Protocol of the Session on February 20, 2003

Und jetzt kommt das Schöne: Unverständlich ist auch die Förderpraxis des Landes, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/DVP. Denn das Land fördert ja mit der Zukunftsoffensive den Neubau dieser Jugendwohnheime mit 3,2 Millionen €; aber die Zuschüsse dafür, dass sie nachher auch betrieben werden können, streichen Sie.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Ja, was ist denn das für ein Irrsinn?

(Beifall bei der SPD und der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Jetzt kommen wir noch zu der Frage nach den Sozialpsychiatrischen Diensten. Hier wird das Schlimmste angerichtet, wenn Sie dieses Geld streichen. Ich erinnere an unsere letzte Debatte hierzu im Dezember 2002: Der Sozialminister stand hier, ebenso wie Herr Dr. Noll,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja!)

und hat uns erklärt, wenn die neue Gesundheitsgesetzgebung, wonach ja Teile der Ausgaben der Sozialpsychiatrischen Dienste mitgetragen werden, diese 2 Millionen € nicht oder nur teilweise ausgleiche, wäre man bereit, dies zu ändern.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja!)

Wer bei all diesen Debatten dabei war, hat festgestellt, dass die Krankenkassen 20 % für die Unterhaltung der Sozialpsychiatrischen Dienste gestrichen haben und dass diese Verrechnungen jetzt über Einzelmaßnahmen von den Krankenkassen ersetzt werden. Das hat überhaupt nichts mit dem Landeszuschuss zu tun. Das heißt: Die Dienste brauchen die 2 Millionen €; sie werden diese nicht von den Krankenkassen bekommen. Wenn Sie diese 2 Millionen € streichen, machen Sie die gesamten ambulanten Psychiatrischen Dienste kaputt. Die Menschen müssen dann stationär aufgenommen werden, sie müssen aus ihrer Kommune herausgehen. Hier wird eine vorbildliche Arbeit kaputtgemacht. Das sagen alle, die sich mit der Sache beschäftigen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist teuer!)

Ich habe Ihnen jetzt lediglich drei oder vier dieser Bereiche genannt, die gerade einmal 4 bis 6 oder 7 Millionen € ausmachen – einen Betrag, den dieses reiche Land BadenWürttemberg offensichtlich nicht aufbringen kann, um diese Gruppen,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Immer diese Sonn- tagsreden!)

die ich gerade beschrieben habe, diese Gruppen, die Schwierigkeiten haben, wieder in die Mitte der Gesellschaft aufzunehmen.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, was zum Thema Integration in Ihrer Koalitionsvereinbarung steht:

Die Integration Behinderter ist mit aller Kraft voranzubringen.... Schließlich ist den Behinderten eine volle

Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen, das heißt, die öffentliche Infrastruktur ist entsprechend auszurichten.

Und jetzt streichen Sie die Sozialpsychiatrischen Dienste.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wahlbetrug, das ist doch klar!)

Und Herrn Minister Palmer – ist er immer noch nicht hier? –

(Abg. Capezzuto SPD: Der weiß, warum!)

will ich nur sagen: Es betrifft die kirchlichen Dienste. Es betrifft auch die Arbeiterwohlfahrt – über die habe ich heute noch gar nicht gesprochen –, die in allen Bereichen dabei ist. Aber es betrifft hauptsächlich Kirchen. Deshalb gibt es ja auch einen Streit zwischen dem Ministerpräsidenten und dem katholischen Bischof unseres Landes über diese Art und Weise, wie man mit – –

(Zuruf von der CDU: Was? Wer streitet hier?)

Natürlich. Da gibt es sogar einen Brief. Den hat ja irgendjemand der Öffentlichkeit zugespielt.

(Abg. Dr. Birk CDU: Die SPD!)

Das haben wir dann zur Kenntnis genommen.

Aber eines will ich schon sagen – –

(Zurufe)

Bisher bekomme ich die Durchschläge der Briefe des Herrn Ministerpräsidenten an den Bischof noch nicht. Wenn ich die hätte, stünde ich im Verdacht, dass ich sie weitergeben könnte. Aber bitte: Wenn der Herr Ministerpräsident mir die Briefe schicken will – ich lese sie gerne.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Denn ich kann damit einen großen Teil meiner Landtagsreden bestücken; das merken Sie doch gerade.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Das begreift der Bürger nicht! – Abg. Dr. Birk CDU: Bitte nicht so viel Scheinheiligkeit!)

Zu Herrn Minister Palmer: In dem Heft über die sozialen Dienste der Diakonie – wer dieses Heft gelesen hat, der weiß es – steht vorn ein Text von ihm drin. Aber hinten kommen die ganzen Streichungsmaßnahmen mit einer verheerenden Kritik der Kirchen an der Regierung. Minister Palmer 2002 wörtlich über die Sozialen Dienste der Diakonie:

Das zeigt, wie wichtig diese Dienste sind. Das Christentum lebt von Wort und Tat.

In Baden-Württemberg müssen diese Dienste nur noch vom Wort leben,

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil Sie die Tat nicht mehr ermöglichen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema Kinderbetreuung will ich jetzt nicht noch einmal extra ansprechen. Ich glaube, die Richtung ist falsch. Das Land stellt sich bei der Ganztagsschule nicht auf das ein, was der Bund macht. Wir halten das für falsch. Wir werden dazu auch noch Anträge stellen.

Ich will jetzt noch auf eine zweite Sache eingehen, die total schief läuft. Das ist die Integration von Ausländern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was habe ich nicht alles von der CDU in allen Wahlkämpfen über die Frage der Integration gehört! Der Herr Ministerpräsident hat erst neulich wieder das Zuwanderungsgesetz abgelehnt und ein Integrationsgesetz gefordert. Er hat in seiner Regierungserklärung sogar gesagt, die Integration von Ausländern und Spätaussiedlern gehöre zu den Schwerpunkten Ihrer Regierungsarbeit in Baden-Württemberg.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Schön. Aber umso unverständlicher ist, dass der gesamte Förderungsbetrag für die Integrationsberatung von ausländischen Arbeitnehmern und ihren Familien in Höhe von 1,55 Millionen € jetzt im Grunde genommen gestrichen wird. Sie rasieren die ganze Integrationsarbeit.

(Abg. Capezzuto SPD: Mein Gott! – Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

Nein, überhaupt nicht. Sie bekommen überhaupt keine Ergänzungszuschüsse mehr. Wenn dieses Geld nicht eingestellt wird, bekommen Sie auch keine anderen Maßnahmen mehr. Sie müssten sich einfach einmal mit Vertretern dieser Einrichtungen unterhalten.

Die derzeit noch 25 Ausländersozialdienste von Caritas und Diakonie in Württemberg mit rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bisher selbstständig, sind so nicht mehr aufrechtzuerhalten. Das ist Ihre Integrationsarbeit: Sie machen sie kaputt. Das ist nicht nur schäbig, sondern widerspricht auch Ihren latenten Behauptungen in der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zu Ihrem Zwischenruf: Wenn die Träger das Geld nicht haben, dann haben sie keine Chance, die Zuschüsse vom Bund in Höhe von 2,6 Millionen € zu bekommen. Insofern ist es auch noch unsinnig, diese Gelder im Landeshaushalt zu streichen. Ich muss Ihnen sagen: Sie sollten während der Haushaltsberatungen darüber nachdenken, ob Sie dies – nicht nur wegen des Subsidiaritätsprinzips, sondern insgesamt – den Menschen im Land, die ich gerade beschrieben habe, wirklich antun wollen.

Kommen wir einmal zu den Kürzungen der Investitionen. Sie kürzen im Entwurf des Nachtragshaushalts ja auch bei den Investitionen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Leider!)

Aber Baden-Württemberg fällt doch insgesamt zurück; Herr Oettinger hat das vorhin schon gesagt. Beim Wirtschaftswachstum liegen wir in der Zwischenzeit auf dem viertletzten Platz aller Länder. Wir haben in Baden-Württemberg Nullwachstum.

(Abg. Schmiedel SPD: Null!)