Protocol of the Session on January 23, 2003

Den Begriff „kreative Buchführung“ schätze ich nicht so besonders, weil man das bei FlowTex auch schon gesagt hat, und davon sind wir doch noch ein kleines Stück entfernt.

Das muss man im Protokoll irgendwie unterbringen, dass ich das spaßhaft gesagt habe.

(Heiterkeit)

Ironie in der Politik ist gefährlich.

Ja.

Keine weiteren Zusatzfragen? – Damit ist die Fragestunde beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zum Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – JMStV) – Drucksache 13/1551

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschusses – Drucksache 13/1666

Berichterstatterin: Abg. Birgit Kipfer

Frau Abg. Kipfer wünscht als Berichterstatterin nicht das Wort.

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache über den Gesetzentwurf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, festgelegt.

Herr Abg. Pauli, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Tagesordnungspunkt werden wir sicher eine ungewöhnliche Einigkeit bei den Redebeiträgen verspüren. Einigkeit macht stark! Und wir brauchen diese Stärke! Wir brauchen sie für einen stärkeren Schutz unserer Kinder und Jugendlichen gegenüber den psychischen Vergewaltigungen durch verantwortungslose Medienangebote.

Deutschland ist weltweit das Land mit der größten Regelungsdichte in Bezug auf Medien.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Darauf sind wir aber nicht stolz!)

Bei uns ist eine Vielzahl von Menschen mit der Beobachtung des Medienmarkts beschäftigt. Zum Schutz junger Menschen werden Filme eingestuft, Schriften indiziert, Werbezeiten im Fernsehen gestoppt und freiwillige Selbstkontrollen durchgeführt. Trotzdem müssen wir erleben, wie unsere Kinder und Jugendlichen tagtäglich abscheuliche, menschenverachtende, perverse Medienkost serviert bekommen.

Wie die polizeiliche Kriminalstatistik 2001 für ganz Deutschland verdeutlicht, ist beispielsweise die Verbreitung von Kinderpornographie in den Medien gegenüber dem Vorjahr um 60 % drastisch gestiegen. Strafbare Gewaltdarstellungen gegenüber Jugendlichen nahmen ebenfalls deutlich um 16 % zu.

Eltern und Erziehungsberechtigte können es nicht fassen, dass unser Staat nicht in der Lage sein soll, unsere Kinder wirksam zu schützen. Angesichts der rasanten technischen Entwicklungen und der unüberschaubaren Verbreitung elektronischer Medien hinken die Gesetzgeber den Gefahren und Risiken für junge Leute regelmäßig hinterher.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt den vorliegenden Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien. Er bedeutet einen klaren Kompetenzgewinn für die Länder im Bereich der so genannten Telemedien. Mit der neuen Zuständigkeitsverteilung ziehen Bund und Länder unter anderem die Konsequenzen aus der zunehmenden Konvergenz der elektronischen Medien. Neu ist insbesondere, dass die traditionelle Zuständigkeit der Länder für Rundfunk und Mediendienste – beides sind Angebotsformen, die sich an die Öffentlichkeit richten – beim Jugendschutz nun auch auf die Individualkommunikation im Internet erstreckt wird.

Diese Vereinheitlichung des Jugendschutzes ist ohne Zweifel zweckmäßig. Es zeichnet sich aber bereits heute ab, dass die Kontrolle des Internets auch künftig problematisch bleibt. Denn gerade bei diesem Medium besteht am ehesten die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche mit problematischen und unzulässigen Angeboten wie etwa Pornographie, Extremismus, Gewalt- und Kriegsverherrlichung oder Rassismus konfrontiert werden.

Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag trägt der Tatsache Rechnung, dass bei aller gebotenen Deregulierung der Jugendschutz das wichtigste Handlungsfeld der Gesellschaft im Medienbereich bleibt. Wir begrüßen das absolute Verbreitungsverbot für Gewalt verherrlichende und Gewalt verharmlosende Angebote in Rundfunk und Internet.

Auf Druck von Bayern und Baden-Württemberg werden denjenigen Anbietern hohe Bußgelder im Staatsvertrag angedroht, die ungeachtet ihrer Verantwortlichkeit Gewaltdarstellungen oder pornographische Darstellungen im Internet anbieten. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag wird nur so wirksam sein, wie er um- und durchgesetzt wird.

Natürlich ist jedem von uns klar, dass der Jugendmedienschutz im europäischen Rahmen weiter forciert werden muss, weil eine rein deutsche Lösung technisch unterlaufen werden kann. Allerdings bedeutet der Ruf nach europäischer Harmonisierung eine Nivellierung unseres mühsam erreichten Standards. Wer es mit dem Jugendschutz im Medienbereich ernst meint, muss deshalb mit dafür Sorge tragen, dass auch die Medienkompetenzen unserer Kinder und Jugendlichen weiterhin konsequent gestärkt werden. Der beste Jugendmedienschutz ist der verantwortliche Umgang mit den Medienangeboten. Hier ist unsere gesamten Gesellschaft herausgefordert. Lassen Sie uns diese Herausforderungen weiterhin parteiübergreifend gemeinsam anpacken!

(Beifall bei der CDU und des Abg. Theurer FDP/ DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Kipfer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist das Ergebnis einer gemeinsamen Reform von Bund und Ländern. Ziel war es – das haben Sie, Herr Pauli, richtig gesagt –, den Kompetenzwirrwarr zu entflechten und klarere Strukturen und Verantwortlichkeiten herzustellen. Weil aber viele Interessen unter einen Hut zu bringen waren, trägt der Staatsvertrag, wie alle diese Staatsverträge, alle Merkmale eines Kompromisses.

Zum einen ist er ein Kompromiss bei den Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Hier sind gewiss Fortschritte erreicht worden. Die Zuständigkeiten sind klarer voneinander abgegrenzt, sind doch künftig die Länder zuständig für alle Inhalte, die elektronisch angeboten und übertragen werden. Dem Bund verbleibt die Zuständigkeit für die Trägermedien, also Videos, Kassetten, CD-ROMs etc. Aber hier zeigt sich genau die Schwierigkeit. Denn auch die Inhalte von Trägermedien werden irgendwann einmal gesendet. Schon da gibt es möglicherweise auch künftig Kompetenzüberschneidungen.

Ein Kompromiss ist er aber auch im Hinblick auf die Autonomie der einzelnen Landesmedienanstalten, indem sie sich auf eine gemeinsame federführende Kommission, nämlich die KJM, geeinigt haben – ein bemerkenswerter Vorgang übrigens, bei dem die Länder einmal über ihren eigenen Schatten gesprungen sind. Ich begrüße das. Das war ein wichtiger und schwieriger Schritt.

Drittens ist er aber auch ein Kompromiss zwischen der Freiheit der Presse und damit auch den Interessen der Inhalteanbieter auf der einen Seite, die am liebsten völlig in eigener Verantwortung darüber entscheiden würden, was Kindern und Jugendlichen zumutbar ist und was nicht, und auf der anderen Seite dem Interesse der Öffentlichkeit, Kinder und Jugendliche vor schädlichen Einwirkungen zu schützen. So wird die Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle der privaten Rundfunkmedien an verschärfte Bedingungen geknüpft werden, und sie werden auch zu lizenzieren sein, aber gleichzeitig erhalten sie mehr Eigenverantwortung.

Wir werden sehen, ob sich das bewährt. Jedenfalls haben alle Beteiligten jetzt die Chance, ihr Bemühen um wirkungsvollen Jugendmedienschutz auch unter Beweis zu stellen. Wir werden das sorgfältig beobachten, und spätestens nach fünf Jahren wird ein Resümee gezogen werden müssen.

Auch dieser Staatsvertrag darf nicht darüber hinwegtäuschen – das ist auch meine Meinung, Herr Pauli –, dass der beste Schutz von Kindern und Jugendlichen vor schädlichen Einflüssen über die Medien die Prävention ist, sprich eine bessere Medienerziehung. Während wir über einen Staatsvertrag nicht mehr lange debattieren müssen, weil dieser zwischen den Ministerpräsidenten verabredet ist, können wir hier im Land über die Medienpädagogik an den Schulen erheblich mehr machen, als bisher geschieht. Da bleibt uns noch viel zu tun. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das verweisen, was heute Morgen über Jugendschutz und Strafverfolgung gesagt wurde. Hier muss mehr getan werden. Ich glaube, das ist der wirksamste Schutz, den wir den Kindern und Jugendlichen angedeihen lassen können, wenn es um die Medien geht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Die SPD-Fraktion wird diesem Staatsvertrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Theurer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat kann man in einem Punkt an die Debatte von heute Morgen anknüpfen. Hier möchte ich auch für die Fraktion der FDP/ DVP noch einmal klarstellen, dass wir der Meinung sind, dass man Prävention und Strafverfolgung nicht gegeneinander ausspielen darf, sondern dass beides zusammengehört.

Dieser Staatsvertrag wird im Konsens der Parteien getragen.

(Abg. Fischer SPD: Oh!)

Dieser Konsens wird zwischen den Bundesländern, die ja auch unterschiedlich regiert werden, mühsam ausverhandelt. Das merkt man bei diesen Staatsverträgen dann auch in der Formulierung. Frau Kollegin Kipfer hat auf diesen Umstand hingewiesen.

Ich möchte in aller Kürze für die Fraktion der FDP/DVP festhalten, dass wir begrüßen, dass ein solcher Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geschaffen wurde, durch den die Zuständigkeiten gebündelt werden und auch Kompetenzen auf die Länderebene delegiert werden. Herr Kollege Pauli hat das bereits angesprochen: Der Bereich Telemedien geht in die Zuständigkeit der Länder über. Wir merken dabei aber auch, dass die rechtlichen Regelungsmöglichkeiten hinter den technischen Möglichkeiten herhinken. Das heißt, wir werden in Zukunft versuchen müssen, grenzübergreifend – sowohl innerhalb Europas als auch weltweit – Regeln und Instrumente zu entwickeln, um jugendgefährdende

Inhalte des Internets verhindern und Verstöße ahnden zu können und damit den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.

Missbrauch lässt sich vermutlich nie ganz ausschließen. Auch dieser Tatsache muss man ins Auge sehen. Wir meinen, dass es wichtig wäre, nicht nur bei den Schulen die Verantwortung für die Frage der Medienerziehung zu suchen, sondern auch die Elternverantwortung in den Mittelpunkt zu stellen. Möglicherweise müsste man auf die Anbieter von Mediendienstleistungen hinwirken, dass auch zu guten Sendezeiten auf diese Problematik hingewiesen wird. Wir könnten uns auch vorstellen, dass die erforderlichen Filter Eltern günstig angeboten werden. Das wäre, glaube ich, ein praktischer Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen über das hinaus, was im Staatsvertrag geregelt ist.

Kurzum: Wir können diesem Staatsvertrag zustimmen. Wir begrüßen die darin enthaltenen Maßnahmen.

(Abg. Bebber SPD: Wer „wir“?)

Die FDP/DVP-Fraktion.

(Abg. Bebber SPD: Wo ist die denn?)

Die sitzt hier.

(Abg. Hofer FDP/DVP hebt grüßend die Hand. – Heiterkeit)

30 % unserer Fraktion sind anwesend.