Protocol of the Session on May 7, 2003

Ich bin dem Kollegen Drexler dankbar, dass er, als er die Möglichkeit des Abbaus um 20 % kritisiert hat, wenigstens hinzugefügt hat, dass wir gesagt haben, dass wir im Schnitt und im Ergebnis 20 %

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

herausbringen müssen und wollen. Es kann sehr wohl sein, dass die Einsparung in einem einzelnen Bereich der Eingliederung unter 20 % liegt

(Abg. Pfister FDP/DVP: Polizei zum Beispiel!)

und in einem anderer Bereich der Eingliederung über 20 % beträgt. Das ist genau unsere Meinung: Nicht jeder Bereich wird exakt 20,0 % erbringen.

Dann haben Sie gesagt, wir würden unsere Machtstrukturen durch diese Reform festigen. Das finde ich nun allerdings sehr komisch.

(Abg. Drexler SPD: Wer hat das gesagt?)

Ich muss sagen, bei uns in der CDU hat es immer Leute gegeben, die gesagt haben: Der Staat darf sich doch aus der Fläche nicht völlig zurückziehen. Jetzt begeben wir uns zu einem beachtlichen Teil der direkten Einflussmöglichkeit – wir behalten die Fachaufsicht – und geben die Aufgaben als weisungsgebundene Pflichtaufgaben hinunter, so wie es in § 2 Abs. 3 der Gemeindeordnung ausdrücklich als Möglichkeit vorgesehen ist. Jetzt soll mir mal einer sagen, wie wir dadurch unsere Machtstrukturen festigen, wenn wir Aufgaben in die Verantwortung der unteren Ebenen geben. Genau das Gegenteil machen wir.

Herr Kollege Kretschmann, Sie sagen, ich hätte das Parlament desavouiert; die zweite Reform sei noch im Landtag diskutiert worden. Ich war bei der zweiten Reform, also bei der Gemeindereform, dabei. Da ist es doch ganz genauso gemacht worden wie jetzt, dass die Regierung ein Konzept erarbeitet hat und dieses Konzept zunächst einmal im Rohentwurf im Landtag diskutiert worden ist wie heute und dann die Regierung einen Gesetzentwurf eingebracht hat, der im normalen Gesetzgebungsverfahren in den Ausschüssen und im Plenum des Landtags behandelt worden ist.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wie soll es denn anders sein?)

Was ist denn jetzt im Verfahren anders als damals? Das ist doch das normale Verfahren.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Das ist nicht das Kon- zept der Regierung, sondern das Konzept des Mi- nisterpräsidenten und des Staatsministers!)

Dass Sie dem Regionalkreis nachtrauern, kann ich ja irgendwie verstehen; denn mit dieser Verwaltungsreform ist der natürlich endgültig verabschiedet. Schauen Sie, ich habe einmal errechnet: Beim SPD-Vorschlag, den die SPD erfreulicherweise heute gar nicht mehr gebracht hat, in dem acht Regionalkreise vorgesehen waren – Sie, Herr Kretschmann, haben zwölf vorgeschlagen –, würde ein Regionalkreis im Schnitt 140 Gemeinden mit über 1 Million Einwohnern umfassen. Er wäre

(Abg. Pfister FDP/DVP: Grauenhaft!)

achtmal so groß wie ein Landtagswahlkreis.

(Abg. Drexler SPD: Ja und? – Abg. Birgit Kipfer SPD: Wovor haben Sie denn Angst? – Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

Wenn Sie jetzt davon sprechen – nicht heute, aber in der Diskussion, wie ich gelesen habe –, die neu entstehenden Landratsämter seien Mammutbehörden, dann kann ich nur sagen: Das sind niedliche Behörden gegenüber dem, was Sie schaffen würden, wenn Sie Regionalkreise schafften. Regionalkreise wären wirklich Mammutbehörden im Land Baden-Württemberg, die zu unserem Land und seinen Bürgern in keiner Weise passen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Reinhart CDU: Mammutbehörden!)

Herr Kretschmann, Sie sagen, das sei von der Größe her überholt.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das würde ich bei 119 der 120 Abgeordneten noch verstehen, wenn sie das sagten; aber bei Ihnen, der Sie immer in den Strukturen für Klein-Klein eintreten, verstehe ich es nicht. Da sind Sie mir übrigens nahe verwandt.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Wurzeldemokratie!)

Dass ausgerechnet Sie sagen, man bräuchte größere Kreise, und das in einem Land, in dem wir in der Fläche die zweitgrößten Kreise in Deutschland haben, ist unverständlich. Es gibt in Deutschland nur noch in Nordrhein-Westfalen größere Kreise, und dass in Nordrhein-Westfalen bei einer ganz anderen Bevölkerungsdichte sehr viel schneller 300 000 und 400 000 Einwohner auf einer kürzeren Entfernung zusammenkommen als bei uns in der Fläche BadenWürttembergs, versteht sich von selbst.

Also der Regionalkreis ist wirklich keine Alternative. Ich kann nur sagen: Wir haben gegen Ihre Vorstellungen vom Regionalkreis, indem wir uns für die jetzigen Kreise und Gemeinden eingesetzt haben, auch eine Landtagswahl nach der anderen gewonnen. Die Bürger in Baden-Württemberg stehen ganz gewiss nicht hinter dem Regionalkreis.

(Ministerpräsident Teufel)

Herr Kollege Kretschmann, ich kann es mir nicht versagen, zu erklären: Gemessen an allen Äußerungen, die ich zur Subsidiarität von Ihnen kenne – dieses Gedankengut ist, muss ich offen sagen, mein verwandtester Bereich zu den Grünen –, ist bei dem, was Sie heute vorgetragen haben, aus einem Paulus ein Saulus geworden.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Das hat er gar nicht gemerkt! – Lachen des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Das ist wirklich wahr. Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was Sie seit Jahren vertreten.

Nun komme ich zum Herrn Kollegen Drexler. Wissen Sie, Sie haben sich im Grunde genau so verhalten, Herr Kollege Drexler, wie ich es erwartet habe. Das führt auch dazu, dass Politik aus der Sicht der Bürger insgesamt, unabhängig von Parteien, so negativ beurteilt wird. Als Sie in der Regierung waren, haben Sie genau das angebetet, was Sie heute verbrennen. Waren Sie für die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Landratsämter? Waren Sie für die Eingliederung der Regierungsveterinärräte in die Landratsämter? Waren Sie für die Eingliederung der Wasserwirtschaftsämter in die Landratsämter? Ich habe den damaligen Innenminister Birzele zitiert. Ich könnte Ihnen noch andere Abgeordnete zitieren – einen werde ich nachher noch zitieren –, die ganz genau das bejaht haben. Jetzt sind Sie in der Opposition und meinen, zur Opposition gehöre, dass man zu allem, was die Regierung sagt, auf jeden Fall Nein sagt. So stellen Sie sich Opposition vor.

(Große Unruhe – Zurufe)

Das ist doch wirklich wahr. Jetzt überlegen Sie sich das doch einmal. Denken Sie wenigstens, wenn Sie unter sich sind, darüber nach, dass Sie sich in dieser Frage der Verwaltungsreform selbst völlig ins Abseits stellen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Die kommunalen Landesverbände sind für diese Reform, und zwar unabhängig von der Frage der Farben. Die Wissenschaftler, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, sind für diese Reform. Die gesamte Landespresse war für diese Reform, als wir sie vorgestellt haben.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Sachverständige!)

Auch das. Ich habe einen solchen Sonderpressespiegel in der Tasche dabei. Ich zitiere Ihnen nachher gern noch ein paar Dinge.

(Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Dr. Reinhart CDU: Lieber nicht!)

Gehen Sie doch einmal in sich. Sie verhalten sich wirklich so wie der Geisterfahrer, der die Nachricht hört, es sei ein Geisterfahrer auf der Autobahn, und dann sagt: „Einer? Alle!“ Sie fahren allein in die Gegenrichtung. Sie sollten sich einmal überlegen, ob denn das eigentlich vernünftig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Das sagt der Richtige!)

Herr Drexler sagte zu Beginn, ich hätte gesagt, man müsse den Staat vom Bürger her denken, und wenn wir das glaubwürdig wollten, dann sollten wir doch einmal das Quorum für Bürgerentscheide senken.

(Abg. Drexler SPD: Zum Beispiel!)

Also, Herr Kollege Drexler, erstens haben wir das Quorum gesenkt

(Abg. Drexler SPD: Nein!)

natürlich haben wir es gesenkt –, und zweitens: Warum legt denn Ihre Partei zurzeit so großen Wert darauf, dass es ja nicht zu einem Mitgliederbegehren und zu einem Mitgliederentscheid über die Agenda 2010 kommt? Warum denn?

(Abg. Drexler SPD: Wegen der Zeit! – Lachen bei der CDU)

Das Argument der Zeit wäre auch ein starkes Argument; denn in der Tat ist es langsam Zeit für Reformen auf Bundesebene!

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Sechs Monate länger!)

Aber natürlich nicht nur wegen der Zeit, sondern auch deshalb, weil Sie bei einer Mitgliederbeteiligung und Mitgliederbefragung den Inhalt der Reformen nicht über die Rampe bekommen.

(Abg. Drexler SPD: Was?)

Das ist doch der Grund, warum Sie bei uns für stärkere Demokratisierung eintreten – hier abstrakt im Plenum, wo es nichts kostet –, aber dort, wo Sie betroffen sind, genau das Gegenteil machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von den Grünen)

Dann sagte Herr Drexler, seine Absicht sei, in den Beziehungen der Länder zum Bund die Landesparlamente zu stärken