Protocol of the Session on June 20, 2001

(Ministerpräsident Teufel)

renden Gesetzgebung für sich in Anspruch. Das hat sich der Parlamentarische Rat ganz anders vorgestellt.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Er hat bei den Ländern und bei den Länderparlamenten eine Kompetenzvermutung angesiedelt. Die Entwicklung ist aber anders gelaufen, und mehr als 50 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland wäre es höchste Zeit, hier zu einer Korrektur zu kommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Vorschläge der Landesregierung von Baden-Württemberg sind mehrere Jahre alt. Wir haben sie in die Ministerpräsidentenkonferenzen eingebracht, wir haben sie in den Bundesrat eingebracht. Jeder, der hier entsprechende Anträge stellt, kann unserer Unterstützung sicher sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Entflechtung der Gesetzgebung, eine Entflechtung der Steuern, eine Entflechtung der Mischfinanzierung von Gemeinschaftsaufgaben und eine Rückgabe von Aufgaben in die eigene Zuständigkeit. Wir sind bereit, im Gegenzug auf Zustimmungskompetenzen im Bundesrat zu verzichten. Eigene Kompetenzen unseres Parlaments haben für mich Vorrang vor der Mitwirkung des Landes im Bundesrat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Wir geben nicht auf. Es geht um die Handlungsfähigkeit der bundesstaatlichen Ordnung, letztlich auch um die Demokratie; denn nur bei klaren Zuständigkeiten können die Bürger Bund und Ländern Erfolge und Misserfolge zuordnen und sich bewusst für die eine oder andere Politik entscheiden.

Das, was wir vom Bund fordern, werden wir auch im Verhältnis des Landes zu den Kommunen beherzigen. BadenWürttemberg hat starke Städte, Gemeinden und Kreise. Sie haben sich bewährt. Wir streben deshalb keine neue Kommunalreform an.

Die Stärkung der Selbstverwaltung unserer Kommunen ist ein Kernziel dieser Landesregierung. In den Städten und Gemeinden, den Kreisen und Regionen arbeiten neben qualifizierten hauptamtlichen Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten Tausende ehrenamtlich tätiger Bürger als gewählte Repräsentanten für eine gute Zukunft ihres Gemeinwesens. Sie tun ihren Dienst verantwortungsbewusst und erfolgreich. Sie leisten einen großen Beitrag zur positiven Gesamtentwicklung Baden-Württembergs.

Die Landesregierung wird die kommunalen Landesverbände in allen uns gemeinsam betreffenden Fragen zu Gesprächen einladen, beteiligen, anhören und – wo immer möglich – einvernehmliche Lösungen anstreben. Wir werden allen Kommunen und ihren Verbänden weiterhin ein fairer Partner sein.

Meine Damen und Herren, der Zusammenhalt einer Gemeinschaft beruht nicht zuletzt auf der Übereinstimmung in Normen und Werten. Die Wahrung von Recht und Ge

setz sichert die Freiheit und die Lebenschancen der Menschen. Ohne innere Sicherheit gibt es deshalb keine Lebensqualität, können sich Menschen nicht entfalten, bleibt die persönliche Freiheit ein leeres Versprechen. Prävention ist das erste Ziel.

Das zweite: Kriminelle müssen mit Nachdruck verfolgt, gestellt und schnell verurteilt werden. Die Landesregierung steht dabei an der Seite unserer Polizei und der Justiz und besteht auf der konsequenten Wahrung von Recht und Gesetz. Nicht die Kriminellen, sondern die Bürger sollen sich in Baden-Württemberg sicher fühlen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir setzen auf Modernisierung bei Polizei und Justiz. Das Technikzukunftsprogramm für die Polizei werden wir deshalb konsequent umsetzen. Schwerpunkte werden die bundesweite Einführung des abhörsicheren digitalen Polizeifunks und die Modernisierung der polizeilichen Datenverarbeitung sein.

Wir werden die Besoldungs- und Stellenstruktur bei der Polizei weiter verbessern. Engagierte und hoch motivierte Polizeibeamte und Polizeibedienstete sind Voraussetzung für eine wirksame Verbrechensbekämpfung. Wir stehen hinter ihnen, wir lassen sie nicht im Stich!

An unseren bewährten baden-württembergischen Instrumenten zur Bekämpfung von Kriminalität wie den verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen, der Videoüberwachung an Kriminalitätsbrennpunkten und der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen werden wir festhalten. Dies gilt ebenso für die sehr erfolgreiche kommunale Kriminalprävention, die wir gemeinsam mit den Städten und Gemeinden weiter ausbauen wollen.

Wir wollen durch Reduzierung der Büroarbeit die Präsenz der Polizei auf den Straßen nochmals weiter verstärken.

Wir werden eine Offensive gegen die zunehmende Computerkriminalität in die Wege leiten und die Konzepte und rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ausbauen. Wir werden darüber hinaus Initiativen ergreifen, um die grenzüberschreitende und internationale Zusammenarbeit der Polizei weiter zu verbessern, und wir werden den Ausbau von Europol aktiv unterstützen.

Sexualstraftäter verfolgen wir unnachsichtig, und wir beugen vor. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag, Spanner in einer Gendatei zu erfassen. Die nachträgliche Sicherheitsverwahrung von Tätern, von denen bei einer Entlassung aus der Haft Gefahren für das Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgehen, haben wir bereits eingeführt. Auch das ist Prävention: Die Rechte der Bürger und der Opfer von Verbrechen müssen immer Vorrang haben vor Erleichterungen für Straftäter.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, zu den zentralen politischen Herausforderungen werden in den kommenden Jahren mehr denn je die Fragen von Zuwanderungssteuerung und Integration gehören. Viele Faktoren kommen zusammen:

(Ministerpräsident Teufel)

die unbedingte Anerkennung des Asylrechts für politisch Verfolgte, die Einschränkung des Asylbewerberzugangs von Nichtverfolgten, die zeitlich befristete Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen und ihre gerechte Verteilung, die Integration von rechtmäßig hier lebenden Ausländern.

Im Blick haben wir auch den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft und den Rückgang der Bevölkerungszahl.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Dabei ist klar, dass wir den Bevölkerungsrückgang nicht durch Zuwanderung ausgleichen können und dass bei Arbeitskräftebedarf die Ausbildung der eigenen jungen Leute sowie die Qualifizierung von Arbeitslosen Vorrang haben müssen vor der Zuwanderung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ich bin froh darüber, dass die Notwendigkeit einer Gesamtlösung – wir haben sie schon vor einem Jahr in einer Bundesratsinitiative angemahnt – nunmehr über Parteigrenzen hinweg anerkannt wird.

Erste Priorität ist: Den Spielraum für eine gewünschte Zuwanderung müssen wir uns erst erarbeiten, indem wir unkontrollierte und nicht gewollte Zuwanderung eindämmen.

Unser Ziel sind wirksame Instrumente der Steuerung. Wir bekommen das Steuer aber nur in die Hand, wenn wir jede Form von illegaler Einreise und von Asylmissbrauch entschlossen bekämpfen. Wer kein Bleiberecht erlangen kann oder sein Gastrecht missbraucht, hat unser Land unverzüglich zu verlassen oder wird zurückgeführt. Das Land fährt daher seit Jahren einen entschlossenen und erfolgreichen Kurs bei der Aufenthaltsbeendigung ausreisepflichtiger Ausländer und insbesondere ausländischer Straftäter. Diesen Kurs werden wir mit Konsequenz fortsetzen.

Leider weigern sich die Bundesregierung und die rot-grün regierten Länder beharrlich, noch immer bestehende rechtliche und organisatorische Defizite bei der Bekämpfung der illegalen Einreise und des Asylmissbrauchs, bei der Beschleunigung von Verfahren und bei einer konsequenten Aufenthaltsbeendigung zu beseitigen. Unsere Vorschläge sind im Dutzend im Bundesrat an der Blockade von SPDgeführten Ländern gescheitert. Nicht nur das: Mit der Lockerung des Arbeitsverbots und der Diskussion über die Ausweitung der Asylgründe wurden gegenteilige Signale ausgesendet. Seither – exakt seither – steigt die Zahl der Asylbewerber wieder.

Ich sage voraus: Wenn SPD und Grüne hier keinen nachhaltigen Kurswechsel vornehmen, wird es in der Zuwanderungsfrage keinen Konsens geben.

Priorität Nummer 2: Zuwanderung setzt Integration voraus. Wir schaffen uns sonst die sozialen und politischen Brennpunkte von morgen. Die gewalttätigen Ausschreitungen in Großbritannien sind ein ebenso aktuelles wie abschreckendes Beispiel. Wer auf Dauer bei uns leben will, muss ein Mindestmaß an Integrationsbereitschaft unter Beweis stellen. Wir fördern Integration, wir fordern aber auch Integra

tion. Wir wollen, dass Menschen, die auf Dauer zu uns kommen, unsere Sprache sprechen, damit sie keine Fremden bleiben. Deutsche Sprachkenntnisse sind unabdingbare Voraussetzung für Integration. Deshalb sind wir für Integrationskurse, in denen die deutsche Sprache und die Grundlagen unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung vermittelt werden. Zunehmend müssen wir die Beherrschung der deutschen Sprache bereits vor der Zuwanderung verlangen, wie das inzwischen bei den Aussiedlern vorausgesetzt wird.

Priorität Nummer 3: Zuwanderung kommt nur infrage, wenn wir Arbeitsplätze zur Verfügung haben, die wir anderweitig nachweislich nicht mit Arbeitskräften aus Deutschland oder anderen EU-Ländern besetzen können. Die Qualifizierung und Beschäftigung der hier lebenden Menschen muss grundsätzlich Vorrang haben. Ich denke hier besonders an die Weiterqualifizierung von Langzeitarbeitslosen und älteren Arbeitnehmern, die wir nicht im Stich lassen dürfen und in Zukunft mehr denn je brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir sehen und verstehen die Sorgen und Probleme der mittelständischen Wirtschaft mit Blick auf fehlende Arbeitskräfte und sind zu flexiblen Lösungen im Einzelfall bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Auf mittlere Sicht muss es uns aber angesichts von immer noch 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland gelingen, die Beschäftigungsprobleme im Bereich einfacher Dienstleistungen aus eigener Kraft zu lösen. Ich nenne hier nur die Stichworte Lohnkostenzuschüsse, Einstiegsgeld, Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe und Wahrung des Lohnabstandsgebots.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP)

Wenn Hunderttausende ungelernter Kräfte in Deutschland arbeitslos sind und Unternehmen, die einfache Tätigkeiten anbieten, auf Bürgerkriegsflüchtlinge angewiesen bleiben, dann stimmt etwas im System nicht mehr.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Hier besteht Handlungsbedarf, und zwar beim Bund.

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist unsere Heimat. Die Menschen wollen sich dort wohlfühlen, wo sie wohnen, leben und arbeiten. Die Baden-Württemberger kümmern und sorgen sich um ihr eigenes Umfeld und um die Gemeinschaft. Sie verweigern sich nicht der notwendigen Mobilität, aber sie suchen auch Ankerplätze des Miteinanders: in der Familie, am Wohnort, in Vereinen und in anderen Gemeinschaften.

Die Menschen brauchen eine Heimat. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre sein, die Notwendigkeiten einer globalisierten Wirtschaft mit ihrem scharfen Wettbewerb und mit ihren Anforderungen an Geschwindigkeit, Flexibilität, Modernität und Mobilität mit

(Ministerpräsident Teufel)

dem Wunsch der Menschen nach Verwurzelung und ihrem Bedürfnis nach einem überschaubaren Bereich in Einklang zu bringen.