Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle zunächst einmal die Frage, warum wir in Baden-Württemberg in der Zukunft FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete haben werden. Doch ganz einfach deswegen, weil die EU dem Land Baden-Württemberg über die entsprechende Richtlinie diese Vorschrift gemacht hat. Das Land selbst, also Sie von der Landesregierung, wären doch gar nicht auf den Gedanken gekommen, die betreffenden wertvollen Gebiete überhaupt unter Schutz zu stellen.
(Abg. Hauk CDU: Das ist doch nicht wahr! Die gibt es doch! Dann fragen Sie mal, warum es die über- haupt gibt!)
Wenn Sie nämlich sagen: „Die gibt es doch schon längst“, merkt man erst, was Sie darunter eigentlich verstehen. Ihnen wäre es nämlich am liebsten – deswegen auch diese dauernde Mär vom Vertragsnaturschutz; darauf werde ich nachher noch kurz eingehen –, wenn dieser Schutzstatus so ausgelegt werden könnte, dass sich an der derzeitigen Nutzung überhaupt nichts ändern müsste.
So verstehen Sie die Gebiete der Natura 2000. Aber es ist doch etwas ganz anderes gemeint. Nach dem Willen der EU sollen Gebiete unter ganz bestimmten Zielsetzungen des Artenschutzes ausgewählt werden, die in der Zukunft genau diesen von der EU zugewiesenen Zweck erfüllen sollen – deshalb auch das Verschlechterungsverbot.
Jetzt gehen wir einmal zu der Frage über: Was hat es mit dem so genannten Vorrang des Vertragsnaturschutzes auf sich? Es ist überhaupt nicht mit dem Landesnaturschutzgesetz vereinbar, immer nur vom Vertragsnaturschutz zu reden. Jetzt hören Sie doch einmal damit auf! Wir haben Naturschutzkategorien; sonst gäbe es keine Naturschutzgebiete. Das gilt auch für Herrn Minister Stächele; ich lese jetzt dauernd wieder in der Zeitung, dass er überall herumläuft und sagt: „Wir wollen nur Vertragsnaturschutz.“
Es ist doch so, dass es bestimmte ökologisch wertvolle Kerngebiete gibt, die unter strengeren Schutz gestellt werden müssen. Dafür hat man in der ganzen Bundesrepublik Deutschland Naturschutzkategorien – wir aber auch. Leider gibt es bei uns nicht wie in anderen Bundesländern die Kategorie Nationalpark/Biosphärenreservat. Das ist ein Mangel. Aber es gibt auch bei uns diese Schutzgebiete. Darüber hinaus brauchen wir weitere Kategorien, damit ein flächendeckender Naturschutz möglich ist. Hinzu kommen jetzt FFH- und Vogelschutzgebiete. Es kommen beispielsweise auch PLENUM sowie der Vertragsnaturschutz hinzu. Das Ganze ist ein Mix, und nur in der Kombination wird es sinnvoll. Deshalb: Hören Sie doch endlich einmal auf, den Bauern dauernd nachzuplappern: „Wir brauchen nur Vertragsnaturschutz in unserem Land.“
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Hauk CDU: Da kommt jetzt Ihre wahre Geis- teshaltung zum Ausdruck!)
Meine Damen und Herren, was mich an der ganzen Geschichte betroffen macht – denn im Prinzip handelt es sich nur um eine Formsache; auf dem Weg über die Bundesgesetzgebung wird in innerstaatliches Recht umgesetzt, was von der EU kommt –: Warum haben im Jahr 2001 alle drei Naturschutzverbände – Landesnaturschutzverband, NABU und BUND – Widerspruch bei der EU-Kommission eingelegt und gesagt, erstens sei die Liste der Gebiete, die vom Land Baden-Württemberg vorgeschlagen worden seien, nicht vollständig, zweitens sei nicht allein nach naturschutzfachlichen Kriterien ausgewählt worden und drittens sei die Gebietsliste für abgeschlossen erklärt worden, obwohl dies mit dem Geist der EU-Richtlinie überhaupt nicht übereinstimmt? Da muss man sich doch fragen, was hier eigentlich passiert ist.
Wir können darüber nicht froh sein. Ganz offensichtlich ist man den Weg des geringsten Widerstands gegangen und hat die Gebietskulisse so geschneidert, dass man möglichst mit niemandem einen Krach riskiert. So wurde es gemacht.
Ich frage Sie, Herr Minister Stächele: Was erwarten Sie jetzt? Die EU-Kommission setzt sich ja damit auseinander. Wenn jetzt als Antwort zurückkommt, dass bei der Gebietskulisse Baden-Württembergs Fehler vorhanden sind, was machen Sie dann? Wie wollen Sie das korrigieren, wenn Sie selbst erklärt haben, das sei abschließend?
Ich möchte heute nicht zu lange Ausführungen machen, denn es ist ein formaler Vorgang. Wir werden noch genügend Gelegenheit haben, über Naturschutz zu sprechen. Abschließend möchte ich aber sagen: Wenn sich Politiker der CDU hier hinstellen und verkünden, hier werde sehr viel für den Naturschutz getan, muss ich dem entgegenhalten: Die Landesregierung betreibt alles andere als einen vorzeigbaren und modernen Naturschutz.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht wie andere Bundesländer Großschutzgebiete. Nicht einmal im Landesgesetz sind diese Kategorien vorgesehen, wie ich schon erwähnt habe. Nur gut 2 % der Landesfläche stehen unter strengerem Naturschutz. Wir haben Naturschutzleitlinien und haben auch im Umweltplan schöne Sätze stehen, die aber ohne klare Zielvorgaben und einen Finanzierungsrahmen in diese Naturschutzlyrik hineingekommen sind. Das ist doch kein konkretes Angebot an Naturschutzaufgaben durch das Land Baden-Württemberg.
Zum Schluss sage ich noch: Es muss bei der Naturschutzverwaltung jetzt ja umfangreich gearbeitet werden. Es müssen nämlich, wie vorhin gesagt worden ist, Pflege- und Entwicklungspläne erarbeitet werden. Das ergibt ganz schön
viel Papier und eine ganze Reihe von Ordnern, in denen das alles drinsteht. Aber wer macht denn diese Pflege- und Entwicklungspläne? Das machen die Bezirksstellen für Naturschutz – genau die Bezirksstellen für Naturschutz, die das Land Baden-Württemberg gegen unsere Stimmen zerschlagen hat, reduziert hat.
Jetzt frage ich: Wie soll eine geschwächte Naturschutzverwaltung des Landes Baden-Württemberg eigentlich die Aufgaben, die zusätzlich auf uns zukommen, weil die EU sie uns auferlegt, bewältigen? Diese Frage müssen Sie auch noch beantworten.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Umsetzung von EU-Recht beabsichtigt ist. Das scheint zunächst einmal unspektakulär zu sein. Aber genau betrachtet kann man daran, wie lange die Umsetzung jetzt schon hinausgezögert wurde, erkennen, wie groß die Problematik ist, die darin steckt. Seit 1989 bzw. 1992 liegt die EU-Entscheidung vor. Sie fordert, durchgängige Schutzgebiete für Flora und Fauna zu schaffen. Mit enormem Aufwand wurden schützenswerte Gebiete ausgewählt und schließlich der EU gemeldet.
An dieser Stelle möchte ich denjenigen, die dabei tätig waren – BNLs, LfU und auch dem Ministerium –, vonseiten der FDP/DVP-Fraktion herzlichen Dank sagen, denn das war eine Herkulesarbeit.
Meine Damen und Herren, dass Interessenkonflikte zwischen dem Naturschutz und den davon Betroffenen entstanden sind, war unausweichlich. Letztlich kommen die endgültigen FFH-Gebiete in ihrer Wertigkeit Naturschutzgebieten gleich, wenn man das jetzt gesetzlich festgeschriebene Verschlechterungsverbot ernst nimmt – und darüber wacht die EU.
Lassen Sie mich auf eines hinweisen: Die Tatsache, dass es noch immer eine Vielzahl solcher Flächen gibt, ist in erster Linie den Landwirten zu verdanken.
Sie haben über Generationen hinweg ihr Land nachhaltig bewirtschaftet. Das Bestehen solcher Gebiete ist das Ergebnis des verantwortungsbewussten Umgangs der Landwirte mit ihren Grundstücken.
Natürlich haben sich in den letzten Jahrzehnten die Produktionsbedingungen geändert. Im Sinne der Natur sind Schutzmaßnahmen nötig, die über die so genannte fachliche Praxis der Landwirtschaft hinausgehen. Nach dem Selbstverständnis der FDP/DVP ist für solche Auflagen jedoch eine Entschädigung erforderlich.
Sie können nicht einseitig zulasten der Landwirte verfügt werden, wie dies das neue Naturschutzgesetz des Bundes vorsieht.
Der Knackpunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs sind nicht die Einzelvorschriften, über die wir heute beraten, sondern ist die Frage, wie wir es schaffen können, die genannten Gebiete in ihrem Bestand und in ihrer Wertigkeit so zu erhalten, wie es ihnen gerecht wird und wie es die EU fordert.
8,6 % der Landesfläche von Baden-Württemberg werden unter Schutz gestellt, und dies in einer Region, die zu den am dichtesten besiedelten in ganz Europa zählt.
Andere Länder tun sich damit wesentlich leichter. Sie können großflächige Gebiete ausweisen. Wir haben über 400 Gebiete gemeldet, die sich teilweise wie ein Ring um die Gemeinden herum erstrecken.
(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Ganz genau! – Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)
Es ist absehbar, dass wir noch weitere Gebiete nachmelden müssen. Ich frage Sie: Wer soll solche Flächen zukünftig noch ohne die Mithilfe der Allgemeinheit adäquat bewirtschaften? Die Allgemeinheit erhebt zu Recht den Anspruch, die vorhandene Flora und Fauna zu erhalten.
Da wir heute in Freiburg sind, könnten wir in die Schwarzwaldtäler hineinschauen und sehen, unter welch schwierigen Bedingungen die Grünflächen dort aufrechterhalten werden. Das kann auf jeden Fall nicht ohne Unterstützung stattfinden.
Solche Kulturlandschaften sind äußerst schwierig zu pflegen. Dafür schreibt die EU nicht nur Pflege- und Entwicklungspläne vor. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Erhaltungsziele und des so genannten Verschlechterungsverbots alle sechs Jahre gegenüber der EU Bilanz gezogen werden – und dies für zurzeit 436 Gebiete in Baden-Württemberg. Herr Minister, dazu braucht man nicht nur Personal, sondern vor allem Geld. Wenn Minister Stächele verspricht, dies geschehe alles im Einvernehmen mit den Betroffenen, dann befürchte ich, die EU sieht das anders.