Lieber Herr Sakellariou, ich darf hinzufügen, dass dieser besondere Einsatz des Justizministers insbesondere auch dem Strafvollzug gegolten hat. Denn der Strafvollzug war früher einmal ein bisschen das Stiefkind. Unter einem Justizminister Goll war er kein Stiefkind, sondern es war ihm ein großes Anliegen, sich für den Strafvollzug einzusetzen.
Wenn ich das feststelle, dann steht das in gar keinem Widerspruch zu dem Hinweis, dass auch ich der Meinung bin, dass es im Strafvollzug in Baden-Württemberg noch Problemstellungen gibt, insbesondere im Hinblick auf die quantitative personelle Ausstattung. Wie üblich – das gehört ein bisschen zur Opposition –
haben Sie da dick aufgetragen. Ich stehe aber nicht an, unumwunden zu erklären, dass die Situation der Bediensteten im allgemeinen Strafvollzug in diesem Punkt nicht befriedigend ist. Allerdings hat es in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Verbesserungen gegeben – Sie haben schon auf einige hingewiesen –, die große Kraftanstrengungen erforderlich gemacht haben. Ich gehe davon aus, dass Sie, Herr Justizminister, nachher die Gelegenheit wahrnehmen werden, das noch einmal im Einzelnen aufzuführen.
Ich will das hier nur noch einmal stichwortartig mit der Nennung von Überschriften machen. Ich verweise auf das Haftraum-Schnellbauprogramm. Das ist ein sehr kostspieliges Programm für die Schaffung von 480 dringend benötigten neuen Haftplätzen. In Offenburg soll eine Justizvollzugsanstalt mit 240 Plätzen gebaut werden. Noch in diesem Jahr sollen die Weichenstellungen für ein neues Justizvollzugskrankenhaus vorgenommen werden. Auf dem Hohenasperg gäbe es dann weitere Möglichkeiten für Therapieplätze.
Ich verweise vor allem auf das, worauf Sie, Herr Zimmermann, auch schon verwiesen haben, nämlich darauf, dass seit 1999 die Beförderungsstruktur unter den Sparzwängen, die schon damals gegolten haben, im allgemeinen Vollzugsdienst und auch im Werkdienst kontinuierlich verbessert worden ist. Nur Baden-Württemberg und Bayern haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, hier günstigere als die bundesgesetzlich vorgegebenen Stellenobergrenzen festzusetzen. Es gab 874 zusätzliche schnellere Beförderungen. Jeder Dritte konnte schneller befördert werden. Wo sonst gibt es das? Jedenfalls in keinem SPD-geführten Bundesland.
Für Vollzugsdienstleister in den größeren Anstalten wurden 13 zusätzliche A-11-Stellen geschaffen. Das alles ist von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Strafvollzug und auch von den berufsständischen Organisationen anerkannt worden und erhöht natürlich die Motivation. Diese Stellenanhebungen waren auch notwendig. Denn wir müssen einfach wissen: Für die meisten Mitarbeiter im mittleren Dienst ist es bei A 9 zu Ende. Es gibt Leute im Werkdienst, die eine Meisterprüfung abgelegt haben, die 25 Jahre lang nach A 9 vergütet werden und auch mit A 9 in den Ruhestand treten werden. Wenn sie dennoch motiviert sind – das habe ich bei den Gesprächen feststellen können –, dann kann ich nur sagen: Hut ab und große Anerkennung!
Weitere Verbesserungspunkte nenne ich jetzt nur im Stakkato. Wir sollten sie aber in Erinnerung bringen, und auch der Justizminister sollte den Eindruck haben, dass nicht nur er es weiß, sondern dass es auch angekommen ist. „Schwitzen statt Sitzen“ entlastet den Justizvollzug, externe Suchtberatung und Suchttherapie für 800 Gefangene entlastet auch den Justizvollzug. Wir haben ein breit gefächertes Leistungsangebot bei Bildung und Ausbildung – da sind wir vorbildlich –, und mit den 450 Bediensteten im Werkdienst haben wir prozentual einen doppelt so hohen Anteil wie der Bundesdurchschnitt. Natürlich sind Sinn stiftende
Wir sind glücklicherweise – ohne dass wir uns immer auf die Schulter klopfen müssen; aber das darf man doch auch einmal sagen – in Baden-Württemberg stolz darauf, dass wir das haben; und das soll auch so bleiben.
Das gilt auch für den Bereich des Jugendstrafvollzugs: Sie kennen das „Projekt Chance“. Ein weiteres Projekt soll folgen. Wir sind dem Justizminister sehr dankbar, dass er all das angepackt hat.
Damit will ich, wie gesagt, nicht davon ablenken, dass wir zusätzliche Stellen im allgemeinen Justizvollzug für erforderlich halten. Auf die Zahl der Überstunden ist hingewiesen worden: 77 Überstunden pro Beamten im Durchschnitt sind einfach zu viel. Für das Schnellbauprogramm hätte man 60 neue Stellen gebraucht. Unter dem Sparzwang sind 40 Stellen eingesetzt worden. Der Justizminister hat meines Erachtens richtigerweise entschieden, die 40 Stellen, wenn man schon zusätzliche globale Minderausgaben hat, lieber bei der Verwaltung – das ist auch nicht leicht, – aber nicht bei den Vollzugsbeamten einzusparen.
Dass die Arbeitsgruppe „Sicherung im Strafvollzug 2000“ weitere Stellen vorgeschlagen hat, wissen wir alle. Es wäre auch schön, wenn es dazu kommen könnte. Derzeit steigt auch die Zahl der Häftlinge weiter. Die Gefangenenpopulation – das wissen wir – wird schwieriger. Denken wir an die Russlanddeutschen, die natürlich schon Organisationen aufbauen.
Da ich mein Amt, wenn ich es schon einmal übertragen bekommen habe, auch richtig ausfüllen möchte, habe ich natürlich, wie sich das gehört und wie das die Kollegen auch machen, bei den Besuchen in den Strafvollzugsanstalten mit den Anstaltsleitern, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, den Personalräten und den Insassenvertretern gesprochen. Ich kann auch nur feststellen und möchte es an dieser Stelle auch sagen: Es ist bemerkenswert und bewundernswert, was da trotz der genannten Schwierigkeiten an Motivation und Einsatzbereitschaft der Bediensteten zutage tritt. Das verdient unseren Dank.
Dieser Einsatzbereitschaft, meine Damen und Herren, haben wir es zu verdanken, dass wir glücklicherweise – das kann gar nicht abgesprochen werden – in unseren Justizvollzugsanstalten eine sehr gute Sicherheitslage haben. Ich möchte geradezu darum bitten, weil ich nicht zu lange reden will, dass wir nachher, etwa was die Ausbruchssituation anbelangt, vielleicht auch noch etwas vertiefend dazu hören können.
Durch all die Gespräche zieht sich aber wie ein roter Faden hindurch: Außer der vorbildlichen Resozialisierungsarbeit bei Arbeit und Ausbildung möchte man noch mehr tun, ins
besondere beim sozialen Training und bei Wiedereingliederungshilfen. Natürlich erfordert diese homogene gefährliche Gruppe der Russlanddeutschen, dass man verstärkte Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen durchführt. Dazu braucht man wieder mehr Personal.
Fazit: Meine Damen und Herren, was in erster Linie fehlt, das sind keine Gesamtkonzepte. Das ist auch nicht die Forderung nach Konzepten. Es fehlt auch nicht an gutem Willen oder an Einfallsbereitschaft. Was fehlt, ist, ganz prosaisch ausgedrückt: Es wäre schön, wenn man für zusätzliche Personalstellen etwas mehr Geld hätte. Das ist der einzige Punkt.
Nun haben wir vorhin bei der Diskussion gehört, dass es leichter ist, Geld zu fordern, als es bereitzustellen. Wenn wir, wie wir gehört haben, einzusparen haben, dann bin ich nicht so blauäugig, mich hinzustellen und zu sagen: Wir brauchen einfach mehr Geld. Das tue ich nicht. Und ich denke, Sie von Rot-Grün – ich drücke mich da zurückhaltend aus –, die Sie über Ihre Politik in Berlin zu der derzeitigen Wirtschaftsund Finanzmisere eigentlich leider einen wesentlichen Beitrag leisten, sollten sich mit solchen Forderungen nach mehr Personal eben auch zurückhalten.
Wenn in Berlin der Blanke Hans herrscht und wir die Länder und die Kommunen zum Deichbau auffordern, damit wir nicht vollends absaufen, muss man sich mit solchen zusätzlichen finanziellen Forderungen in Gottes Namen zurückhalten, sonst macht man sich unglaubwürdig.
Was wir aber glaubwürdig tun können, ist, dass wir gerade bei Finanzschwierigkeiten strukturelle Prioritäten setzen. In diesem Sinne will ich für den Strafvollzug abschließend noch eine Lanze brechen. Zwei Bereiche, meine Damen und Herren, werden von den Koalitionsfraktionen der Landesregierung prioritär behandelt: Das sind die Bildungspolitik und das Gebiet der inneren Sicherheit. Zur Bildungspolitik brauche ich hier nichts zu sagen, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir für den Bereich der inneren Sicherheit davon auszugehen haben, dass angesichts einer ständig steigenden Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft – das ist ein weltweites Phänomen: da steigt die Gewaltbereitschaft weiter – das Sicherheitsbedürfnis der Bürger steigen wird und innere Sicherheit auch immer mehr zu einem wichtigen Standortfaktor auch im internationalen Wettbewerb werden wird.
Wir haben in der Bildungspolitik und bei der inneren Sicherheit zugleich die Handlungsspielräume, die man den Landesparlamenten oft abstreitet; aber da haben wir sie. Deshalb möchte ich, meine Damen und Herren, noch einmal betonen – das sagt ja auch die Große Anfrage, da hat sie Recht –: Zur inneren Sicherheit gehören nicht nur die Polizei und die Recht sprechende Justiz, sondern dazu gehört auch
ein funktionierender, für ausreichende Sicherheit sorgender Strafvollzug. Das Thema Resozialisierung der Gefangenen ist nicht nur eine rechtsethische Frage des Strafzwecks, sondern es ist zugleich immer auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit bedeutsam, wen wir da wieder auf die Menschheit loslassen – wenn ich es einmal so formulieren darf.
etwa auch in der Frage der nachfolgenden Sicherungsverwahrung. Dass hier kritisch abgewogen werden muss, weiß ich auch. Aber ich will, was die nachfolgende Sicherungsverwahrung anbelangt, keinen Hehl aus meiner Meinung machen, dass ich mich auch in Zukunft dafür einsetzen werde, dass die vom Justizminister eingeschlagene Linie auch beibehalten wird.
Eine freie Lebensgestaltung – lassen Sie mich das abschließend sagen – nicht nur in äußerer, sondern auch in innerer Sicherheit zu ermöglichen, ist ein zutiefst liberales Anliegen.
Zu dieser Sicherheit gehören eine gut funktionierende Polizei, eine Justiz und – untrennbar miteinander verbunden – ein gut funktionierender Strafvollzug.
Wir wollen uns dafür einsetzen, dass das auch in Zukunft so bleibt, um auch weiterhin mit Fug und Recht sagen zu können, dass Baden-Württemberg eines der sichersten Bundesländer, wenn nicht sogar das sicherste Bundesland in Deutschland ist.
(Beifall des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Oel- mayer GRÜNE stellt das Rednerpult tiefer. – Abg. Zimmermann CDU: Runter damit!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte mit den Internetseiten beginnen, die das Justizministerium zum Thema Justizvollzug in das Internet eingestellt hat.
Da heißt es zunächst einmal – und zwar zu Recht –, dass Strafgefangene nach dem Strafvollzugsgesetz im Vollzug der Freiheitsstrafe fähig werden sollen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.