Protocol of the Session on November 13, 2002

Wenn unsere heutige Debatte dazu beitragen würde, dass das Bewusstsein über die gesetzlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen, über die wir natürlich zu diskutieren haben, in der Gesellschaft, in der Wirtschaft, aber auch bei den jungen Leuten ein Stück weit befördert wird, dann hätte sich dieser erste Landesfrauenplenartag in der Tat gelohnt.

Letzte kleine Anmerkung: Es gibt einen Bereich, in dem Gender Mainstreaming meiner Meinung nach auch eine wichtige Rolle zu spielen hat, der heute überhaupt nicht angesprochen worden ist. Das ist der Bereich der Integrationspolitik für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich sage das in großem Ernst, denn ich bekomme mit, dass die bei Ausländern häufig vorhandene andere kulturelle Sicht der Rolle einer Frau bei jungen Frauen ganz praktisch zu Problemen führt. Wir müssen überhaupt nicht mit dem Finger auf andere Kulturen zeigen. Ich darf nur an die Rolle der Frau in der Kirche erinnern, wo der Frau im Wesentlichen eine dienende und eine schweigsame Rolle zugewiesen wurde – nicht überall, aber im Wesentlichen. Wir haben eine

jahrhundertelange Entwicklung durchgemacht. Aber gerade darum ist es wichtig, wenn wir Integration ernst nehmen, auch da diesen Gender-Mainstreaming-Ansatz – die Sprache ist wichtig, aber auch das Verständnis der Rolle von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft – verstärkt zu thematisieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Walter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! – Frau Präsidentin, Entschuldigung!

(Heiterkeit – Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Birk CDU: Setzen! Sechs! – Abg. Pfister FDP/DVP: Hin- setzen! Schon verloren! Sechs! – Abg. Seimetz CDU: So fängts an!)

Ja, ja! Das liegt daran, dass es jahrezehntelang versäumt wurde, Frauen in diese Ämter zu bringen. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier.

Meine Damen und Herren, lieber Kollege Oettinger, nichts hat konservative Männer so hart getroffen wie grüne Frauenpolitik.

(Abg. Dr. Birk CDU: Was?)

Wann immer ich mich in den letzten zwei Jahrzehnten, in denen ich grüne Politik mache, mit konservativen Männern unterhalten habe,

(Abg. Oettinger CDU und Abg. Pfister FDP/DVP: Meinen Sie Rezzo?)

wurde ich mit Sprüchen konfrontiert: „Was ihr so leistet, beispielsweise im Umweltschutz, ist ja alles ganz prima. Aber eure Weiber, wenn ich mir die anschaue, was die wollen!“

(Abg. Pfister FDP/DVP: Rezzo hat das gesagt! Das kam von Rezzo! – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Was ist das für ein Ausdruck: „Weiber“?)

Das waren immer die Sprüche. Ich kann Ihnen sagen, diese Aussagen haben mich nicht verwundert.

(Abg. Dr. Birk CDU: Rezzo ist ein Macho!)

Jetzt lasst mich doch mal reden! Der Rezzo ist in Berlin, er ist Staatssekretär, und wenn du dich mit ihm treffen willst, gebe ich dir seine Nummer.

Meine Damen und Herren, es ist kein Wunder, dass konservative Männer so reagieren. Gleichberechtigung ist für viele ein Angriff auf ihre Lebenseinstellung, auf ihr Lebensgefühl und auf ihre Lebensführung. Jahrzehnte, ja Jahrhunderte alte Lebensformen wurden angegriffen und wurden – Gott sei Dank – zum Teil auch verändert. Für manche Männer – man trifft sie ja immer wieder – ist schon das Führen eines Doppelnamens ein Angriff auf ihr Leben.

Deswegen, meine Damen und Herren, ist es gut, dass sich da etwas verändert hat. Das liegt auch daran, dass es Män

ner viel zu lange gewohnt waren, dass die Frauen zu Hause sind und sich um Haus und Kinder kümmern, und zwar egal, ob sie selbst unterwegs oder zu Hause sind. Frauen hatten sich in jedem Fall um die Erziehung und um Haus und Hof zu kümmern.

Männer – das ist ein weiterer Punkt, den man hier ansprechen muss – waren dazu erzogen, möglichst mehr oder weniger hart zu sein. Man muss sich einmal anschauen, wie die Generation meines Vaters nach dem Krieg nach Hause gekommen ist: Die Männer waren emotional völlig verkümmert. Es war für sie vor diesem Hintergrund einfach schwierig, sich plötzlich Fragen wie der zu öffnen, ob es eine Art Gleichberechtigung nicht nur im Beruf, sondern auch zu Hause gibt.

Deswegen war es für diese Männer besonders gefährlich, als eine Partei wie die Grünen kam und Gleichberechtigung und ähnliche Themen auf die Tagesordnungen im Parlament und in der politischen Diskussion setzte. Vielleicht können sich manche von Ihnen noch daran erinnern, wie es war, als die Grünen 1983 in den Bundestag kamen und in diesem Parlament zum ersten Mal darüber diskutiert wurde, was Diskriminierung von Frauen bedeutet. Ich kann mich noch an das Feixen der konservativen Männer und an die dummen Zwischenrufe, meistens auch noch anzüglicher Art, erinnern.

Meine Damen und Herren, das ist gerade 20 Jahre her. Das zeigt, welch weiten Weg wir hinter uns haben, und es zeigt auch, wie weit wir schon gekommen sind. Aber man muss an dieser Stelle einfach festhalten: Es ist die historische Leistung der Grünen, dass sie es geschafft haben, dieses Thema auf die Agenda zu setzen. Es ist die historische Leistung der Grünen, dass es in Deutschland zur Frauenquote kam. Oft wurde sie gescholten, auch von grünen Männern, mittlerweile übrigens auch von jungen grünen Frauen. Aber die Quote war der Wegbereiter für viele Frauen, die wir heute an den Hochschulen, in leitenden Positionen an den Schulen, in der Politik oder in der Verwaltung finden. Meine Damen von der CDU, manche von Ihnen würde heute vielleicht nicht hier sitzen, wenn nicht die Grünen dieses Thema aufgegriffen hätten.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Behringer CDU: So ein Quatsch! – Widerspruch bei der CDU)

Dass da gerade Ernst Behringer einen Zwischenruf macht, finde ich schon bemerkenswert. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist aber auch, dass die FDP in dieser Frage wieder einmal hinterherhinkt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja wo, was, wie, wann, wa- rum?)

Vielleicht liegt das einfach daran, dass man dann, wenn man Männern wie Herrn Möllemann und Herrn Westerwelle huldigt, die Frauenfrage vielleicht etwas hintanstellt und für sie kein Bewusstsein hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/ DVP: Was werfen Sie uns jetzt vor? – Weitere Zu- rufe von der FDP/DVP)

Herr Kollege Pfister, ich werfe Ihnen gar nichts vor.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Dann lesen Sie weiter!)

Ich habe Ihnen nur die Namen der Typen genannt, die auf Bundesebene in der FDP etwas zu sagen haben.

Es gibt noch viel zu tun, und deswegen sind die Erfolge, die ich beschrieben habe, überhaupt kein Grund, sich zurückzulehnen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch blöde Polemik und sonst gar nichts!)

Schauen Sie sich das Landeskabinett an, Herr Kollege Pfister. Den Ministerpräsidenten, der doch gesagt hat, dass er bei allen wichtigen Debatten im Hause sei, haben wir heute Morgen noch gar nicht gesehen.

(Abg. Oettinger CDU: Er ist in Berlin! – Weitere Zu- rufe von der CDU)

Man hat immer eine Ausrede, wenn man bei Frauenpolitik nicht anwesend ist.

(Widerspruch bei der CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Dummes Zeug!)

Der stellvertretende Ministerpräsident ist auch nicht da. Das zeigt doch genau den Stellenwert, den die Frauenpolitik in der Landesregierung hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Oettin- ger CDU: Wo ist denn Kretschmann?)

Er war den ganzen Vormittag da und ist kurz hinausgegangen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Döring war auch den gan- zen Vormittag da!)

Offensichtlich trifft euch das hart; offensichtlich habt ihr da eine offene Flanke.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Billige Polemik! – Abg. Oet- tinger CDU: Ein Schauspiel! – Abg. Birzele SPD: Getroffene Hunde! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich möchte gern fortfahren.

Einer der zentralen Punkte aus meiner Sicht ist – das ist an dieser Stelle schon gesagt worden; man kann es aber nicht oft genug sagen –, dass Frauen für dieselbe Arbeit auch dieselbe Bezahlung wie Männer bekommen müssen. Das ist ein ganz zentraler Punkt. Frauen müssen künftig auch in Führungspositionen besser berücksichtigt werden.

Da aber haben, wie Sie in der Stellungnahme des Sozialministeriums zu dem Antrag Ihrer Fraktion nachlesen konnten, Herr Kollege Oettinger, speziell die Ministerien einen enormen Nachholbedarf. 43 % der Erwerbstätigen sind weiblich, aber nur 16 % der Führungspositionen sind mit Frauen besetzt. Diese Zahlen sagen doch schon alles. In der Stellungnahme zu dem CDU-Antrag heißt es auch noch: je höher die Besoldungsgruppe, desto geringer der Frauenanteil. Deutlicher, meine Damen und Herren, kann man es nicht sagen.

Als dritten Punkt möchte ich nennen: Geschlechtergleichstellung funktioniert nur, wenn wir es schaffen, eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten. Denn wir dürfen uns nichts vormachen, Kollege Noll: Auch heute

noch liegt die Hauptlast der Erziehung bei den Frauen. Das hat auch mit der oft geringeren Bezahlung zu tun und damit, dass sie in Berufen sind, in denen es schwierig ist, wenn man sich dann entscheiden muss: Macht der Mann Erziehungsurlaub oder die Frau? Dann entscheidet man sich eben, dass die Frau das tut.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)