere Einschnitte bei den Hochschulen, so ist das nicht das Problem. Denn der Solidarpakt hat über diese angespannte Haushaltslage hinweg gehalten. Es gibt bislang keine Einschnitte in den einzelnen Hochschulhaushalten, sondern wir haben, etwa mit dem PH-Sonderprogramm, noch zusätzliche Leistungen für die Hochschulen bereitgestellt. Ich bitte Sie, mir ein Bundesland zu nennen, in dem die Hochschulhaushalte so geschont worden sind wie in Baden-Württemberg.

(Beifall der Abg. Pfisterer CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Sie werden allenfalls noch Bayern nennen können.

(Abg. Pfisterer CDU: Genau so ist es!)

Das heißt, wenn hier davon geredet wird, wir hätten keine Konzeption und würden planlos in die Taschen der Betroffenen greifen, dann ist das angesichts der Haushaltslage und angesichts dessen, was in den anderen Bundesländern stattfindet, völlig unzutreffend. Die Sicherungen über den Solidarpakt sind beispielhaft und werden von den Hochschulen auch in dieser Weise nicht nur anerkannt, sondern mit uns verteidigt.

Wenn jetzt die Frage nach der Höhe dieses Betrags, nach den 40 €, gestellt wird, so höre ich immer wieder heraus, dass dieser Betrag manchen offenbar als zu niedrig erscheint. Diese 40 € ergeben sich aus dem rechtlich Machbaren

(Abg. Pfisterer CDU: So ist es!)

nach dem Verfassungsgerichtsurteil über die Rückmeldegebühren. Die entsprechenden Leistungen, die hier berücksichtigt worden sind, haben wir offen gelegt. Die Summe, die sich an den einzelnen Hochschulen ergeben hat, liegt über 40 €. Wir gehen mit 40 € auf eine Höhe, die uns vor weiteren erfolgreichen Klagen von Gebührengegnern schützt.

Ich gehe jetzt auf einige Ihrer Fragen vonseiten der Opposition ein und möchte zunächst einmal sagen: Wenn Sie, Frau Bregenzer, die verstärkte Selbstauswahl der Studierenden als etwas bezeichnen, was die Hochschulen und die Studierenden nicht wollten,

(Abg. Carla Bregenzer SPD: In dieser Form nicht!)

dann muss ich sagen: Die Selbstauswahl der Studierenden ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal für die Hochschulen und für die Verbesserung der Lehre. Aber erfreulicherweise entnehme ich Ihrer Rede jetzt doch ein Angebot an die Regierung, das lautet: Falls es zur Einführung allgemeiner Studiengebühren käme, dann stünden Sie hinter uns.

(Auf der Zuhörertribüne ertönen Pfiffe. – Von der Zuhörertribüne werden Flugblätter in den Plenar- saal geworfen. – Abg. Pfister FDP/DVP: Wo sind wir denn eigentlich hier? – Abg. Drexler SPD: Sehr gut! – Abg. Seimetz CDU: Unverfrorenes Volk! Schlechte Kinderstube! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie stünden hinter unserer Absicht, diese Gebühreneinnahmen den Hochschulen für eine Verbesserung ihrer finanziellen Situation zugute kommen zu lassen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie glauben an den Weihnachtsmann und den Osterhasen! – Abg. Sei- metz CDU: Da haben Sie gerade die Bescherung gehabt!)

Ich entnehme auch Ihren Ausführungen, Frau Bauer, dass Sie für den Fall, dass sozialverträgliche Studiengebühren, etwa nach dem Modell nachlaufender Studiengebühren, zustande kämen, mit uns in eine produktive Debatte eintreten würden. Wenn Sie die Reden über Spitzenuniversitäten, die Sie angesprochen haben, ganz gelesen hätten – ich nehme an, dass Sie sie ganz gelesen haben –, dann wüssten Sie, dass ich in dieser Hinsicht auch nicht ohne konzeptionelle Gedanken bin. Wenn Sie die Einführung von Bildungsgutscheinen vorschlagen, dann müssen Sie sehen, dass es in Baden-Württemberg ein Bildungsgutscheinmodell gibt

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Etikettenschwindel ist das!)

und dass das, was Sie als einen effizienten Umgang mit den Ressourcen bezeichnen, dadurch gegeben ist, dass zur effizienten Ressourcennutzung die so genannten Langzeitstudiengebühren beitragen. Die Langzeitstudiengebühren sind ein gutes Beispiel auch dafür, wie man rechtlich sicherstellen kann,

(Abg. Pfisterer CDU: Die haben sich gut bewährt!)

dass solche Gebühreneinnahmen ausschließlich den Hochschulen zugute kommen. Denn das ist bei den Langzeitstudiengebühren der Fall. Das ist rechtlich geregelt. Wir finanzieren daraus das Bündnis für Lehre. Das ist also dezidiert eine Verbesserung der Studienbedingungen.

Wenn man allerdings glaubt, wir könnten verstärkt Arbeitgeber zur Finanzierung von Bildungsgutscheinen heranziehen, dann sieht man die Lage der Bundesrepublik Deutschland, glaube ich, wirklich in einem rosa-grünen Licht.

(Abg. Pfisterer CDU: Eine verträumte Regierung ist das!)

Die Arbeitskosten in Deutschland insgesamt sind ja gerade auch wegen der Lohnnebenkosten so hoch, dass sich Arbeitsplätze weniger rentieren. Das ist die Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Wer glaubt, man könne die Unternehmen noch stärker belasten, redet eigentlich einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit das Wort.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Deshalb bin ich der Auffassung, dass die Finanzprobleme nicht durch mehr Schulden gelöst werden können. Denn die höheren Schulden müsste gerade jene junge Generation finanzieren, die in ihrer Minderheit gegen eine Gebühr von 40 € pro Semester ist, was die Mehrheit der Bevölkerung wahrscheinlich überhaupt nicht verstehen kann.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)