Protocol of the Session on October 17, 2002

Ich darf die außerordentlich gute Rede, die der heutige Staatssekretär, Herr Kollege Rech, in der 45. Plenarsitzung der vergangenen Legislaturperiode gehalten hat, heute mit einbeziehen und mir zu Eigen machen.

Wir gehen davon aus, dass in jeder Legislaturperiode ein solcher Gesetzentwurf kommt. Damit muss man sich dann befassen. Das tun wir auch dieses Mal.

(Abg. Bebber SPD: Das tun Sie gerade nicht, sich damit befassen! Sie schieben ihn weg! Sie befassen sich gerade nicht damit!)

Ich will zwei Punkte ansprechen, die mir als Verfassungsminister wichtig sind.

(Abg. Bebber SPD: Sie befassen sich doch gar nicht mit dem Gesetzentwurf! Sie schieben ihn arro- gant weg! – Abg. Zeller SPD: Sie lernen nicht dazu! – Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Herr Birzele wird uns auch in der nächsten Legislaturperiode wieder den gleichen Gesetzentwurf bringen – oder dann einen anderen, okay.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Zwei Punkte sind mir wichtig. Das eine ist: Herr Kollege Birzele, wir haben in unserer gemeinsamen Zeit in der großen Koalition die Landesverfassung in bestimmten Punkten verändert. Wir sollten die Verfassung aber nicht ständig verändern. Verfassungen sind auf Dauer angelegt und sollten so wenig wie möglich verändert werden.

(Beifall bei der CDU – Abg. Bebber SPD: Gestern wollte Reinhart die Verfassung ändern, um ein Rechtsstaatsprinzip auszuhebeln! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Den zweiten Punkt kann ich nur wiederholen, denn er ist schon in die Debatte eingeführt worden; Bürgerbeteiligung

haben wir schon gestern diskutiert: Es muss auf jeden Fall vermieden werden, dass Minderheiten Mehrheiten dominieren. Das wäre nämlich nicht mehr, sondern weniger Demokratie.

(Beifall bei der CDU – Abg. Rückert CDU: Das ist gut! – Abg. Ruth Weckenmann SPD: Bayerische Minderheit!)

In diesem Sinne wird diesem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, Herr Kollege Oelmayer, das Schicksal beschieden sein, das Sie heute schon vorhersehen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Glück FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Birzele.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst will ich dem Kollegen Theurer ein Kompliment machen, weil er den Gesetzentwurf – offensichtlich im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen von der CDU – sorgfältig gelesen hat. Er ist nämlich auf einen Übertragungsfehler gestoßen: Es fehlen die Worte „des Landtags“. Das konnten Sie natürlich unschwer erkennen, weil diese Regelung wortgleich der gegenwärtigen Bestimmung in Artikel 60 Abs. 3 der Landesverfassung entnommen ist.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Aber das wäre natürlich interessant gewesen!)

Die zweite Bemerkung, Herr Kollege Theurer: Sie sagten, wir hätten uns um eine interfraktionelle Initiative bemühen sollen. Das haben Sie wohl mehr als eine Scherzerklärung gemeint,

(Abg. Theurer FDP/DVP: Nein, ein konstruktiver Vorschlag!)

denn wie Sie den Ausführungen der CDU leider entnehmen konnten, besteht dort nicht die geringste Bereitschaft,

(Abg. Scheuermann CDU: Nein! – Zuruf von der CDU: So ist es!)

über Verfassungsänderungen auch nur nachzudenken. Herr Kollege Schäuble hat zu Recht daran erinnert, dass wir in der großen Koalition die Verfassung geändert haben. Das war ein langwieriger Prozess. Auch da waren wir selbstverständlich der Auffassung, dass die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid gesenkt werden sollten. Die CDU hat sich verweigert.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Da haben Sie Ihre Gren- zen gespürt!)

Natürlich ist es in unserem Land schlicht eine Tatsache: Gegen die CDU – genauso wie gegen die SPD – ist im Landtag keine Verfassungsänderung möglich. Deshalb werden wir mit unseren Initiativen selbstverständlich so lange kommen, bis sie realisiert sind.

(Beifall bei der SPD)

Dass wir wieder mit den gleichen Argumenten kommen, spricht doch nicht gegen die Argumente, sondern zeigt die Lernunwilligkeit und Lernunfähigkeit der CDU-Fraktion auf.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und Abgeordne- ten der Grünen – Lachen bei der CDU)

Diese Lernunwilligkeit wird manchmal durchbrochen. Ich erinnere daran, dass es in der letzten Legislaturperiode gelungen ist, nachdem die CDU es über viele Legislaturperioden abgelehnt hatte, den Tierschutz und die Förderung des Sports als Staatsziele in die Verfassung aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Schmiedel SPD: Bravo! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Birzele, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Blenke?

Bitte schön.

Herr Abg. Blenke, bitte.

Herr Kollege Birzele, würden Sie das Abweichen von Meinungen Ihrer Fraktion als Unfähigkeit bezeichnen?

(Unruhe)

Herr Abg. Birzele, Sie haben das Wort.

Ich bin jetzt nicht ganz mitgekommen; vielleicht stehe ich gerade auf einer Leitung.

(Abg. Fischer SPD: Auf dem Schlauch! – Abg. Beb- ber SPD: Das war eine schlechte Frage! – Abg. Al- fred Haas CDU: Immer stehen Sie auf der Leitung!)

Also, bei Ihren Zwischenrufen ist mir schon einmal etwas passiert. Da habe ich zu Ihnen, Herr Haas, gesagt: „Sie haben auch schon bessere Zwischenrufe gemacht!“ Dann hat Herr Kollege Döring gerufen: „Wann?“

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Große Hei- terkeit)

Dann musste ich zugeben: Mir ist nichts eingefallen.

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen)

Nun will ich zum Argument Bayern kommen: Es geht doch darum, von anderen Ländern, bei denen Systeme funktionieren, zu lernen – unabhängig davon, ob das nun in der bayerischen oder in der niedersächsischen Landesverfassung steht. Die bayerische Landesverfassung – das sollten Sie sich auch einmal ins Gedächtnis rufen – ist nicht allein von der CSU verabschiedet worden, sondern auch von der SPD.

Wir wollen keine Gesetzgebungsbefugnis der Minderheit. Das ist schlicht falsch, was Sie sagen. Wenn Sie dies auf die Zahl der Stimmberechtigten beziehen, dann haben Sie gegenwärtig eine Gesetzgebungsbefugnis der Minderheit, nämlich ein Drittel. Das ist eine Minderheit. Aber selbstverständlich gilt das demokratische Prinzip bei Abstimmungen:

Die Mehrheit entscheidet. Dies ist das richtige demokratische Prinzip.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Oelmayer GRÜ- NE und Theurer FDP/DVP)

Das Argument des Kollegen Schäuble, man solle die Verfassung nicht häufig ändern, ist völlig richtig. Hätten Sie sie aber bei der großen Koalition, in der Legislaturperiode von 1992 bis 1996, richtig geändert, dann hätten wir auf Jahrzehnte hinaus eine vernünftige Verfassung gehabt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Wer war denn da Innenminister?)

Nun die letzte Bemerkung. Überlegen Sie sich einmal – gerade bei der CDU –: Was für ein Menschenbild haben Sie?

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ja!)