Protocol of the Session on May 7, 2003

Wenn ich Sie so sehe, fällt mir ein, was auf Seite 36 der Regierungserklärung steht: „Diese Reform sitzt.“ Das sagt der Ministerpräsident. Ich füge, wenn ich Sie so sehe, hinzu: der Schock bei der CDU-Landtagsfraktion offensichtlich auch.

(Beifall der Abg. Ursula Haußmann SPD – Abg. Wieser CDU: Sie werden dem Thema nicht ge- recht!)

Denn der Eingliederung der Polizei hätten Sie doch widersprechen müssen. Es gibt überhaupt keinen Grund, diese Eingliederung vorzunehmen. Ich will gar nicht auf die Polizeigewerkschaften hinweisen, die das kritisieren. Ich will

auch nicht auf die Globalisierung und die Grenzkontrollen hinweisen und auch nicht sagen, dass die Polizei europäischer ausgerichtet werden muss. Ich will auch nicht sagen, dass die Rekommunalisierung ein Unsinn ist. Die hat man einmal mit gutem Grund abgeschafft, und wir haben ja gerade eine Reorganisation der Polizei durchgemacht.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Diese Maßnahmen waren ja alle erfolgreich. Von daher hören Sie sich einmal an, was Herr Dr. Stümper, Stuttgart, ehemaliger Landespolizeipräsident, sagt –

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

ein Praktiker und Berater der Landesregierung –:

Wenn der polizeiliche Verantwortungsbereich im Wesentlichen im Alltagsgeschäft des jeweiligen Landkreises angesiedelt wird, gibt man schon optisch die schwereren Aufgaben frei. Man schafft Hohlräume, von denen Sogwirkungen für Kompetenzbestrebungen anderer Interessen ausgehen.

Schwächt man die Führung der Polizei durch die Einbindung in kommunale Verwaltungseinheiten, schafft man zunehmend Raum für polizeifremde Entscheidungen. Insofern wäre eine Einbindung operativer polizeilicher Entscheidungen in sonstige Verwaltungseinheiten Gift. Es wäre ferner eine Illusion, zu glauben, man könne das operative Geschäft vom administrativen trennen.

Genau so ist es.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu dem Einsparpotenzial von 20 %. Wenn Sie sagen, Sie nähmen den Polizeivollzugsdienst aus, muss der Landrat, nachdem in jeder Polizeidirektionsstelle gerade einmal 2 % für Verwaltungsaufgaben ausgegeben werden und das ohnehin nur knapp reicht, innerhalb dieses Bereichs von 2 % noch 20 % herausschneiden,

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein!)

damit er nicht in anderen eingegliederten Bereichen 40 % reduzieren muss.

(Abg. Alfred Haas CDU: Quatsch!)

Denn auch in der Regierungserklärung steht die klare Aussage: im Schnitt 20 %. Reduzieren Sie um diesen Anteil nicht bei der Polizei, müssen Sie es anderswo machen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Nein!)

Anders geht es gar nicht. Andernfalls müssen Sie ans Rednerpult gehen und sagen, Sie wollten keine 20 % querbeet und bei der Polizei schon gar nicht. Dann sind es insgesamt eben keine 20 % mehr. Es passt nicht zusammen.

Im Übrigen sage ich noch einmal: Es macht im Grunde genommen wenig Sinn, der Polizei eine weitere Zuständigkeitsebene zu geben. Niedersachsen verändert es. Hessen macht es rückgängig. Wir als SPD sehen überhaupt nicht ein, dass bei der Polizei eine weitere hierarchische Ebene eingezogen wird. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Oelmayer und Boris Palmer GRÜNE)

Zumindest hätte ich erwartet, vom Ministerpräsidenten etwas zur Aufgabenkritik zu hören, etwas dazu, welche Aufgabe wegfallen müsse. Kein Ton hierzu, im Übrigen auch nicht von der CDU-Fraktion.

Es macht doch wenig Sinn, strukturelle Fragen des Verwaltungsaufbaus losgelöst von einer effizienten und sachgerechten Aufgabenerfüllung zu diskutieren.

Dies sagt der Herr Minister Stächele. Sie haben alles umgekehrt gemacht. Sie haben zuerst die Reform gemacht, bevor Sie sich darüber unterhalten haben, welche Aufgaben Sie reduzieren wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wieser CDU: Die SPD macht gar nichts!)

Nein, nein. Wir haben das schon anders gemacht bei unserer Debatte. Das können wir schon sagen.

Dass eine Effizienzrendite von 20 % möglich sei, bestreiten sogar die Landräte. Deswegen verlangen auch die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte eine Vereinbarung; sie wissen nämlich, dass die Verwaltungsreform diese 20 % nicht bringt. Wenn Sie einmal mit den Landräten reden, stellen Sie fest, dass keiner glaubt, dass es zu einer Effizienzrendite von 20 % kommt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Der Herr Schneider glaubt es!)

Manche sagen, sie könnten nicht einmal 10 % erwirtschaften.

Im Übrigen – um das auch zu sagen – wissen wir nicht einmal, was die früheren Eingliederungen erbracht haben. „Der Staat sollte den Mut haben, Einsparungen, die man von den Kreisen erwartet, selbst zu realisieren.“ Genau das ist es. Weil Sie nicht in der Lage sind, das selbst zu machen, geben Sie die Aufgaben ab und lassen diese Reduzierung jemand anderes machen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich etwas zum NSI-Projekt sagen. Da verstehen wir Sie nun überhaupt nicht. Wir haben im Plenum eine NSI-Debatte geführt, wir haben bei den Haushaltsberatungen darüber diskutiert. Wir haben in einer großen Anhörung festgestellt, dass NSI nicht in alle Verwaltungsbereiche hineingehen kann. Wir wissen, dass Bayern die Steuerungsinstrumente in den Bereichen Justiz und Polizei aus guten Gründen nicht verwendet. Wer sich mit dem Thema beschäftigt, weiß das. Rheinland-Pfalz macht das im Übrigen auch nicht. Insofern gucken die nicht auf uns, um festzustellen, wie toll wir seien, sondern sie warten offensichtlich alle ab, dass wir Blödsinn machen, wenn wir reintappen, indem wir alle Projekte so verwirklichen.

Wir sind der Meinung, dass man NSI zwar braucht, aber nicht in allen Bereichen. Man muss jedes einzelne Aufgabengebiet untersuchen. Jetzt muss ich sagen: Bei einem Projekt, das uns 500 Millionen € kostet – es können auch 450 Millionen € sein; aber es ist ein gigantischer Betrag,

den wir außerhalb des Haushalts finanzieren –, ist es doch wohl wichtig, dass man dem Landtag auch einmal die Verträge vorlegt. Wir wollen schon die ganze Zeit die Verträge einsehen, weil wir vermuten, dass manche Verträge geschlossen wurden, die nicht so eindeutig für das Land sind. Die Einsicht in die Verträge wird uns verweigert.

(Abg. Schmiedel SPD: Unglaublich! Warum? – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wir fordern Sie jetzt noch einmal auf: Wir wollen als Parlament im zuständigen Ausschuss die NSI-Verträge sehen. Wenn Sie uns die Einsicht verweigern, müssen wir uns überlegen, etwas anderes zu machen, um die Verträge lesen zu können. Wir glauben nämlich das, was uns hier erzählt wird, nicht. Ansonsten würden Sie nicht alle an einer Einführung des Projekts in allen Ämtern festhalten. Das kann nicht sein. Ansonsten könnten Sie die Zahl der Bereiche ja reduzieren.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Bisher war klar, dass die staatlichen Ämter, die dann in den Landratsämtern angesiedelt sind, nicht am NSI-Projekt beteiligt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist auch vernünftig. Deswegen haben wir Herrn Oettinger auch Beifall geklatscht, als er bei der letzten Debatte sagte – wir hoffen auf die Unterstützung der CDU-Fraktion, dass das so gemacht wird, wie es der Herr Oettinger durchaus logisch bei der letzten Debatte zur Verwaltungsreform

(Abg. Wieser CDU: Ihr habt immer noch ein schlechtes Gewissen!)

deutlich gesagt hat; ich lese es vor –:

So, wie bei der Gesundheitsverwaltung, der Veterinärverwaltung und der Wasserwirtschaft NSI außen vor geblieben ist,

das sind die früher eingegliederten Ämter –

wird damit jetzt auch bei der Vermessungsverwaltung, bei der Flurneuordnung, bei der Landwirtschaft – bei allen Fachämtern auf unterer Ebene – NSI außen vor sein.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist ja logisch!)

Das ist natürlich logisch, wenn ich sie eingliedere.

Ich sage das nicht plakativ... Ich sage dies, weil nach meiner Überzeugung die Konsequenz dieser Verwaltungsreform eine eigenständige Organisationshoheit der Landratsämter bedeutet und deswegen eine Änderungskündigung, eine Anpassung des NSI-Vertrags mit unserem Systemdienstleister in den nächsten Tagen notwendig und angebracht ist.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Stimmt doch! Alles rich- tig! Da hat er Recht!)

Günther Oettinger, 26. März. Wir warten nach wie vor noch darauf.

Ich will Ihnen sagen: Wir haben einen Antrag gestellt. Die Stellungnahme zu dem Antrag wurde um fünf Wochen ver

zögert. Gestern hätte der Unterausschuss NSI zusammentreten sollen, ist aber nicht zusammengetreten. Wir hatten gedacht, der Herr Ministerpräsident würde uns heute in der Regierungserklärung darlegen, was da los ist. Stattdessen hat er gesagt: NSI kommt über alle Ämter, ein bisschen verändert, aber es bleibt. Wir sind nicht dieser Auffassung. Bei einem Projekt, das so viel Geld kostet, muss der Landtag und müssen seine zuständigen Ausschüsse eingebettet werden, und dies nicht zum Schluss, sondern bitte schön am Anfang, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)