Protocol of the Session on May 7, 2003

Meine Damen und Herren, ich danke den Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP für ihre Unterstützung der Reform. Sie haben damit den Weg für ein zentrales Projekt dieser Legislaturperiode, für eine Reform zum gegenseitigen Vorteil des Landes, der Kommunen und der Bürger frei gemacht.

Ich habe Vertrauen in die Landräte und in die Oberbürgermeister der Stadtkreise, die unsere Reform professionell und mit dem nötigen Gespür und Geschick umsetzen werden. Die Lenkungsgruppe unter Vorsitz des Innenministers und mit Beteiligten aller betroffenen Ressorts wird das Konzept zur Gesetzesreife bringen und die notwendige Abstimmung mit den Landkreisen und Stadtkreisen vornehmen. Die Landräte gehen wie die Landesregierung davon aus, dass wir mit den Maßnahmen der großen Verwaltungsreform im Schnitt innerhalb von fünf bis sieben Jahren eine Effizienzrendite von 20 % erreichen können. Wir werden den Beweis dafür erbringen, dass mit weniger Personal in modernen, zeitgemäßen Strukturen noch mehr geleistet werden kann, als dies schon bisher der Fall war. 20 % sind ein hohes, aber ein realistisches Ziel. Ich bin sicher, dass wir es erreichen werden. Ein gutes Beispiel sind die Regierungspräsidien. Immerhin konnten wir dort sogar 32 % des Personals einsparen. Wir haben aus schon gemachten eigenen Erfahrungen heraus also guten Grund zum Optimismus.

Meine Damen und Herren, nun zur Umsetzung. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir die große Verwaltungsreform in die erste Umsetzungsphase bringen.

Der „Lenkungsausschuss Verwaltungsreform und Bürokratieabbau“ hat sich konstituiert und wird diese Aufgabe federführend wahrnehmen.

Allgemein gelten folgende Leitlinien:

Wir werden die Grundsatzbeschlüsse und Leitlinien für alle Einzelbereiche ohne Ausnahme durchsetzen. Wir werden dabei die berechtigten Interessen und Belange der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten. Wir wollen die Präsenz der Verwaltung in der Fläche erhalten und sie noch näher zu den Bürgern bringen.

Die Arbeitsplätze aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben sicher. Wer kann das bei einer so grundlegenden Reformmaßnahme schon sagen? Bei Banken oder in der Wirtschaft, in Großunternehmen hat es in den letzten Monaten und Jahren ganz anders ausgesehen. Die Arbeitsplätze aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben sicher! Effizienzgewinne werden unter Ausnutzung der natürlichen Fluktuation verwirklicht.

Das primäre Ziel wird die Eingliederung in jedes Landratsamt bzw. in das Rathaus jedes Stadtkreises und in jedes Regierungspräsidium sein. Wo dies nicht geht, werden wir Vor-Ort-Lösungen in den Regierungspräsidien und Landratsämtern verwirklichen, die insgesamt zu einem gerechten Ausgleich von Kompetenzen auf der jeweiligen Ebene führen werden. Hierbei ist die jeweilige räumliche Nähe zu bestehenden Ämtern und Behörden besonders zu berücksichtigen.

Zum Vollzug der Verwaltungsreform haben wir uns einen ehrgeizigen Plan vorgenommen. Bis zum 15. Mai, also in wenigen Tagen, werden die Grobkonzepte aller Ressorts stehen. Bis zum selben Datum wird auch geklärt sein, was im Rahmen der Gesetzgebung geregelt werden muss und was nicht. Beiträge zum Gesetzentwurf sollen aus allen Ressorts bis zum 12. Juni dieses Jahres vorliegen. Den ersten Entwurf für ein Artikelgesetz wird die Landesregierung unter Federführung des Innenministeriums bis zum 29. August 2003 vorlegen. Nach der Sommerpause werden der Landtag und die zuständigen Ausschüsse in die Gesetzesberatungen eintreten können. Spätestens zum 1. Januar 2005 erhält die Landesverwaltung ihr neues Gesicht.

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg überholt, renoviert und verändert die Strukturen seiner Landesverwaltung von Grund auf. Technische Kompetenz und Entscheidungskompetenz werden sich in den Landratsämtern und in den Rathäusern der Stadtkreise sinnvoll ergänzen und werden die Schlagkraft der Verwaltung insgesamt stärken.

Wir ermöglichen umfassende und sozial verträgliche Personaleinsparungen in der Verwaltung.

Wir ermöglichen Einsparungen durch günstigere Beschaffungen in den Sachmittelhaushalten.

Wir erreichen eine bessere Zusammenarbeit der oberen Verwaltungsbehörden, da sie unter dem Dach der Regierungspräsidien vereint sind.

(Ministerpräsident Teufel)

Wir erreichen eine bessere Zusammenarbeit aller unteren Verwaltungsbehörden, da alle den Stadt- und den Landkreisen angehören werden. Wir eröffnen neue Möglichkeiten der besseren gegenseitigen Information vor Ort.

Die Bündelung von Verwaltungsaufgaben bei weitgehender Erhaltung der Verwaltung in der Fläche eröffnet eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten für Synergieeffekte.

Ich nenne Ihnen einige wenige ganz konkrete Beispiele:

Wenn Polizei, Schulamt, Sozialamt, Jugendhilfe und Beratungseinrichtungen unter einem Dach sind, dann steht einer besseren Beratung und auch einer noch besseren kommunalen Kriminalprävention nichts im Weg.

Gleiches gilt für die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei im Verbund mit Schulämtern, Straßenverkehrsbehörden, Führerscheinstellen und Bußgeldstellen.

Die Eingliederung der Landeswohlfahrtsverbände und der Schulverwaltung ermöglicht Sozial- und Jugendarbeit aus einer Hand und vor Ort.

Durch die Zusammenfassung der bisher zuständigen Fachbehörden erreichen wir einen wesentlich verbesserten Verbraucherschutz, Gesundheitsschutz und Umweltschutz.

Landwirtschaft, Forsten, Vermessung und Flurneuordnung werden zu einer großen Flächenverwaltung zusammengefasst. Es erfolgt eine stärkere Vernetzung, eine bessere Abstimmung, und es gibt beschleunigte Verfahren zum Vorteil der Bürger. Wirtschaft, Städte und Gemeinden werden davon profitieren.

Diese Reform sitzt. Sie ist genau das, was unser Land braucht. Insgesamt erreichen wir mehr Bürgernähe und – das ist der größte Vorteil der Reform – Lösungen und Entscheidungen aus einer Hand. Die Bürger werden profitieren, die Wirtschaft wird profitieren, das Land selbst wird profitieren. Schlank, stark, bürgernah – das ist die Verwaltung unseres Landes im 21. Jahrhundert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, bei der Verabschiedung eines umfassenden Konzepts für eine große Verwaltungsreform habe ich die Frau Justizministerin gebeten, für den Bereich der Justiz ein vergleichbares Konzept zu erarbeiten und mir vorzulegen. Nach weniger als einem Monat hat mir Frau Justizministerin Werwigk-Hertneck diesen Entwurf am letzten Dienstag übergeben. Ich lasse ihn derzeit prüfen, und wir haben gestern in beiden Regierungsfraktionen eine erste Diskussion geführt.

Ein erster Blick zeigt, dass mehrere Vorschläge nicht direkt im Land im Rahmen einer Verwaltungsreform verwirklicht werden können, weil Bundesrecht geändert werden muss. In solchen Bereichen sind nur Bundesratsinitiativen möglich, deren Ausgang nicht in unserer Hand liegt.

Andere Vorschläge können und werden wir nach eingehender Prüfung und Diskussion verwirklichen und im Rahmen der großen Verwaltungsreform verabschieden. Innerhalb eines Monats werden wir in der Regierung und in den Regie

rungsfraktionen ein Konzept auf der Grundlage des Vorschlags des Justizministeriums vorlegen.

Meine Damen und Herren, zudem werden wir in der Verwaltung mit dem Einsatz der Neuen Steuerungsinstrumente mittelfristig weitere Wirtschaftlichkeitsreserven mobilisieren. Die Neuen Steuerungsinstrumente werden ein integraler und unabdingbarer Bestandteil der modernen Verwaltung der Zukunft sein. Wir wissen: In allen anderen Ländern wird sehr genau beobachtet, welchen Weg nicht nur die große Verwaltungsreform, sondern auch und gerade in diesem Zusammenhang die Neuen Steuerungsinstrumente in Baden-Württemberg nehmen werden. Trotz aller noch vorhandenen Skepsis sollten alle den Nutzen und die Vorteile sehen, die die Neuen Steuerungsinstrumente bringen.

Die Behauptung, betriebswirtschaftliche Steuerungsmodelle seien für Verwaltung und Politik von vornherein nicht geeignet, ist ebenso kurzsichtig wie falsch. Natürlich ist das Land nicht einem Konzern vergleichbar, dem es darum gehen muss, mit seinen Produkten und Dienstleistungen Umsatz und Gewinn zu machen. Wir sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass wir gerade deswegen in der Pflicht stehen, mit maximaler Effizienz im Verwaltungshandeln dafür zu sorgen, dass die Mittel, die wir haben, den Menschen zugute kommen und nicht zur Deckung unnötiger Verwaltungskosten verwendet werden müssen. Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung macht deren gemeinwohlorientiertes Handeln erst wirklich möglich. Deshalb sind die NSI richtig. In jedem Gespräch, das ich mit Wirtschaftsführern unseres Landes geführt habe, wird mir dies bestätigt.

Denn genau darin liegen der Sinn und der Nutzen der Neuen Steuerungsinstrumente: im Einsatz bewährter und zukunftsfähiger EDV- und Managementverfahren, in der neuen Transparenz von Kosten und Leistungen, in einem höheren Qualitätsstandard von Planungen, Entscheidungen, Maßnahmen und Programmen, im Ziel einer wirtschaftlichen, effektiven, bürgernahen und flexiblen Verwaltung, im Ziel der Ausgabenbegrenzung, der noch effektiveren Leistungserbringung und des Aufgabenabbaus durch gezielte und eigenständige Mittelverwendung.

Meine Damen und Herren, die Chancen der NSI überwiegen die befürchteten Nachteile bei weitem. Im Übrigen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung in Zukunft mit dem Einsatz der NSI auch nachweisen können, dass sie wirtschaftlich arbeiten. Es wird ein Ende damit haben,

(Abg. Fischer SPD: Aber nur, wenn sie bereit sind, sich den Fragen auch zu stellen!)

dass manche in der freien Wirtschaft immer noch glauben, nur in der freien Wirtschaft werde kostengünstig gearbeitet und gewirtschaftet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die NSI werden dabei helfen, noch vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven aufzudecken und zu erschließen. Auch vor diesem Hintergrund sollten die NSI nicht als Belastung, sondern als Chance für die weitere Verbesserung des Ansehens der Verwaltungen und ihrer Mitarbeiter gesehen wer

(Ministerpräsident Teufel)

den. Sie sollten sich nicht beirren lassen: Der Fortschritt stand schon immer unter Verdacht und unter dem Beschuss all derjenigen, die nicht verändern wollen, sondern im Status-quo-Denken verharren. Am Anfang haben viele über die Handys verächtliche Sprüche gemacht. Heute hat fast jeder eines in der Tasche. Die NSI werden sich genauso durchsetzen, und am Ende wird es niemand gewesen sein wollen, der dagegengehalten hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Kretschmann GRÜNE: Ein etwas gewagter Ver- gleich! – Gegenruf des Abg. Döpper CDU)

Ich kann auch noch andere bringen, Herr Kollege. Wissen Sie, wenn ich die letzten zehn Jahre betrachte und sehe, was Sie alles abgelehnt haben: Davon möchten Sie überhaupt nichts mehr wissen, weil es sich bewährt hat. Die einen müssen eben vorangehen, und die anderen, die eher beharrende Kräfte sind, werden dann mit der Zeit folgen.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, mit der großen Verwaltungsreform wird allerdings auch eine veränderte Ausrichtung des Projekts NSI notwendig: keine grundlegend neue Ausrichtung, aber eine veränderte. Es geht dabei um die Ebene der bisherigen unteren Sonderbehörden. Es geht dabei nicht darum, die Landratsämter und die Rathäuser der Stadtkreise „an die Kandare“ zu nehmen. Es geht darum, entweder NSI über die einzugliedernden Bereiche in die neuen Behörden zu tragen oder die dort vorhandenen Instrumente der Kosten- und Leistungsrechnung über Schnittstellen mit den NSI kompatibel zu machen. Das Land braucht jedenfalls die notwendigen Daten, um die zur Steuerung notwendigen Informationen verfügbar zu haben. Wie dabei genau zu verfahren ist, wird Gegenstand von Gesprächen zwischen Land und Kreisen sein. Diese Gespräche haben bereits begonnen.

Meine Damen und Herren, im Grundsatz gibt es dabei keinen Dissens; es geht allein darum, eine Lösung zu finden, die den finanziellen und organisatorischen Interessen aller Beteiligten gerecht wird. Sie können sicher sein: Auch diese Aufgabe werden wir bewältigen.

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg geht weiter seinen eigenen Weg. Wir gehen voran und schauen nicht zuerst nach den anderen. Wir werden weiter Beispiele setzen, an denen sich andere orientieren. Wir machen Ernst mit einem reinrassigen dreistufigen Aufbau unserer Landesverwaltung. Wir erproben die Neuen Steuerungsinstrumente, wir setzen sie ein, und wir führen sie in Pionierarbeit zum Erfolg. Wir reduzieren die Bürokratie im Land und ergreifen dazu Initiativen im Bund. Wir setzen auf Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung. Wir glauben an den Erfolg, denn wir wissen um die Qualität der Mitarbeiter in der Landesverwaltung und um den Fleiß und das Können der Bürger in unserem Land. Darauf bauen wir.

Wir arbeiten daran, das Vertrauen der Bürger in den Staat wieder zu stärken. Dies geht nur, wenn auch der Staat den Bürgern wieder mehr Eigenverantwortung abverlangt und zutraut.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ein Staat muss seinen Bürgern vertrauen, damit die Bürger ihrem Staat vertrauen können. Deshalb brauchen wir den Mut zu weit reichenden Reformen auf allen staatlichen Ebenen: in den Kommunen, im Land, im Bund, in der Europäischen Union.

Grundlegende Veränderungen sind das Gebot der Stunde. Das gilt für den Staat, für die Steuern und für die Sozialsysteme. Der Staat wird wieder Handlungsspielräume gewinnen, wenn subsidiäres und föderales Gedankengut die Reform bestimmen und wenn dadurch die Bürger wieder neu in ihre Rechte eingesetzt werden und wenn freie Träger, die Selbstverwaltungsebene und die Länder diejenigen Aufgaben wahrnehmen, die sie am besten erfüllen können. Das Steuerrecht in Deutschland kann dann wieder zum Jobmotor werden, wenn es einfach gestaltet wird, wenn Ausnahmeregelungen so weit wie möglich abgeschafft und dafür die Steuersätze drastisch gesenkt werden, wenn es sich wieder an der Leistung und an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen orientiert und die besonderen Bedürfnisse von Familien und Alleinerziehenden ausreichend berücksichtigt.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, die Einsicht ist da, die Konzepte liegen vor: von Professor Kirchhof bis zu Professor Bareis – beide hochkarätige Hochschullehrer in unserem Land. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Reformen müssen umgesetzt werden.