Protocol of the Session on February 20, 2003

Die CDU-Landtagsfraktion unterstützt den Kurs der Landesregierung,

(Abg. Margot Queitsch SPD: Das ist erstaunlich!)

die Anzahl der Ganztagsschulen in so genannten sozialen Brennpunkten bedarfsgerecht auszubauen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Völlig falscher Ansatz!)

Alle ernsthaften Anträge, die dem Kultusministerium vorliegen, werden geprüft und schließlich auch genehmigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Drexler SPD: Und abgelehnt, wenn sie keine Brennpunktschulen sind! Alle anderen werden abgelehnt! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Genehmigt nur, wenn sie in Ihr Konzept passen!)

Das beweist die Vergangenheit.

Wir hatten zu Beginn dieser Legislaturperiode insgesamt 90 solcher Einrichtungen. Bis zum Jahr 2006 werden es 171 sein. Unter Einbeziehung der anderen Schularten – das geht auch aus der Stellungnahme der Landesregierung hervor – haben wir insgesamt 300 Ganztagsschulen geschaffen. Dies, meine Damen und Herren, ist durchaus eine beachtliche Zahl.

(Abg. Zeller SPD: Ist doch gar nicht wahr! – Abg. Dr. Caroli SPD: Die Zahl ist falsch! – Abg. Win- truff SPD: Diese Zahl ist nicht belegbar!)

Die Standortentscheidungen werden nicht am grünen Tisch des Kultusministeriums gefällt. Es werden alle Beteiligten vor Ort eingebunden: die Lehrerschaft, die Eltern und natürlich die Schulträger.

(Zuruf des Abg. Göschel SPD)

Jetzt komme ich zu einem feinen Unterschied gegenüber dem Ansatz der Bundesregierung: Jede Standortentscheidung in unserem Land wird unter Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung gefällt.

Nun komme ich zu dem Unterschied zwischen unseren Betrachtungsweisen. Herr Zeller, Sie tun bei Ihrer Rede von A bis Z so, als würde die Schaffung von 10 000 neuen Ganztagsschulen in Deutschland die Defizite, die sich aus der PISA-Studie ergeben haben, auf einen Schlag beheben.

(Abg. Zeller SPD: Das habe ich gerade nicht ge- sagt! – Abg. Drexler SPD: Das hat er nicht gesagt! Das hat man Ihnen aufgeschrieben!)

Das ist, von A bis Z, die Intention Ihrer Rede gewesen.

(Abg. Capezzuto SPD: Sie sagen ja etwas Falsches! Das tut man doch nicht! – Abg. Zeller SPD: Das ist doch Blödsinn! – Gegenruf des Abg. Seimetz CDU: Aber so getan als ob! Aber er tut so! – Wei- tere Zurufe – Unruhe)

Eben habe ich erwähnt, dass in der Familie die Bildungsgrundlagen gelegt werden sollen. Die PISA-Studie hat sich mehrfach mit diesem Aspekt beschäftigt. Ich zitiere an dieser Stelle bewusst nicht aus einem Grundsatzprogramm der CDU, sondern ich zitiere aus dem Abschlussbericht des „Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen“. Dieses Gremium ist von der Bundesregierung unmittelbar nach Veröffentlichung der PISA-Studie eingesetzt worden. Dieser Bericht ist leider in irgendeiner Schublade der Bundesregierung verschwunden, wie auch so viele interessante Gutachten danach nicht veröffentlicht wurden. Kernaussage dieses Gutachtens ist – hören Sie jetzt genau zu! –:

Die Familie muss als grundlegende Bildungsinstitution der Kinder und Jugendlichen anerkannt werden.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Die Familie ist eine Bildungsinstitution eigener Art.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Win- truff SPD: Was wollen Sie jetzt sagen?)

Jetzt kommt der entscheidende Satz: Ganztagsschulen werden durchaus als sinnvolle ergänzende Maßnahme beschrieben.

(Abg. Wintruff SPD: Na also! Sehr gut!)

Die aus 20 Fachwissenschaftlern bestehende Kommission warnt vor einer Überbewertung der Ganztagsschulen.

(Abg. Seimetz CDU: Sehr gut! Das sind kluge Leu- te! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das tut doch auch niemand! Sie überbewerten es! – Abg. Bebber SPD: Wer überbewertet es denn?)

Jetzt zitiere ich wieder aus dem Gutachten:

Die Einführung von Ganztagsschulen kann leicht am Problem vorbeigehen, zumal die Eltern dadurch aus den Bildungsprozessen der Kinder leicht verdrängt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Sei- metz CDU: Sehr gut! – Zurufe von der SPD)

Dies ermahnt uns zu einem behutsamen Vorgehen bei diesem Thema. Wir müssen vielmehr Strategien entwickeln, wie wir die Eltern gerade von lernschwachen Jugendlichen in den Bildungsprozess einbinden können. Deswegen ist eine ideologische Debatte, wie Sie sie heute beantragt haben, völlig fehl am Platze, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU – Abg. Seimetz CDU: Ja- wohl! – Zurufe von der SPD)

Die Anzahl der Ganztagsschulen ist kein maßgeblicher Qualitätsfaktor für unsere Schulen. Auch das belegt die PISA-Studie. Sonst läge Baden-Württemberg – nach Ihrer Intention – beim Ländervergleich der Ergebnisse der PISAStudie nicht in fast allen Kompetenzstufen an zweiter Stelle, sondern an letzter Stelle. Die PISA-Studie belegt eindeutig, dass die Qualität des Unterrichts nicht primär von der Schulform und auch nicht primär von der Dauer des Unterrichts an sich abhängig ist.

(Abg. Blenke CDU: So ist es!)

Nun zu dem 4-Milliarden-€-Programm des Bundes, das man grundsätzlich hinterfragen muss. Wie wir aus der Presse erfahren haben, hat sich der Bund bereit erklärt, angeblich – das muss man zunächst sagen –

(Abg. Fischer SPD: Jetzt hören Sie doch auf! – Abg. Capezzuto SPD: Was? So ein Quatsch!)

90 % der reinen Baukosten zu übernehmen. Die restlichen 10 % müssen vom Land oder vom Schulträger erbracht werden.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Das steht in dem Entwurf der Verwaltungsvereinbarung, wie wir es bisher nur aus der Presse erfahren konnten.

(Abg. Wintruff SPD: Was ist dagegen zu sagen?)

Sie werben heute mit Ihrem Antrag für ein Finanzierungsmodell, meine Damen und Herren, das Sie noch gestern

scharf verurteilt haben. In einem gemeinsamen Antrag mit allen anderen Fraktionen im Hause gaben Sie zunächst ein Plädoyer für den Föderalismus ab, gleichzeitig beschrieben Sie den Föderalismus als reformbedürftig. Sie gehen noch weiter: Sie setzen sich gemeinsam mit allen anderen Fraktionen in diesem Hause für den Abbau der so genannten Mischfinanzierungen ein.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, bitte fangen Sie heute damit an, und unterbreiten Sie der von Ihnen getragenen Bundesregierung, dass zumindest diese Form der Finanzierung föderalismusfeindlich ist!

(Beifall bei der CDU – Abg. Bebber SPD: Sie wol- len das gar nicht!)

Weitere Fragen sind offen. Von den enormen Personalfolgekosten steht in dem Entwurf der Verwaltungsvereinbarung natürlich überhaupt nichts. Das Konzept ist nicht zu Ende gedacht. Die Folgekosten für den Schulträger für die Unterhaltung und die Personalkosten für das Land erreichen eine nicht mehr erschwingliche Höhe.

Jetzt darf ich Ihnen ein Rechenbeispiel unterbreiten. In den Jahren 2003 bis 2007 soll laut dem Entwurf eine Fördersumme von über 500 Millionen € auf Baden-Württemberg entfallen. Dies entspricht etwa einem Achtel der gesamten Fördersumme. Wenn wir annehmen, dass der Bund damit bis zu 10 000 neue Ganztagsschulen schaffen will, würden damit allein auf das Land Baden-Württemberg entsprechend seinem Anteil von einem Achtel an der gesamten Fördersumme 1 300 Ganztagsschulen entfallen.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Meine Damen und Herren, jetzt rechnen Sie das hoch. Nach Expertenmeinung kann man belegen, dass allein für BadenWürttemberg ab dem Jahr 2007 jährlich 200 Millionen € allein an Personalkosten für diese Einrichtungen entstehen sollen.

Deswegen sagen wir eindeutig – Sie kennen die finanzpolitische Lage unseres Landes –: Dies ist vor allem vor dem Hintergrund ungerecht, dass wir bereits mit den bisher geschaffenen 3 000 Neustellen in dieser Legislaturperiode einen Kraftakt für die Bildung in unserem Land erbracht haben, der einmalig ist.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Zeller SPD: Zu wenig gemacht!)

Mit einer Frage haben Sie sich auch noch nicht beschäftigt, meine Damen und Herren. Sie wissen, dass der Landkreis Karlsruhe eine Umfrage des Allensbach-Instituts in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis besagt, dass die Eltern vor allem von Kindern im Grundschulalter ihre Erziehungsaufgaben vorwiegend selbst wahrnehmen wollen.