Wer dem Gesetz im Ganzen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. – Danke schön. Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dem Gesetz wurde mehrheitlich zugestimmt.
Wir haben noch über Ziffer 2 der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses, Drucksache 13/1970, abzustimmen. – Sie stimmen der Ziffer 2 zu.
Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Ansprüche eines Hochtechnologiestandortes an den Arbeitsmarkt – Drucksache 13/834
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt; für das Schlusswort fünf Minuten.
(Abg. Ruth Weckenmann SPD stellt das Redner- pult niedriger. – Abg. Alfred Haas CDU: Ach, da ist ja die Rednerin!)
Es ist immer das Gleiche: Es kommt nicht auf die körperliche Größe an, aber manche wissen das nicht so genau.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Sei- metz CDU: Mehr Spätzle essen! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert, dass die Landesregierung in der Antwort auf unsere Große Anfrage „Ansprüche eines Hochtechnologiestandortes an den Arbeitsmarkt“ zu den gleichen Handlungsfeldern kommt, die wir als Opposition im Land schon lange bemängeln. Danach verlangt der Hochtechnologiestandort die Stärkung der Aus- und Weiterbildung, die gezielte Förderung der ausländischen Jugendlichen, die stärkere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer, die stärkere Integration junger Frauen und die Qualifikation Ungelernter in Beschäftigung.
In der Bestandsaufnahme sind wir uns also einig. Dann hören aber die Gemeinsamkeiten auf, denn die Landesregierung sieht die Handlungsfelder, aber sie tut nichts. Sie werden die Probleme in Baden-Württemberg nicht mit dem Verweis auf Berlin lösen können, wie Sie es gegenwärtig als Schwerpunkt baden-württembergischer Regierungstätigkeit versuchen.
Aufgabe der Politik bleibt es, das Entwicklungspotenzial der baden-württembergischen Wirtschaft zu fördern und das Land auf dem Weg in die Wissensgesellschaft voranzutreiben. Eine wichtige Rolle spielen... die Stärkung der Aus- und Weiterbildung...
Übrigens finde ich es traurig, dass – wie so oft, wenn es um den Standort Baden-Württemberg geht – der Wirtschaftsminister nicht da ist.
Wie sieht es denn in Baden-Württemberg aus? Aus badenwürttembergischen Schulen werden 20 % eines Altersjahrgangs mit so unzureichenden Kenntnissen entlassen, dass es zu großen Problemen beim Übergang in Ausbildung und Beruf kommt.
Die Ministerin Schavan ist ja anwesend. Knapp 10 000 Jugendliche verlassen Baden-Württembergs Schulen ohne Abschluss. Wenn das kein Armutszeugnis für unser Land ist, weiß ich auch nicht.
Wir haben fast 20 000 Jugendliche, die wir so nicht in Ausbildung bringen, und da verweisen Sie in Ihrer Antwort auf zweijährige Werkerausbildungen. Da sind die Jungen beschäftigt. Ich denke, das ist nur für die Politik eine billige Lösung. Es ist teuer und für diejenigen, für die es gedacht ist, mit einem hohen Arbeitsmarktrisiko belastet. Sie wissen, dass es nur für einen kleinen Teil auf Dauer Arbeitsplätze geben wird.
Ziel müsste es eigentlich sein, vielen Auszubildenden den Abschluss einer qualifizierten dreijährigen Ausbildung zu ermöglichen, und Ziel muss es sein – das sage ich insbesondere an die Adresse der Kultusministerin –, dass die Hauptschule auch den Hauptschulabschluss ermöglicht.
Aber was macht die Landesregierung? Dieses Spiel haben wir jetzt öfter verfolgt. Schulisch bedingte Defizite, die 20 000 Jugendliche im Land haben, soll später das Arbeitsamt auf Kosten der Beitragszahler beheben. Sie von der Landesregierung sind aber diejenigen, die dann über die Steigerung der Lohnnebenkosten schreien. Die Jugendlichen aber drücken Sie dem Arbeitsamt aufs Auge.
Die Sozialpartner haben sich auf Modelle zur modularen Ausbildung geeinigt. Aber wo sind die Sicherheit der Finanzierung von Stütz- und Förderunterricht und die Sicherheit der Finanzierung der sozialpädagogischen Betreuung? Wir müssen doch, wenn wir ehrlich sind, die wenigen Arbeitsplätze für einfache Qualifikationen den Jugendlichen überlassen, die tatsächlich schwächer sind. Wir können nicht 20 000 Jugendliche eines Jahrgangs auf diesen Bereich verweisen.
Das Handwerk hat der Landesregierung eigentlich deutlich gesagt, was es von der bisherigen Schulpolitik des Aussor
tierens hält: nichts. Es fordert eine neunjährige gemeinsame Basisschule, in der Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer Herkunft die nötigen schulischen Kenntnisse vermittelt bekommen. Frau Kultusministerin Schavan hat hierzu abfällige Bemerkungen – so möchte ich einmal sagen – gemacht. Für bedenklicher für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg halte ich aber: Vom Wirtschaftsminister habe ich in dieser Frage überhaupt nichts gehört. Herr Pfister, vielleicht können Sie das Ihrem Kollegen einmal weitergeben.
wenn es darum geht, Ausbildung und Beschäftigungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu verbessern? Kein Wort zu der dramatischen Entwicklung, dass der Anteil ausländischer Jugendlicher, die eine Ausbildung absolvieren, zurückgeht: Wir hatten 15 % und haben nur noch 11 %. Kein Wort auch vom Wirtschaftsminister und von anderen dazu, dass nur ein Drittel der ausländischen Kinder auf das Gymnasium oder die Realschule übergehen, aber zwei Drittel der deutschen Kinder. Sind sie dümmer, oder läuft hier irgendetwas falsch?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Wirtschaftsminister so die Aktivierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials vorstellt. Die Frühjahrsgutachten, die übrigens gezeigt haben, dass das Wachstum in Baden-Württemberg noch länger niedriger sein wird als im Bundesvergleich, haben uns alle angeraten, die Investitionen ins Humankapital zu erhöhen. Ich kann im Land eigentlich nur das Gegenteil davon erkennen.
Sie haben fast alle Mittel zur Beschäftigungssicherung und zur Qualifizierung gekürzt und gestrichen. Man braucht sich nur den ESF-Bereich anzusehen. Man kann sich aber auch einen anderen Bereich ansehen. Der Hochtechnologiestandort Baden-Württemberg braucht die qualifizierten Frauen, Frau Dr. Gräßle; Europa – Sie sind ja auf dem Weg dorthin – hat uns das aufgegeben.
Sehen wir uns aber einmal an, was mit den qualifizierten Frauen in Baden-Württemberg passiert. Abitur machen mehr Frauen als Männer. Das ist eigentlich, volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich gesehen, Kapitalvernichtung: Wir qualifizieren Frauen; aber wenn sie schaffen wollen und Kinder haben, lassen wir sie nicht arbeiten, weil wir ihnen nichts bieten.
Der Wirtschaftsminister hätte doch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass hoch qualifizierte Arbeitskräfte auch auf Arbeitsplätze gelangen. Ich habe jetzt die öffentlichen Reden vom Wirtschaftsminister zum „Girls’ Day“ gehört. Das fin
de ich eine tolle Sache. In der Öffentlichkeit macht er sich auch unheimlich stark für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und sagt: Wir müssen es Frauen ermöglichen, auch ganztags zu arbeiten. In der Öffentlichkeit ist er ein Tiger, aber in der Auseinandersetzung mit Sozialminister Repnik, wenn es um den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze geht, ist er ein Bettvorleger ohne Zähne.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Schmiedel SPD: Wo ist der Bett- vorleger? Wo ist er denn?)
Heute hat sich ja wieder bestätigt – deswegen hoffe ich, dass ich die Hoffnung auf den Wirtschaftsminister nicht aufgeben muss –: Auf unseren Ministerpräsidenten kann man in dieser Frage gar nicht vertrauen. Wer Politik im Interesse von Frauen und Wirtschaft immer noch als „Häkelgedöns“ apostrophiert, wie er es heute wieder einmal gemacht hat, ist schlicht lernunfähig, und das ist der Ministerpräsident in dieser Frage. Wir ändern ihn nicht.
Der Ministerpräsident hat doch heute in der Föderalismusdebatte wieder beklagt, dem Land würden zu wenig Handlungsbereiche bleiben. Ich wüsste einen für das Land, ein Handlungsfeld, auf dem man hier im Land lohnend, zukunftsträchtig und mit riesigem Sparpotenzial etwas machen könnte. Wir haben bundesweit den höchsten Anteil an Ungelernten in Beschäftigung – 18 %! Das sind 200 000 Menschen in Baden-Württemberg. Bundesweit beträgt dieser Anteil nur 13 %.
dieser Menschen Beschäftigung. Ein großer Teil der Beschäftigten ist also von Arbeitslosigkeit bedroht. Was tut denn die Landesregierung auf dem ihr ureigensten Handlungsfeld?
Sie tut nichts. Sie streicht nur die letzten Komplementärmittel zu den ESF-Mitteln. Die EU sagt: Macht etwas für die Beschäftigten, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Das Land Baden-Württemberg sagt: Das geht mich nichts an, ich streiche die Mittel dafür.
Wir produzieren die Arbeitslosen von morgen. Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll, wenn der Ministerpräsident, wie heute Morgen, sagt: Wo wir können, wo wir zuständig sind, da handeln wir. Ich hoffe, dass sich die Handlung nicht darin erschöpft, dass die letzten Mittel für Langzeitarbeitslose und jugendliche Arbeitslose gestrichen werden und zusätzlich noch eines draufgesetzt wird.