Protocol of the Session on February 20, 2003

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Kipfer?

Bitte schön. Sie steht ja schon am Mikrofon.

Bitte schön, Frau Kipfer.

Frau Ministerin, könnten Sie einmal definieren, was Sie unter einem sozialen Brennpunkt verstehen? Darüber gibt es nämlich auch bei den Kommunen keine einheitliche Auffassung. Und Sie helfen den Kommunen dabei auch nicht.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Brennpunkte sind überall! Es gibt nur Brennpunkte!)

Ich glaube, ich muss Ihnen jetzt nicht erklären, was ein sozialer Brennpunkt ist.

(Widerspruch bei der SPD – Zurufe von der SPD: Doch! – Abg. Dr. Caroli SPD: Raus damit!)

Aber ich kann Ihnen das Verfahren erklären, das Grundlage für die Genehmigungen ist. Die vier Oberschulämter haben bereits vor einigen Jahren mit allen Schulämtern Listen über Schulen erstellt, in denen mehrere Problemfaktoren zusammenkommen. Das sind Problemfaktoren, die mit dem soziokulturellen Umfeld der Schule,

(Abg. Hofer FDP/DVP: So ist es!)

mit dem Anteil ausländischer Kinder oder mit bestimmten Sprachgruppen zu tun haben, in denen die Sprachprobleme

besonders groß sind. Es gibt einen Kriterienkatalog, auf den sich diese Schulämter zum Teil auch mit den Schulen geeinigt haben. Diese Liste versuchen wir abzuarbeiten.

Jetzt gibt es eine gewisse Differenz. Es gibt Gemeinden, die sagen: „Unsere Schule steht zwar in der Liste, aber wir können unsere eigenen Investitionen im Moment nicht leisten und den Antrag noch nicht stellen.“ Es gibt andere Gemeinden, deren Schulen nicht in dieser Liste stehen. Sie sind aus eigener Einschätzung heraus der Auffassung, dass es gut wäre, ihre Schule umzuwandeln. Und natürlich gibt es Gemeinden, die sagen: „Wir halten diesen Kriterienkatalog für nicht richtig. Wir wollen unabhängig von diesen Kriterien eine Genehmigung bekommen, und wir werden ganz schlicht im Maße unserer finanziellen Möglichkeiten Einrichtungen schaffen können.“

Wer immer sich heute hinstellt und sagt, er habe ein Rezept, wie er das ohne finanzielle Grundlagen bewältigen könne, der macht den Leuten etwas vor.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wo bleibt dann die Vereinbarkeit von Familie und Beruf?)

Oder er macht es wie Nordrhein-Westfalen: NordrheinWestfalen schließt gerade alle Horte

(Abg. Pfister FDP/DVP: Was? Wer regiert da?)

und erklärt, stattdessen wolle man die Grundschulen in Ganztagsschulen umwandeln.

(Abg. Wintruff SPD: Na ja!)

Es gibt dafür aber keine einzige Lehrerstunde.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Hoppla! So was! – Abg. Dr. Caroli SPD: Was machen Sie denn?)

Da kann ich nur sagen: Bewährte Strukturen, die der Familie helfen, aufzulösen, aber den Schulen nichts zu geben, um Ganztagsschule sein zu können, und sie nur dazu zu erklären, führt nicht zu besserer, sondern zu schlechterer Schule.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Marianne Wonnay SPD: Es geht darum, was S i e machen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das sind al- les unbelegte Behauptungen! Und was tun Sie sel- ber?)

Deshalb würde ich unverantwortlich handeln, wenn ich hier erklärte, dass es uns in absehbarer Zeit gelingen könnte, diese Priorität aufzugeben. Im Rahmen dieser Priorität werden wir tun, was immer möglich ist. Wir werden im Übrigen über die klassische Ganztagsschule hinausgehend in vielen Teilen des Landes – das erleben wir schon jetzt – all die Entwicklungen befördern, die, was die innerschulische Organisation angeht, auch zu einer Verbindung von Schule und Familien unterstützenden Maßnahmen führen.

Meine Damen und Herren, es wird keine Neuordnung geben,

(Abg. Wintruff SPD: Wollen Sie jetzt das Geld oder nicht?)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

die mit mehr Mischfinanzierung und mit mehr Gemeinschaftsaufgaben verbunden ist.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Wir werden konstruktiv mit dem Bund verhandeln. Das ist völlig klar. Das Ziel muss ein Finanzierungsmodell sein, das den Erklärungen zur Stärkung des Föderalismus gerecht wird, das unseren Schulen gerecht wird und das dazu führt, dass wir jetzt nicht – genau wie vor 30 Jahren – nur Diskussionen führen mit irgendwelchen Schlagzeilen, die die Entwicklung der Schule behindern. Wir brauchen eine bessere Qualität in unseren Schulen und nicht politische Strohfeuer, die in der Abteilung Werbemaßnahmen der Bundesregierung verbucht werden, die mit Wahlkampf zu tun haben und nicht mit Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jawohl! So ist es! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Sie halten Sonntags- reden! Sie sind doch die Obersonntagsrednerin!)

Ich möchte, dass wir uns auch in fünf Jahren bildungspolitisch innerhalb Deutschlands an der Spitze befinden und international besser sind und nicht noch weiter abgeschlagen, weil jetzt durch irgendwelche Gags in Berlin

(Abg. Wintruff SPD: Gags? Ein 4-Milliarden-Pro- gramm! – Gegenruf des Abg. Wacker CDU: Natür- lich! Wahlkampfschlager!)

Länder in Entwicklungen gebracht werden, die der Schule nicht nutzen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Zeller.

(Oh-Rufe von der CDU – Unruhe – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle fest, dass die Landesregierung nicht bereit ist, Ganztagsschulen für alle Schularten auszubauen, was eigentlich bildungspolitisch dringend notwendig wäre.

(Abg. Herrmann CDU: Ideologisch notwendig, aber nicht bildungspolitisch!)

Umso mehr ist es wichtig, dass der Bund hier einen wichtigen Impuls gibt, dass er Bundesgeld zur Verfügung stellt, damit wir hier endlich einen Reformfortschritt auch in Baden-Württemberg bekommen.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Seimetz CDU – Abg. Herrmann CDU: Pure Ideologie!)

Was Sie machen, ist: Sie wollen ein bisschen Halbtagsschulen mit ein bisschen Betreuung. Im Übrigen sind Sie ansonsten gegen die Mischfinanzierung. In Baden-Württemberg zahlen die Kommunen und vor allem die Eltern. Das ist übrigens die Einführung des Schulgelds durch die Hintertür, was Sie betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Seimetz CDU: So ein Schwachsinn!)

Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, Frau Schavan, wie Sie in der Öffentlichkeit arbeiten. Sie haben ja eben wieder versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen. Es gibt einen Antrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/1544, zu dem Sie in der Stellungnahme Horrorzahlen nennen; das sage ich nur noch einmal. In der Stellungnahme behaupten Sie in zweierlei Hinsicht etwas Falsches. Sie sagen, dass, wenn die Personalkosten in den nächsten zehn Jahren hochgerechnet werden, für zusätzliche Ganztagsschulen in der Größenordnung von 1 000 auf das Land Kosten in Höhe von 21,4 Milliarden € zukommen würden.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Ich weiß gar nicht, wie Sie zu einer solchen Zahl kommen. Wollen Sie 10 000 Ganztagsschulen in Baden-Württemberg schaffen, obwohl wir gar nicht so viele haben, oder rechnen Sie in Hundertjahresschritten? Das, was Sie hier bringen, ist völlig absurd.

Zum Zweiten tun Sie auch so – das ist auch eine typische Masche –, als ob dies sofort im nächsten Schuljahr der Fall sein würde, als ob wir im nächsten Schuljahr sofort diese 1 000 Schulen hätten.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Richtig ist, was wir wollen. Wir wollen in Baden-Württemberg Ganztagsschulen in der Größenordnung von 1 000 bis zum Jahr 2008

(Abg. Carla Bregenzer SPD: 2007!)

schaffen. Dann entstehen für das Land – das sind Angaben, die wir aus Ihrem Hause haben –, für den Landeshaushalt jährliche Kosten in der Größenordnung von 150 Millionen €. Meine Damen und Herren, es ist richtig und ist wert, dass wir dieses Geld zur Verfügung stellen, damit wir endlich auch in Baden-Württemberg Ganztagsschulen bekommen.