Protocol of the Session on December 11, 2002

Daran muss doch etwas sein. Sie sollten dies einfach zur Kenntnis nehmen, bevor Sie solche Zerrbilder malen.

Ich will aber darauf hinweisen, dass in einem Punkt, nämlich gerade bei der Flexibilisierung der Hochschulzulassung, in dieser Studie Fehlanzeige herrscht. Kein einziges Land hat bis zur Stunde eine solche Flexibilisierung der Hochschulzulassung vorgenommen. Das finde ich ganz erstaunlich, und zwar einfach deshalb, weil die Auswahl der Studierenden durch die Hochschule eine ganz wichtige Maßnahme ist, auch für die Qualitätssicherung in der Lehre.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb bleibt es dabei: Dieser Gesetzentwurf hat ein wesentliches Ziel, nämlich dass endlich auch zwischen Bildungseinrichtungen Wettbewerb bestehen kann. Er hat das Ziel, dass durch diesen Wettbewerb mehr Qualität stattfindet. Dieses Mehr an Qualität wird auch bedingt durch die Möglichkeit zu einer stärkeren Profilbildung.

Der Gesetzentwurf beinhaltet zweierlei. Es geht zum einen um die Selbstauswahlquote in so genannten örtlichen Numerus-clausus-Fächern, die – das wissen Sie – von 40 % auf 90 % erhöht werden soll. Gleichzeitig soll ermöglicht werden, dass bei Fächern mit besonderen fachspezifischen Anforderungen kapazitätsunabhängig eine Selbstauswahl durchgeführt werden kann.

In diesem Zusammenhang noch einmal die klare Meinung nicht nur der Landesregierung, sondern auch der Fraktion der FDP/DVP: Wir sollten dieses ZVS-Instrument so schnell wie möglich abschaffen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich bitte die Landesregierung, den betreffenden Staatsvertrag so schnell wie möglich zu kündigen, und ich fordere die SPD-regierten Länder auf, aus diesem Staatsvertrag bis zum Jahr 2005 ebenfalls auszutreten, damit dieser bürokratische Moloch endlich beseitigt werden kann.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Den ersetzen wird dann durch einen neu- en Moloch! – Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Wer hat das denn unterzeichnet?)

Ja, lang ist es her. Ich war noch nicht dabei, Frau Kollegin, das kann ich Ihnen sagen. Ich hätte das nicht unterzeichnet.

Um noch einmal kurz auf den Gesetzentwurf zurückzukommen: Wenn man also Kriterien für die Selbstauswahl entwickelt, dann wird man eine Gratwanderung vornehmen müssen. Natürlich wird man versuchen, ein höchstmögliches Maß an Freiheit für die Hochschulen zu erreichen. Auf der anderen Seite steht aber natürlich auch das Gebot der Rechtssicherheit. Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass der Hochschulzugang ein hohes verfassungsrechtliches Gut darstellt und deshalb nicht voll in die Beliebigkeit der Hochschulen gestellt werden kann. Man braucht hier Mindeststandards, man braucht Rechtssicherheit, man braucht ein Hochschulgesetz, das auch vor Verwaltungsgerichten Bestand hat.

Ich finde, dass die Gratwanderung, die wir hier vorgenommen haben, sehr gut gelungen ist. Es sind auch nachträglich noch einige wichtige Regelungen mit aufgenommen worden, die die Freiheit der Hochschulen erhöhen. Dazu gehört das bereits erwähnte Eignungsfeststellungsverfahren bei fächerspezifischen Anforderungen. Dabei haben wir ausdrücklich keine Mussvorschrift hineingeschrieben, sondern eine Kannvorschrift, das heißt, die Hochschulen können das tun, müssen es aber nicht.

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Der zweite Punkt ist die Frage der Vorauswahl. Immer dann, wenn sich Studierende bewerben – möglicherweise aus dem Ausland –, müssen nicht unbedingt alle kommen, sondern man kann eine Vorauswahl durchführen. Das gilt sowohl für die schriftlichen Tests als auch für die Auswahlgespräche. Das ist schon eine große Erleichterung.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Wenn man dann berücksichtigt, meine Damen und Herren, dass der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zusätzliche finanzielle Mittel angekündigt hat und auch der Solidarpakt die Hochschulen in die Lage versetzt, diese Aufgabe zu leisten, und noch hinzufügt, dass es als Dienstaufgabe der Professorinnen und Professoren betrachtet werden sollte und man auch erwarten kann, dass diese in der vorlesungsfreien Zeit acht oder zehn Tage lang diese Aufgabe in die Hand nehmen und meistern können, dann glaube ich schon, dass hier eine Gratwanderung vorgenommen worden ist, die den Hochschulen in dieser Frage ein hohes Maß an Freiheit gibt, sie aber gleichzeitig auch in die Lage versetzt, diese Aufgaben der Selbstauswahl tatsächlich zu meistern.

Ich glaube, dass es bei diesem Gesetz nur Gewinner gibt. Es gibt Gewinner, weil wir die große Chance haben, die nach wie vor hohe Anzahl von Studienabbrechern zu reduzieren.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Das alles hat dann auch mit der Verkürzung der Studienzeit zu tun. Wir haben von Anfang an eine bessere Betreuungsmentalität, eine bessere Motivation zwischen den Studierenden und den Lehrenden. Vor allen Dingen – meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal –: Wir werden das erste Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland sein, das diese Selbstauswahl vornimmt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir folgen damit der Empfehlung des Stifterverbands. Ich bin davon überzeugt – ich kann das mit gutem Gewissen sagen –, dass dies einen weiteren Schritt in der Hochschulreformpolitik Baden-Württembergs darstellt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Theurer FDP/DVP: Vorreiter!)

Das Wort erhält Frau Abg. Bauer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Landesregierung die Vergabe von Studienplätzen aus dem bisherigen bürokratischen und anonymen Verfahren herauslösen. Das Recht der Hochschulen zur Selbstauswahl ihrer Studierenden soll damit verbessert werden. So ist es zumindest auf dem Papier zu lesen.

Meine Damen und Herren, ich bin auch für einen direkten Hochschulzugang. Ich bin dafür, dass Studierende und Hochschule mehr Auswahlrechte bekommen, weil dies ein geeignetes Instrument sein kann, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Dadurch ist mehr Profilbildung in der Lehre möglich; es ist mehr Wettbewerb um Studierende möglich und dadurch eine bessere Lehre.

Aber so, wie die Landesregierung dieses Vorhaben umsetzen will, muss man befürchten, dass sie genau das Gegenteil bewirken wird. Bei der Diagnose, woran die Hochschule krankt, sind wir uns durchaus einig. Aber Sie verordnen dem Patienten die falsche Medizin, lieber Herr Frankenberg. Die Medizin, die Sie verabreichen, ist in ihrer therapeutischen Wirkung fraglich, sie ist für die Betroffenen immens teuer, und es ist mit erheblichen ungewollten Nebenwirkungen zu rechnen. Das will ich jetzt an ein paar Beispielen erläutern.

Erstens zur fraglichen Wirksamkeit: Der Erfolg von Selbstauswahlverfahren hängt von der Qualität des Auswahlprozesses ab. Die Instrumente müssen auf das jeweilige Fach abgestimmt sein, sie müssen auf die jeweilig auszuwählende Bewerbergruppe abgestimmt sein. Die Verfahren müssen sorgfältig durchgeführt werden. Die Auswählenden müssen auch qualifiziert sein. Das alles geht nur – das bestätigen Ihnen Fachleute aller Richtungen gerne –, wenn die Verantwortlichen vom Sinn dessen, was sie tun, selbst überzeugt

sind, wenn sie davon überzeugt sind, dass das, was sie tun, Nutzen und Gewinn bringt. Dafür ist Freiwilligkeit die allerbeste Voraussetzung.

Die Landesregierung macht aber genau das Gegenteil. Sie macht Selbstauswahl in allen Fächern mit lokalem NC zur Pflicht. Sie verordnet hochschuleigene Eignungsfeststellungsverfahren für eine nicht absehbare Zahl neuer oder geänderter Studiengänge. Sie macht jede Menge Vorschriften im Detail, nach welchen Kriterien und mit welchen Methoden vor Ort die Verfahren vonstatten gehen müssen.

Dabei redet die Landesregierung, Herr Minister Frankenberg, sehr gern von der Stärkung der Hochschulautonomie. Es wird gern dafür geworben, dass die Politik weg von der Inputsteuerung und hin zur Outputsteuerung kommen muss, also weg von den Vorgaben im Detail hin zur Festlegung der Ziele.

Der vorgelegte Gesetzentwurf macht genau das Gegenteil. Sie verordnen Verfahren und reglementieren im Detail. Deshalb prophezeie ich Ihnen: Damit werden Sie in den Hochschulen nicht höchste Qualität, sondern Dienst nach Vorschrift ernten. Schade eigentlich, finde ich. Schade eigentlich, Herr Minister Frankenberg, dass Sie ein Reformstrickmuster übernehmen, das wir eher aus dem Hause Schavan kennen.

(Abg. Rückert CDU: Ha no!)

Nach dem Motto „Alles Gute kommt von oben“ werden die Maßnahmen von oben übergestülpt, und die Akteure vor Ort werden zu Vollzugsinstrumenten des ministeriellen Reformwillens.

(Abg. Seimetz CDU: Überhaupt keine Ahnung!)

Damit werden Sie in den Hochschulen denselben Reformfrust auslösen, den wir von den Schulen kennen, wie ihn Ihre Kollegin produziert.

(Abg. Pfisterer CDU: Das glauben wir nicht!)

Wir werden sehen.

(Abg. Seimetz CDU: Sie weiß gar nicht, wie eine Schule aussieht!)

Herr Frankenberg, ich finde, dieser Gesetzestext ist ein hochschulpolitischer Rückfall in die Siebzigerjahre.

Zum zweiten Kritikpunkt: Diese Verfahren werden die Betroffenen teuer zu stehen kommen. Die Landesregierung stellt in ihrem Gesetzentwurf lapidar fest: Der zusätzliche finanzielle und zeitliche Aufwand sei von den Hochschulen selber zu tragen. Der Aufwand ist tatsächlich beträchtlich. Dieser Gesetzentwurf wird deshalb nicht umsonst von den Hochschulen selbst als Zumutung empfunden. Wen kann das wundern?

Wir müssen uns auch nicht wundern, wenn als Folge dann im Wesentlichen 08/15-Auswahlverfahren zustande kommen werden, die nach der Devise durchgeführt werden, den geringsten Aufwand zu verursachen. Sie werden aber fachlich ungenügend sein.

Den Weg zur Stärkung der Selbstauswahl könnte man auch anders beschreiten. Entlassen Sie doch die Hochschulen endlich in die Selbstständigkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Überlassen Sie es den Hochschulen, in welchem Umfang, für welche Studiengänge und mit welchen Instrumenten Auswahlverfahren durchgeführt werden sollen. Die Politik kann sich gut und gerne darauf beschränken, Qualitätsstandards festzulegen. Sie muss durch eine verbindliche Erfolgskontrolle dafür sorgen, dass sie auch eingehalten werden.

Wir haben als Grüne entsprechende Änderungsanträge in die Beratungen im Wissenschaftsausschuss eingebracht. Heute legen wir noch einmal die beiden wesentlichen Änderungsanträge vor. Zum einen: Wir wollen anstatt der Pflicht das Recht zur Auswahl. Zum anderen: Wir wollen die Verpflichtung zur Evaluation des Selbstauswahlverfahrens.

Unseren Anträgen wurde im Ausschuss nicht zugestimmt. Sie wollen nicht von der Detailsteuerung abgehen. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie dann wenigstens der Evaluation zu, um zu schauen, ob die Verfahren die von Ihnen gewünschte Wirksamkeit zeigen und ob das ganze Unternehmen überhaupt erfolgreich ist.

Zum Schluss noch zwei Bemerkungen zu den ungewollten Nebenwirkungen dieses Vorhabens: Sie schnüren ein sehr enges Korsett an Vorgaben und scheren damit alles über einen Kamm. Ausländische Bewerber haben dieselben Verfahren zu durchlaufen wie inländische Bewerber. Das baden-württembergische Konzept der Kernfächer im Abitur muss für alle besonders berücksichtigt werden. Die Auswahlverfahren vor Ort hat die Uni Konstanz genauso durchzuführen wie die Uni Heidelberg. Obwohl alle Praktiker genau davor warnen: Gerade die Auswahlverfahren vor Ort sind für ausländische Bewerber kaum zu bewältigen. Schon das Verfahren bei den Heidelberger Juristen hat gezeigt, dass Anreisewege von mehr als 150 Kilometern nicht in Kauf genommen wurden. Deshalb gehe ich davon aus, dass das, was Sie betreiben, zu mehr Provinzialismus anstatt zur viel beschworenen Internationalisierung führen wird.

(Beifall bei den Grünen)

Sie öffnen mit dem Gesetzesvorhaben darüber hinaus eine Hintertür zu einer noch viel weiter reichenden Veränderung des Hochschulzugangs. Durch den Genehmigungsvorbehalt bei den neuen und geänderten Studiengängen können Sie künftig Eignungsfeststellungsprüfungen erzwingen. Werden diese Eignungsfeststellungsprüfungen nicht bestanden, können Studienplätze frei bleiben. Mit anderen Worten: Vorhandene Kapazitäten müssen nicht mehr voll ausgeschöpft werden. Damit schlagen Sie tatsächlich ein neues Kapitel auf und verabschieden sich vom Prinzip des freien Hochschulzugangs. Dazu kann ich Ihnen sagen: An dieser Stelle haben Sie unseren entschiedenen Widerspruch.

Im Übrigen überlassen Sie gerade bei diesem Schritt das damit verbundene juristische Risiko den Hochschulen selbst. Das ist ein bemerkenswertes Verständnis von Hochschulautonomie, finde ich.

Wir Grünen lehnen aus all den genannten Gründen den vorliegenden Gesetzentwurf ab.