Protocol of the Session on November 14, 2002

Das macht die Situation bei dem Reformgeist deutlich.

(Abg. Fischer SPD: Solche Ausführungen, Herr Kollege, die sind ein Problem!)

Nein, die sind kein Problem, denn sie stellen die Situation einmal ins richtige Licht und zeigen, welche kommunalfeindliche Politik Sie in Berlin gestalten. Das ist der falsche Weg, was das Grundsicherungsgesetz angeht, auch ordnungspolitisch betrachtet. Der Vorrang der Eigenvorsorge und der Eigenverantwortung wird mit Füßen getreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. La- sotta CDU: Das ist es!)

Vernünftige Sozialpolitik, meine Damen und Herren, hat schon immer Subsidiarität und Eigenverantwortung bedeutet. Das findet aber in diesem Grundsicherungsgesetz nicht mehr statt. Sie mögen vielleicht darauf verweisen, dass die Menschen mit Behinderung besser gestellt sind. Dazu haben Sie, bevor Sie in der Regierungsverantwortung waren, immer gesagt: Wir brauchen ein eigenes Leistungsgesetz. Jetzt waren Sie vier Jahre in der Regierungsverantwortung und bringen ein stümperhaftes Grundsicherungsgesetz,

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP)

das nicht dem Anspruch der Behinderten gerecht wird.

(Abg. Teßmer SPD: Die eigenen Leute sind begeis- tert!)

Meine Damen und Herren, Bayern hat eine Bundesratsinitiative eingebracht. Ich hoffe, dass sie Erfolg hat und das Grundsicherungsgesetz am 1. Januar 2003 überhaupt nicht in Kraft tritt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Lasotta CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Haußmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Grundsicherung ist es, älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Menschen eine materielle Existenzgrundlage für eine würdige Lebensführung zu schaffen,

(Abg. Alfred Haas CDU: Zulasten der Kommunen!)

ohne dass es zu dem bisher üblichen Unterhaltsrückgriff auf die unterhaltspflichtigen Angehörigen – in der Regel sind das ja die Kinder gewesen – kommt. Das entscheidende Novum der Grundsicherung gegenüber der Sozialhilfe ist, dass ihre Leistungen unabhängig vom Einkommen der Angehörigen sind, sofern dieses unter 100 000 € liegt.

In Baden-Württemberg bezogen im Jahr 1999 insgesamt rund 16 300 Menschen über 65 Jahre Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei all diesen Personen wurde bisher von den Sozialämtern geprüft, ob die Angehörigen zum Unterhalt herangezogen werden können. Dies entfällt künftig weitgehend – Gott sei Dank –, das heißt, ältere Menschen können bei geringeren Alterseinkünften Ansprüche geltend machen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Angehörigen zum Unterhalt herangezogen werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Viele Menschen scheuten genau aus dieser Furcht heraus bisher den Gang zum Sozialamt, weil sie nämlich befürchtet haben, dass ihre Kinder dann zur Unterhaltssicherung herangezogen werden. Aufgrund dessen haben wir eine hohe Zahl von Menschen in verschämter Altersarmut.

Die bedarfsorientierte Grundsicherung ist deshalb ein ganz wichtiger sozialpolitischer Fortschritt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und es ist erfreulich, dass die Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl auch darüber entschieden haben, dass die Pläne der Union, diesen sozialpolitischen Fortschritt wieder rückgängig zu machen, nicht verwirklicht werden, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine Damen und Herren, die bedarfsorientierte Grundsicherung wird nicht zu den behaupteten Mehrbelastungen der Kommunen führen.

(Unruhe bei der CDU)

Die Kampagne der CDU und die Kampagne der CDU-Landräte gegen dieses Gesetz sind deshalb vordergründige Parteipolitik auf dem Rücken der Betroffenen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Der Bundesgesetzgeber geht davon aus, dass die bedarfsorientierte Grundsicherung durch den Wegfall des Unterhaltsrückgriffs gegenüber der bisher gezahlten Sozialhilfe bei den Städten und Gemeinden bundesweit zu Mehraufwendungen in Höhe von 409 Millionen € pro Jahr führen wird.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Diesen Betrag stellt der Bund den Kommunen im Rahmen der Kostenerstattung nach dem Wohngeldgesetz in voller Höhe zur Verfügung.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Auf Baden-Württemberg entfallen davon rund 32 Millionen €

(Abg. Alfred Haas CDU: Da müssen Sie selber la- chen!)

ich lache deshalb, weil Sie, Herr Haas, es wohl nie lernen –, und zuständig für die Verteilung dieser Mittel auf die Kommunen ist das Land. Ein Landesausführungsgesetz wird ja derzeit von der Landesregierung vorbereitet.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Landräte und CDU behaupten, dies reiche nicht aus und die Kosten lägen tatsächlich künftig viel höher.

(Zurufe der Abg. Ursula Lazarus und Zimmermann CDU)

Diese Behauptung ist aber bisher durch überhaupt nichts belegt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf der Abg. Ursula Lazarus CDU)

Grundlage des Erstattungsbetrags des Bundes in Höhe von 409 Millionen € ist eine Schätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

auf der Basis der Sozialhilfestatistik und anderer Sonderauswertungen und Erhebungen, wonach sich die Mehrausgaben zwischen 470,6 Millionen und 790,5 Millionen DM bewegen werden. Der Erstattungsbetrag – Sie haben es vernommen – liegt somit über dem oberen Rand der Schätzung.

Und selbst für den Fall, dass die Kosten ab 2003, wie hier vollmundig propagiert wurde, tatsächlich höher liegen sollten, hat die Bundesregierung dafür Sorge getragen, liebe Kollegen von der CDU, dass es zu keinen Mehrbelastungen für die Kommunen kommt. Denn es wurde festgelegt, dass die Höhe des Erstattungsbetrags alle zwei Jahre – und das wird erstmals am 31. Dezember 2004 erfolgen – bei Abweichungen, die mehr als 10 % betragen, entsprechend anzupassen ist.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Die Behauptung, das Grundsicherungsgesetz führe zu Mehrbelastungen der Kommunen, ist also durch überhaupt nichts zu belegen.

(Abg. Alfred Haas CDU: Selbstverständlich!)

Und selbst dann, wenn die Kosten höher liegen als von der Bundesregierung geschätzt, ist gesetzlich sichergestellt, dass der Bund den Kommunen über die Länder diese Mehrkosten erstattet. Die SPD-Fraktion wird deshalb dem Landesausführungsgesetz zur bedarfsorientierten Grundsicherung zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Budgets sind immer schlecht; auch diese Budgetregelung ist schlecht. Dieses Thema würde eigentlich eine ausführlichere Behandlung verdienen, aber ich habe leider nur 3 Minuten Redezeit.

(Heiterkeit)

Erster Punkt: Auch wir Liberalen sind für die Bekämpfung der verschämten Altersarmut.

(Beifall des Abg. Hofer FDP/DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Aber!)

Auch wir Liberalen sind für die Sicherung eines selbstbestimmten Lebens für Menschen mit Behinderungen und für die Entlastung der Eltern.