Herr Hofer, Ihr Kollege Theurer hat gestern gesagt, Ihre Fraktion sei der Anwalt der Kommunen. Daran habe ich doch ganz, ganz starke Zweifel. Wenn ich Ihren Antrag und die Stellungnahme des Innenministeriums dazu lese, habe ich daran wirklich Zweifel, denn dieser Antrag ist von tiefem Misstrauen in die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in der Vergangenheit geprägt,
da Sie im Grunde nach Missbrauchsfällen, nach Beanstandungen und Reklamationen von Mitbewerbern im Verhältnis zu Kommunen fragen. Die Antwort des Innenministeriums lautet: Keine nennenswerten Beanstandungen,
Herr Kurz, lesen Sie die Stellungnahme des Innenministeriums. Darin steht es doch. Die Stellungnahme ist gut. Es fällt mir ja gar nicht leicht, dies zu sagen. Die Stellungnahme bestätigt, dass die Kommunen in der Vergangenheit im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Betätigung ordentlich gearbeitet haben. Das ist der Befund.
Sie, Herr Hofer, wollten einen ganz anderen Befund herauskitzeln, nämlich den, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, die Kommunen in ihren Aktivitäten zu beschränken.
Weil die Kommunen das können, sollten wir sie das auch in Zukunft tun lassen. Wir sollten sie auch in Zukunft in einem fairen Wettbewerb lassen – darüber sind wir uns einig –, damit sie sich den Herausforderungen gewachsen fühlen, die geänderte Rahmenbedingungen an die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden stellen. Rahmenbedingungen ändern sich durch EU-rechtliche Regelungen, aber auch durch die wirtschaftliche Entwicklung selbst. Dabei braucht man sich nur die Entwicklung in den Gemeinden anzuschauen.
Ich glaube, wenn man einen fairen Ausgleich und einen fairen Wettbewerb postuliert, ist es auch nicht nötig, die Interessen des Mittelstands – ich bin selbst Mittelständler; ich will das nur sagen – und die Interessen der Kommunen gegeneinander auszuspielen.
Da, meine ich, dürfen wir die Kommunen auch in ihrer wirtschaftlichen Betätigung ebenso wenig wie den Staat auf eine Nachtwächterposition beschränken. Vielmehr müssen wir sie in die Lage versetzen, wirtschaftlich und sachgerecht am Markt zu arbeiten. Herr Hofer, das haben sie weder in der Vergangenheit in einem rechtsfreien Raum getan, noch tun sie es in Zukunft in einem rechtsfreien Raum. Wir haben die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts, das auch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden einschließt. Wir haben auch das Subsidiaritätsprinzip. Herr Heinz, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den rechtlichen Bogen sehr weit gespannt haben. Das erspart mir jetzt einiges an Details, vielen Dank.
Wir haben die rechtliche Einbindung der Kommunen mit dem Subsidiaritätsprinzip und anderen Schranken. Es geht im Wesentlichen darum, die Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge weiterhin zu stärken. Die Daseinsvorsorge ist nach wie vor das Hauptthema der kommunalen wirtschaftlichen Betätigung.
(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist ja außen vor! – Abg. Fleischer CDU: Vor allem hat sich der Be- griff in den letzten Jahren geändert!)
Ja, natürlich. Den könnte man auch ändern, Herr Fleischer. Man könnte ihn vielfältig interpretieren.
Deswegen bin ich auch gegen den Vorschlag von Herrn Hofer, zum Beispiel in eine gesetzliche Regelung enumerativ aufgeführte Tatbestände aufzunehmen. Wenn wir Tatbestände aufnehmen, werden sie übermorgen von der wirtschaftlichen Entwicklung überholt sein.
Dann wird wieder Nachbesserungsbedarf bestehen. Mich wundert auch, dass hier ausgerechnet die FDP/DVP einer derartigen Regelungswut unterliegt.
(Lachen bei der SPD – Abg. Schmid SPD: Regulie- rungswut! – Abg. Hofer FDP/DVP: Im Gegenteil! Das haben Sie nicht richtig verstanden!)
Sonst fordern Sie in allen Bereichen Deregulierung, und hier wollen Sie den Markt regelrecht in ein rechtliches Korsett pressen. Das kann nicht die Zukunft der Gemeinden sein.
Dann kommen wir zu den Stichworten, die Sie genannt haben: Annextätigkeiten und Verwässerung oder Auflösung und Erweiterung des Örtlichkeitsprinzips. Darüber kann man mit uns reden. Dann stellt sich in der Tat die Frage: Wie regeln wir das mit den Interessen anderer betroffener Gemeinden? Dabei muss ich sagen: Viele kleine Gemeinden betätigen sich nicht wirtschaftlich, wären aber froh, wenn größere Gemeinden in der Nachbarschaft das täten. Da müssen wir im Wege der Rechtsaufsicht sicher ein austariertes Verhältnis der Interessen finden.
Wir müssen auch darüber diskutieren, ob wir einen Klageanspruch für unterlegene Mitbewerber einführen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass nach den geltenden Bestimmungen und nach der Rechtslage im Grunde nur die UWG-Vorschriften und die zivilrechtlichen Ansprüche gelten. Diese geben, was den Drittschutz angeht, nichts her. Ich bin überzeugt davon: Dazu werden in einem eventuellen Gesetzgebungsverfahren Vorschläge kommen, die diesen Interessenausgleich schaffen.
Bezüglich der Annextätigkeiten sehe ich auch keine allzu großen Probleme. Ich meine, mit den anstehenden Änderungen können wir die wirtschaftliche Entwicklung so, wie sie sich vollzieht, auch als Gesetzgeber ordentlich begleiten.
Ich bin allerdings nicht ganz einverstanden, Herr Minister, wenn in Ihrer Stellungnahme steht, man wolle erst in einigen Jahren etwa die Wirkung des Subsidiaritätsprinzips oder andere Wirkungen prüfen. Bis dahin scheint es mir ein bisschen lang zu sein. Die wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich sehr schnell, und der Handlungsbedarf besteht jetzt. Wir sollten das Thema nicht auf die lange Bank schieben. Wir wollen starke Kommunen in einem fairen Wettbewerb und sollten hierzu auch die gesetzlichen Möglichkeiten schaffen.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Das Thema der Debatte lautet: „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen“. Lassen Sie mich zunächst ein paar grundsätzliche Aussagen machen.
Es ist klar, dass es nicht die Aufgabe einer Gemeinde ist, beliebige wirtschaftliche Tätigkeiten auszuüben. Dafür haben wir Unternehmer. Dafür haben wir einen leistungsfähigen Mittelstand. Die Kommunen sollen nicht in einen unbilligen Wettbewerb mit denen eintreten. Wenn sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigt, sind zwei Punkte unstrittig. Zum einen: Eine wirtschaftliche Betätigung ist dort zulässig, wo es um die Daseinsvorsorge geht. Das ist zum Beispiel die Versorgung mit Strom und Wasser, das ist zum Beispiel der soziale Wohnungsbau. Das sind alles unstrittige Sachen. Zum Zweiten ist klar, dass jedes kommunale Unternehmen – so steht es in der Gemeindeordnung – nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung der Gemeinde stehen muss. Das heißt, in einer kleinen Gemeinde darf sich nicht ein riesiges Unternehmen für die Elektrizitätsversorgung herausbilden. Das sind alles Grundsätze, die unstrittig sind.
Zwei Fragen sind in diesem Zusammenhang strittig. Sie sind von meinen Vorrednern schon angesprochen worden. Die erste Frage ist das Örtlichkeitsprinzip. Sollen die kommunalen Unternehmen verpflichtet werden, sich nur auf das Gemeindegebiet zu beschränken, oder dürfen sie auch außerhalb tätig werden? Die zweite Frage betrifft die Subsidiarität. Dürfen sie auch außerhalb der Daseinsvorsorge wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben? Ich möchte mich in dieser ersten Runde allein mit dem Örtlichkeitsprinzip befassen.
Wir Grünen fordern eine Lockerung des Örtlichkeitsprinzips. Dabei muss klar sein: Die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Stadtwerke müssen berücksichtigt werden. Wenn also eine große Gemeinde in einer kleinen Gemeinde wirtschaftlich tätig wird, zum Beispiel in Bezug auf die Stromversorgung, müssen auch die berechtigten Interessen der kleinen Gemeinde berücksichtigt werden. Bayern und Nordrhein-Westfalen – das ist also unabhängig von den politischen Farben – haben ihre Gemeindeordnung schon diesbezüglich geändert. In Baden-Württemberg steht das noch aus. Das mahnen wir hiermit dringend an.
Ich möchte das am Beispiel der Stromversorgung erläutern. Wir haben seit 1998 den liberalisierten Strommarkt. Die großen Stromversorgungsunternehmen können beliebig tätig werden. Sie können sich die Rosinen, sozusagen die elektrischen Rosinen aus den Städten herauspicken, die großen Kunden herausholen, aber die Kommunen können nicht die Gegenwehr aufnehmen und sich entsprechende Kunden außerhalb ihres Gebiets suchen. Da besteht keine Wettbewerbsgleichheit. Wir Grünen fordern, hier Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Das fordern wir nicht nur heute, sondern ich habe mich schon 1999 an das Ministerium gewandt. Ich habe mich im Jahr 2000 an das Ministerium gewandt. Es kam immer die Antwort: Wir sind noch in der Abstimmung. Ich habe dann im Jahr 2001 einen Antrag ein
gebracht. Die Antwort war wieder: Wir sind noch in der Abstimmung. Im Ausschuss wurde im März dieses Jahres darüber diskutiert. Da wurde gesagt: Möglicherweise gibt es bis zur parlamentarischen Sommerpause eine Lösung. Jetzt kommt der FDP/DVP-Antrag, und noch immer befindet sich diese Regierung in der Abstimmung. Das heißt, die Landesregierung kriegt dieses Problem nicht auf die Reihe. Nordrhein-Westfalen und Bayern haben das schon getan, Bayern sogar schon vor zwei Jahren; aber hier liegen das Wirtschaftsministerium – in Klammern: die FDP/DVP – und das Innenministerium – in Klammern: die CDU – im Clinch und verhindern eine Lösung.
Es ist nicht nur so, dass das auf dem Papier wichtig ist, sondern wir haben einen Stillstand in der Sache. Das hat fatale Folgen. Diejenigen Unternehmen, die sich nämlich an die Gemeindeordnung halten, haben Wettbewerbsnachteile, und die Unternehmen, die locker über die Gemeindeordnung, sprich die Rechtslage, hinweggreifen, haben wirtschaftliche Vorteile. Die Rechtsaufsicht wiederum – das ist der Stellungnahme zu meinem Antrag zu entnehmen – hat beschlossen, erst einmal gar nichts zu tun. Das heißt, das Verhalten derjenigen, die gegen die Rechtsordnung verstoßen, wird nicht geahndet, aber die Regierung weigert sich, den Rechtsrahmen an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben im Wahlkampf gefordert: Es ist Zeit für Taten. Ich muss Ihnen sagen: In diesem Bereich – Lockerung des Örtlichkeitsprinzips – ist es in der Tat Zeit für Taten. Was wir schon seit zwei Jahren angemahnt haben, muss jetzt endlich geschehen.
Lassen Sie mich noch eines zu dem zweiten Punkt – Subsidiaritätsprinzip – sagen. Wir wissen, dass sich eine Kommune, ein kommunales Unternehmen, zunächst einmal auf die Daseinsvorsorge beschränken muss. Um das sicherzustellen, ist teilweise aber auch eine wirtschaftliche Tätigkeit darüber hinaus notwendig. Lassen Sie mich das am Beispiel einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft darstellen. Die hat zum Beispiel die Aufgabe, Sozialwohnungen zu errichten, damit Menschen, die sich auf dem freien Markt ein Dach über dem Kopf nicht leisten können, wohnen können – sicherlich ein Teil der Daseinsvorsorge.