Protocol of the Session on October 16, 2002

Drittens: Es müssen landesweit verbindliche Mindestqualitätsstandards existieren. Das ist ein großes Anliegen von uns. Gerade mit Blick auf notwendige Mindestqualitätsstandards erstaunt es mich schon, dass diese Landesregierung solche Standards nicht für erforderlich hält, dass aber andererseits im Land beispielsweise die Fahrgassenbreite in Garagen penibel geregelt wird. Das kann es doch nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das muss man auch abschaffen!)

als ob Autos, Frau Berroth, mehr Anspruch auf den Schutz durch bestimmte Mindeststandards hätten als Kinder.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass Sie das nicht gern hören, aber es lohnt sich, dass sich in diesem Land endlich etwas bewegt. Hören Sie deshalb lieber zu.

(Zuruf des Ministers Dr. Repnik)

Auch Sie, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, nur auf der Grundlage dieser drei zu erfüllenden Kernforderungen kann es eine Kommunalisierung geben. Alles andere würde zulasten der Familien und der Kinder gehen und würde die überfällige Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsangebots im Land blockieren.

Ich will zum Schluss Herrn Wolfgang Schäuble, Mitglied des CDU-Präsidiums, zitieren, der letzte Woche in der „Stuttgarter Zeitung“ die familienpolitischen Defizite der CDU klar beschrieben hat:

(Minister Dr. Repnik: Guter Mann, der Schäuble!)

Wir haben über Jahrzehnte geglaubt: Am besten ist es, wenn einer der beiden Eltern, also im Zweifel die Frau, solange die Kinder klein sind, auf eine Berufstätigkeit verzichtet. Und je mehr man das erreicht, desto eher werden wir auch mehr Kinder haben. Mittlerweile aber wissen wir, dass im europäischen Vergleich die Länder, in denen die Möglichkeiten, Berufstätigkeit und familiäre Verpflichtungen zu verbinden, besser sind, höhere Kinderzahlen haben als Länder, die eher das traditionelle Bild von Familie haben. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

So zu lesen in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 10. Oktober 2002. Recht hat er, der Herr Schäuble!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst, Frau Kollegin Haußmann, auf die beiden Anträge zurückkommen, um die es hier heute geht,

(Abg. Schmiedel SPD: Alles gehört zusammen!)

nämlich auf die wichtige Frage: Was können wir gemeinsam tun, um insbesondere bei Kindern, die einen Migrationshintergrund haben, also Aussiedlerkindern oder ausländischen Kindern, die in Baden-Württemberg leben, die Integration über die Sprache, über die Sprachkompetenz zu verbessern? Das ist die entscheidende Frage, um die es heute geht und über die wir uns unterhalten sollen.

Da ist zunächst einmal richtig – das will ich unterstreichen –: Ich glaube, die sinnvollste, die wirksamste und wahrschein

lich auch, wenn ich es so sagen darf, die humanste Sprachförderung ist die, die so früh wie irgend möglich einsetzt.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Das ist übrigens eine Feststellung, die auch bereits von der Kultusministerkonferenz – damals unter Ihrer Leitung, Frau Dr. Schavan – in einer ersten Reaktion auf die PISA-Studie getroffen worden ist, einer Reaktion, die eben auch deutlich gemacht hat: Sprachliches Verständnis und Kommunikationsfähigkeit sind Dinge, die für die Integration dieser Kinder und dieser Familien wichtig sind, die aber so früh wie nur irgend möglich einsetzen sollten. Ich bin sehr dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir diesen Rat der Kultusministerkonferenz sehr ernst nehmen und nach Möglichkeiten suchen, entweder Programme zu entwickeln, um diesen Rat umzusetzen, oder bereits vorhandene Programme entsprechend weiterzuentwickeln. Denn die Sprachförderung setzt auch nach meiner Überzeugung noch zu spät an.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ja! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sie wesentlich früher ansetzt.

Übrigens richtet sich mein Hinweis auf die Wichtigkeit der Sprachförderung, meine Damen und Herren, zunächst einmal an die Adresse der Eltern, und zwar nicht nur an die Adresse der Eltern von ausländischen Kindern, sondern auch an die Adresse der deutschen Eltern.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig! – Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Im Zusammenhang mit Migration ist es sicher sinnvoll und erfolgreich, sich verstärkt um die deutsche Sprachbefähigung vor allem der Mütter zu bemühen. Was ich damit sagen will, ist dies: Bei allen Anstrengungen, die wir als Land machen müssen, bei allen Anstrengungen, die andere machen, können wir bei dieser Frage der Integration, auch der sprachlichen Integration, auf Dauer auf die Mitarbeit der Eltern auf gar keinen Fall verzichten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Es gibt in Baden-Württemberg natürlich vielfältige Formen der sprachlichen Förderung von Kindern; aber die gezielte sprachliche Förderung der Kinder setzt auch in BadenWürttemberg relativ spät ein,

(Abg. Schmiedel SPD: Zu spät!)

nämlich im Wesentlichen mit dem Erreichen der Schulpflicht. Bei schulpflichtigen Kindern haben wir zwei Instrumente. Das eine Instrument sind die Vorbereitungs- und die Förderklassen, die dem Eintritt in die regulären Grund- oder Hauptschulklassen vorausgehen. Das andere Instrument sind die Sprachförderkurse, die neben dem Regelunterricht besucht werden.

Meine Damen und Herren, für Kinder, die älter als sechs Jahre sind, die also schon in der Schule sind, werden diese Instrumente auch in der Zukunft unverzichtbar sein.

(Abg. Schmiedel SPD: Die reichen nicht aus!)

Wir brauchen diese Sprachförderkurse für Kinder, die älter als sechs Jahre sind, die schon in der Schule sind. Aber der entscheidende Punkt ist natürlich in diesem Zusammenhang, dass ein ganz erheblicher Teil der Kinder jünger als sechs Jahre ist. Die Kinder sind zum Teil hier geboren und haben natürlich auch einen Migrationshintergrund. Sie sind der deutschen Sprache nicht oder nicht genügend mächtig, leben aber schon bei uns. Bei diesen Kindern wird es darauf ankommen, in der Zukunft alles zu tun, um diesen zwei Jahre dauernden Besuch, was sprachliche Kompetenz angeht, möglichst so zu organisieren, dass er eben nicht erst parallel zur Grundschule, nicht erst parallel zur Hauptschule, sondern bereits im Kindergarten stattfinden kann. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Wie? Jetzt Antwort!)

Darauf komme ich gleich.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist die entscheidende Frage!)

Herr Kollege Schmiedel, wenn wir so etwas machen wollen, wenn wir so etwas ins Auge fassen wollen – ich halte das für richtig –, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.

(Abg. Schmiedel SPD: Welche?)

Erste Voraussetzung ist: Wir brauchen natürlich eine entsprechende Qualifikation auch der Erzieherinnen und der Erzieher. Ohne eine solche zusätzliche Qualifikation wird das nicht zu schaffen sein. Und da das alles ja auch möglichst schnell gehen soll, können wir nicht darauf warten, dass diese Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher irgendwann kommt. Ich will erreichen, dass neben einer Veränderung der sozialpädagogischen Einrichtungen, wo diese Qualifikation geleistet wird, insbesondere auch Fortbildungsmaßnahmen für diejenigen angeboten werden, die heute schon diese Tätigkeit ausüben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum hat man das nicht schon lange gemacht? – Abg. Schmiedel SPD: Macht es doch!)

Warten Sie ab. Sie wissen ganz genau, dass wir hier auf einem guten Weg sind.

(Weitere Zurufe und Unruhe)

Wir sind uns alle darüber einig, dass wir eine Reform der Ausbildung der Erzieherinnen und der Erzieher brauchen. Wir sind da auf dem Weg. Warten Sie doch ein bisschen ab. Sie werden in Bälde die Ergebnisse erhalten.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Wie lange regieren Sie schon?)

Es gibt einen zweiten Punkt, der wichtig ist. Wir haben in Baden-Württemberg die Situation, dass mehr als 90 % der Kinder einen Kindergarten besuchen. Das geht fast an die 95 %. Aus diesem Grund ist die Forderung, wenn sie denn gestellt werden sollte, die Freiwilligkeit des Kindergartenbesuchs aufzugeben, überhaupt nicht notwendig. Wir haben fast 95 % der Kinder in den Kindergärten. Und das ist gut so.

Allerdings schlage ich eine Änderung vor, die die so genannte Grundschulanmeldung betrifft, das heißt die Anmeldung der Kinder für die erste Klasse in der Grundschule. Sie findet im Augenblick im Frühsommer statt. Ich möchte erreichen, dass diese Grundschulanmeldung zusammen mit der Feststellung der Schulfähigkeit in der Zukunft deutlich früher stattfindet, zum Beispiel schon im Januar,

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

um auf diese Art und Weise zu erreichen, dass die Kinder und ihre Eltern rechtzeitig mit möglichen sprachlichen Defiziten der Kinder konfrontiert werden

(Zurufe von der SPD)

und die Zeit dann genutzt werden kann, um sprachliche Defizite noch bis zum Schuleintritt zu beseitigen.