Protocol of the Session on June 20, 2001

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kunst und Kultur sind auch Faktoren von großer wirtschaftlicher Bedeutung – sowohl für sich selbst genommen als auch als wichtiger Anreiz für die Ansiedlung von Firmen und den Zuzug qualifizierter Fachkräfte und Führungskräfte. Dies zeigt sich am deutlichsten im Bereich der Medien. Film, moderne Medien und Informationstechnologien sind nicht nur zentrale Wachstumsmärkte des 21. Jahrhunderts, sondern auch Träger kultureller Inhalte in einer weltweit vernetzten Öffentlichkeit. Technologische Dynamik und inhaltlich-gestalterische Kompetenz: Die Medien vereinen beides miteinander. Deshalb muss BadenWürttemberg ein führendes Medienland sein. Wir werden dem mit unserer Politik Rechnung tragen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wir fördern über die Weiterbildungseinrichtungen im Land den Internetführerschein für alle. Wir wollen noch bestehende Berührungsängste gegenüber den neuen Medien abbauen helfen. Wir wollen, dass moderne Medien die Menschen verbinden und nicht die Gesellschaft spalten.

Die erfolgreiche Landesmedieninitiative werden wir mit Mitteln aus der neuen Zukunftsoffensive Junge Generation fortsetzen. Wir werden zudem ein branchenbezogenes Förderprogramm für die Medien- und Informationswirtschaft auflegen.

Wir bekennen uns zum dualen Rundfunksystem und zum Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern mit einem starken Südwestrundfunk und mit erfolgreichen privaten Veranstaltern. Der Südwestrundfunk sollte aus unserer Sicht in seinen Hörfunk- und Fernsehprogrammen noch mehr Informationsanteile und einen noch stärkeren Baden-Württemberg-Bezug bekommen. Neben dem öffentlich-rechtlichen unterstützen wir gerade im Hinblick auf den bevorstehenden digitalen Ausbau der Breitbandkabelnetze auch ein landesweites privates Fernsehangebot.

Wir wollen die Filmfördermittel erhöhen und werden die Filmakademie in Ludwigsburg als schon heute führende deutsche Filmhochschule weiter ausbauen.

(Beifall des Abg. Herrmann CDU)

(Ministerpräsident Teufel)

In Zusammenarbeit mit der Filmakademie werden wir eine Akademie für darstellende Kunst gründen und die professionelle Ausbildung von Filmschauspielern forcieren. Unsere Medienpolitik hat Zukunft. Wir setzen auf Klasse, denn Qualität wird der Quotenbringer der Zukunft sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg muss ein Land des Miteinanders und des sozialen Ausgleichs bleiben. Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle gebraucht werden. Jeder hat ein Recht auf eine Aufgabe. Jeder soll sich in die Gemeinschaft einbringen können – seine Talente, seine Begabungen, seine Lebenserfahrung, seine Berufserfahrung. Eigenverantwortung für sich selbst und Mitverantwortung für andere sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Die ältere Generation gehört mitten in unsere Gemeinschaft. Sie bereichert uns mit ihrer Lebenserfahrung, mit ihrer aktiven Anteilnahme, mit ihrem lebendigen Gemeinschaftssinn.

In der Sozialpolitik wird die Landesregierung einen besonderen Schwerpunkt auf Themen legen, die in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung stehen. Heute leben knapp 1,7 Millionen Menschen im Alter ab 65 Jahren in unserem Land. Bereits im Jahr 2010 werden es mehr als 2 Millionen Menschen sein. Jeder Vierte von ihnen wird dann über 80 Jahre alt sein.

Auch wenn wir es jedem Menschen wünschen, bis ins hohe und höchste Alter gesund zu bleiben, so wird in den kommenden Jahren die Zahl von hilfebedürftigen älteren Menschen in unserem Land deutlich ansteigen. Gleichzeitig wird die Zahl der helfenden Hände in den Familien weiter zurückgehen.

Damit stellen sich neue Herausforderungen an eine Politik für ältere Menschen. Die Landesregierung wird daher die Förderung der teil- und vollstationären Einrichtungen fortführen und an die Entwicklung des Pflegebedarfs anpassen. Die Menschen können sich darauf verlassen, dass wir die notwendigen Rahmenbedingungen für eine zeitgemäße Pflege gewährleisten wollen.

Maßnahmen im ambulanten, teilstationären und stationären Pflegebereich, im Vor- und Umfeld der Pflege, in der geriatrischen Rehabilitation sowie im betreuten Seniorenwohnen werden wir weiter unterstützen. Wir werden uns darum bemühen, dass genügend qualifiziertes Personal zur Erfüllung dieser Aufgaben bereitsteht. Einen Pflegenotstand in Baden-Württemberg darf es nicht geben. Zur Pflege gehört aber nicht nur Versorgung, sondern auch persönliche Zuwendung. Auch dafür muss Zeit sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir wollen die Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg wirksam und stetig verbessern. Jeder Mensch wünscht sich, gesund zu sein. Wir sehen unser modernes Gesundheitswesen deshalb bei weitem nicht nur als Kostenverursacher; denn seine Aufgabe ist es, Kranke zu heilen und Gesunde gesund zu erhalten. Das Gesundheitswesen hat auch großes wirtschaftliches Gewicht. Es sichert viele Arbeitsplätze, es ist ein Wachstumsmarkt der Zukunft.

Baden-Württemberg ist das Kur- und Bäderland Nummer 1 in Deutschland. Unsere Medizintechnik ist weltweit führend. Wir haben wirtschaftliche Schwerpunkte in der Pharmazeutik, in der Biotechnologie. Baden-Württemberg ist ein Land der medizinischen Spitzenforschung. Wir arbeiten dafür, dass unser Land an diesem Wachstumsmarkt teilhat, und wir haben alle Chancen, ganz vorne mit dabei zu sein.

Mit dem Gesundheitsforum Baden-Württemberg unternehmen wir eine Gemeinschaftsanstrengung aller am Gesundheitswesen Beteiligten. In der neuen Zukunftsoffensive Junge Generation setzen wir einen ganz besonderen Investitionsschwerpunkt in den Lebenswissenschaften.

Gestatten Sie mir noch ein kritisches Wort: Baden-Württemberg leidet an der Untätigkeit und Hinhaltetaktik der Bundesregierung in Sachen Gesundheitsreform.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn wir befürchten müssen – ich sage es noch einmal –, dass Krankenkassen mit guten eigenen Kostenstrukturen ihre Beiträge massiv erhöhen müssen und die Beiträge von Kassen in anderen Ländern infolge des Risikostrukturausgleichs auf 12 % heruntersubventioniert werden, dann stimmt das System hinten und vorne nicht mehr. Das ist den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern in Baden-Württemberg nicht mehr länger zumutbar.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP)

Man muss sich einmal vorstellen: Der derzeitige Risikostrukturausgleich des Bundes macht gesunde Mitglieder zum eigentlichen Risiko für die Kassen – ein Aberwitz. Auch dies muss im Interesse der Arbeitnehmer und der Betriebe unseres Landes ganz dringend geändert werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier im Parlament ganz bewusst einen ganz zentralen Bereich öffentlicher Diskussion ansprechen. Ich glaube nicht, dass Politik gerade in den vor uns liegenden Jahren von bloßem Pragmatismus oder gar von Beliebigkeit bestimmt werden darf. Wir werden über viele wichtige Fragen Debatten führen, auf die wir ohne ethischen Kompass, ohne die Rückbesinnung auf grundlegende Werte des menschlichen Zusammenlebens und ohne Auseinandersetzungen auch im Grundsätzlichen keine den Menschen gemäße Antwort geben können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Politik hat es mit Sachfragen zu tun, aber auch mit Wertfragen. Wir werden uns vermehrt zu Wertentscheidungen durchringen müssen. Wir brauchen dazu den Rat von Experten. Sie können uns mit ihren Empfehlungen helfen. Die Entscheidungen können sie uns aber nicht abnehmen, und wir dürfen sie auch nicht delegieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Der politische Diskurs hat deshalb seinen Ort im Parlament.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

(Ministerpräsident Teufel)

Dies gilt gerade für die grundlegenden Fragen des Lebensschutzes und des Schutzes der Würde des Menschen.

So wichtig Arbeitsplätze auch sind: Es gibt Bereiche, die nicht der Ökonomisierung unterworfen werden dürfen und die sich einer bloßen Kosten-Nutzen-Rechnung entziehen, ja entziehen müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der SPD und der Grünen)

Dazu gehört vor allem das menschliche Leben selbst. Wir erleben heute, dass die Erkenntnisse und Möglichkeiten der biomedizinischen Forschung tief in das Selbstverständnis des Menschen eingreifen. Sie wecken Hoffnungen, aber auch Ängste. Zum ersten Mal in unserer Geschichte sind Menschen heute in der Lage, den Bauplan des Lebens zu entschlüsseln und zumindest ansatzweise auch selbst umzuschreiben.

Der amerikanische Physiker Michio Kaku hat dazu festgestellt:

Wir werden von passiven Beobachtern der Natur zu ihren aktiven Choreographen.... Das Zeitalter des Entdeckens geht zu Ende, und die Epoche des Beherrschens beginnt.

Wenn das so ist, dann ist die wichtigste Tugend in dieser Epoche des Beherrschens die Selbstbeherrschung des Menschen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das heißt in diesem Zusammenhang, sich immer wieder neu die Frage zu stellen, ob das, was wissenschaftlich und technisch machbar ist, auch ethisch erlaubt ist. So schwierig es ist, die Politik wird darauf eine Antwort finden müssen. Dazu ist ein breiter gesellschaftlicher Meinungsaustausch erforderlich.

Richtschnur bei diesem Entscheidungsprozess sind für alle Beteiligten und für alle Betroffenen Artikel 1 des Grundgesetzes – „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ – und Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Das sind die Kriterien für alle Entscheidungen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Diese Verfassungsgarantie ist Vorgabe für den Gesetzgeber, aber auch für das Handeln jedes Bürgers, in welchem Bereich auch immer.

Der Verfassungsgeber betrachtete beide Menschenrechte als Vorgegebenheit für die Verfassung. Das Recht auf Leben und auf Menschenwürde ist nach Dürig gegeben, „sobald und solange nach medizinisch-biologischer Erkenntnis menschliche Individualexistenz vorhanden ist“. Das ist am Beginn mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle gegeben.

Der Mensch ist ein Zweck an sich, und er darf nicht für Zwecke, die außerhalb seiner selbst liegen, instrumentalisiert werden. Dies ist der Grundgedanke des Embryonenschutzgesetzes von 1990. Seine Kernaussage lautet, dass Embryonen grundsätzlich nur zur Herbeiführung einer Schwangerschaft und nicht für andere Zwecke erzeugt werden dürfen. Daran sollten wir festhalten.

Medizinische Forschung, die Entwicklung neuer Heilmethoden und auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Biotechnologie sind höchst erstrebenswerte Ziele, die auch einen hohen Aufwand rechtfertigen. Wir fördern sie in Baden-Württemberg als eine Schwerpunktaufgabe an unseren Universitäten und Forschungseinrichtungen. Für diese Forschung gibt es viele, viele Aufgaben und Möglichkeiten „diesseits des Rubikon“, wie der Bundespräsident völlig zu Recht formulierte.

Wir unterstützen weiterhin Biotechnologieparks. BadenWürttemberg ist ein führender Standort der Bio- und Gentechnologie und wird es durch unseren nachhaltigen Willen bleiben.

Auch, weil wir die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Bio- und Gentechnologie erhalten wollen, gilt es, deren Grenzen zu sehen: Wo es um menschliches Leben geht, darf der Zweck niemals die Mittel heiligen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Ab- geordneten der Grünen)

Deshalb lehnt die Landesregierung das therapeutische Klonen und die so genannte verbrauchende Embryonenforschung ab – ein Begriff, der übrigens aus dem Wörterbuch des Unmenschen stammen könnte. Beide Verfahren stellen eine eklatante Verletzung der Menschenwürde dar und stehen auch im Widerspruch zum Embryonenschutzgesetz.

Dass wir die verbrauchende Embryonenforschung ablehnen, bedeutet nicht, dass wir das Recht auf Therapie nicht anerkennen. Im Gegenteil: Das Land wird seine Anstrengungen auf dem Gebiet der Zelltherapie verstärken. Wir werden Forschungsvorhaben, die ethisch unbedenklich sind und das gleiche Ziel haben, nämlich Organersatz durch Zelltherapie, nachdrücklich fördern.