Protocol of the Session on June 20, 2002

Mir geht es darum ob es manchen passt oder nicht : Wir müssen Antworten auf die Frage finden, wie es bei uns noch möglich ist, Höfe zu halten, bei uns in Süddeutschland, in der klein strukturierten Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU Abg. Teßmer SPD: D’accord! Aber nicht mit Steuererhöhung!)

Ich muss Ihnen sagen: Die Töne, die im Moment aus Berlin vernehmbar sind, ermutigen mich nicht im Blick auf unsere klein strukturierte, familiäre bäuerliche Struktur im Südwesten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Die Mehrwertsteuer würde das erhalten?)

Wir brauchen keine Steuererhöhungen, sondern wir müssen wissen, dass wir Steuergelder brauchen. Wir brauchen Steuergelder, und insbesondere die, die von der ökologischen Landwirtschaft schwärmen, müssen wissen, dass ein Betrieb im ökologischen Landbau bei uns das Doppelte ca. 60 % an staatlichen Geldern braucht, um existieren zu können.

(Abg. Käppeler SPD: Die Mehrwertsteuer geht aber an den Bund!)

(Minister Stächele)

Ich komme zum Punkt Nitrofen und zur Nachfrage des Kollegen Teßmer. Ich weiß nicht, wo Sie bei meinen Ausführungen waren. Ich habe Ihnen doch dargestellt, in welcher Fülle und Breite wir aktuell kontrollieren.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Sie können von mir die Zahlen erhalten. Vom ersten Tag an, bevor Berlin wach geworden ist und uns unterrichtet hat, haben wir die Kontrollen begonnen, und wir führen sie weiter durch: 200 oder 150, je nachdem, in welchem Bereich.

(Abg. Teßmer SPD: Das müssen Sie der Öffent- lichkeit darlegen, nicht mir! Das wird anscheinend immer noch nicht kapiert! Zurufe von der CDU)

Lieber Herr Teßmer, alle, die vorhin da waren, haben gemerkt, dass ich mir Mühe gegeben habe, genau mit Zahlen zu belegen, wie kontrolliert wurde.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich hoffe doch nicht, dass es Ihnen Leid tut, dass nicht irgendwo etwas aufgetreten ist. Menschenskinder! Wir kontrollieren, und Gott sei Dank haben wir bisher so gut wie keine Befunde. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass unser ökologischer Landbau in eigenen Kreisläufen existiert.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Deswegen ist zu Recht angesprochen worden, dass Renate Künast mit ihrer unseligen Vermassung im Grunde die größte Gefahr für den ökologischen Landbau in BadenWürttemberg ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung von Baden-Württemberg kann nicht nur stolz bilanzieren, dass wir im Land die höchste Zahl von ökologisch wirtschaftenden Betrieben haben 6 300, das Dreifache wie Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen , sondern gleichzeitig haben wir in einer Kabinettsvorlage im Herbst schon verabschiedet: Förderung der Vermarktung, Förderung der Investitionen und des Anbaus. Auch bei den Prämien haben wir das Doppelte und Dreifache gegenüber dem konventionellen Landbau.

Also kurzum: Für uns ist die Vermassung durch ein europäisches Biosiegel eine tödliche Gefahr. Deswegen hoffe ich, dass uns Brüssel das genehmigt, was im Grunde eine Existenzfrage für unsere Betriebe bedeuten kann: ein Biosiegel Baden-Württemberg

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

dort, wo Höfe ausschließlich für Bio produzieren und nicht in die große Vermassung hineinkommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Schauen Sie sich doch den Beispielbetrieb, der immer wieder genannt wird, an. Haben Sie das einmal gesehen? 4 000 Hektar, ein Betrieb mit 30, 40 Leuten. Im Grunde gilt das ich darf zitieren, Herr Präsident , was die „Zeit“ dieser Tage geschrieben hat. Die Überschrift in der „Zeit“ lautet: „Die große Bio-Illusion“. Unterüberschrift:

Der Nitrofen-Skandal zeigt: Die meisten Deutschen verkennen die ökologische Landwirtschaft. Sie folgt längst den Gesetzen der industriellen Produktion.

Frau Künast hat dies gefördert.

(Abg. Walter GRÜNE: So ein Quatsch!)

Das ist kein Quatsch; das sind die Fakten.

Wenn man hier in diesem Haus oder draußen im Land auch nur ein schräges Wort gegen Frau Künast verwendet, kommt sofort: Der schilt nur, der polemisiert. Ich wünschte mir, dass Sie Frau Künast einmal ein bisschen intellektuell kritischer begleiten würden. Das ist ja geradezu eine intellektuelle Sklavenhaltung: Frau Künast gibt irgendeine Äußerung von sich, und Sie klatschen Beifall.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Drautz FDP/ DVP)

Wenn sie es wirklich ernst meint mit ihrer kleinen Idylle von der klein strukturierten Landwirtschaft, dann muss sie uns fördern. Dann könnte sie zum Beispiel aber da verweigert sie sich eine Obergrenze für Ausgleichszahlungen, wie von Brüssel vorgeschlagen, nämlich 300 000 €, festlegen. Mal schauen, ob sie das bei ihrer Klientel in den neuen Ländern durchhält. Da könnte sie zeigen, ob sie es ernst meint, und mit der Begrenzung der Ausgaben einmal anfangen.

(Beifall bei der CDU Abg. Teßmer SPD: Das sind aber auch Ihre neuen Länder!)

Vor allen Dingen soll sie dafür Sorge tragen, dass unsere kleinen Betriebe noch ein Stück weit Perspektive haben können, damit sie wirtschaftlich und wettbewerbsfähig bleiben können. Ich muss es immer wieder betonen, weil es manche immer noch nicht kapiert haben: In 20 % der Fälle finden sich keine Hofnachfolger, bei 50 % ist die Hofnachfolge ungewiss. Nun rechnen Sie sich einmal aus: Wenn von diesen 50 % etwa die Hälfte ihren Hof aufgeben muss, dann können Sie über Steuermittel nachdenken, die Sie für die Landschaftserhaltung brauchen. Dann brauchen Sie Millionen, damit Sie unsere wunderbare Kulturlandschaft einigermaßen intakt halten können. Das ist die Wahrheit. Darüber muss gesprochen werden.

Jetzt aber noch ein paar Sätze zum Verbraucherinformationsgesetz. Da werden wieder Legenden gebildet. In Sachen geregelter Verbraucherinformation braucht zuallerletzt Baden-Württemberg Nachhilfeunterricht. Es war das erste Land, das mit einem Gesetz geregelt hat, wie man in der schwierigen Abwägung zwischen Wirtschaftsinteressen und Verbraucherschutz klare Regelungen finden kann, um den Verbraucher umfangreich und rechtzeitig informieren zu können. Wir haben diese Vorlage gern nach Berlin gegeben, aber leider müssen wir feststellen: Was herauskam, ist nichts anderes als ablehnungsbedürftig.

Wir gaben der Bundesregierung im Vermittlungsausschuss eine Chance. Ergebnis: ein unechtes Vermittlungsergebnis, blanke Sturheit.

(Zuruf des Abg. Walter GRÜNE)

(Minister Stächele)

Dann kann man doch nicht hergehen und sagen: „Die sind gegen Verbraucherinformation.“

(Abg. Walter GRÜNE: Nein, nein!)

Wir haben sie; wir haben hier die gesetzliche Grundlage. Schreibt doch mal ab, was es in Baden-Württemberg gibt; dann seid ihr in Berlin schon um einiges weiter. Das ist meine Aufforderung.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Zu den Inhalten: Das ganze Verbraucherinformationsgesetz erscheint mir oberflächlich, im Schnelldurchgang noch rechtzeitig vor der Wahl mit heißer Nadel gestrickt. Wie wollen Sie denn diese Fülle von Informationsansprüchen befriedigen? Wie sollen die Behörden das tun? Wie kann man das rechtlich durchhalten, wenn man die Abwägung zwischen wirtschaftlichem Interesse des Produzenten einerseits und Verbraucherinteresse andererseits nicht mehr vornimmt? Warum kein europaweiter Anspruch auf Auskünfte gegen Unternehmen?

Ich will im Einzelnen gar keine Rechtsdarlegung machen. Was aber die allerwenigsten wissen: Der Informationsanspruch des Bürgers geht nach diesem Gesetz ins Leere, wenn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren oder ein Disziplinarverfahren läuft oder es um eine Ordnungswidrigkeit geht.

Da Sie die Geschichte vom vergangenen Jahr mit dem Obstanbau am Bodensee immer wieder ansprechen: Genau in diesem Fall hätte man nicht informieren dürfen, denn just zu dem Zeitpunkt, als wir hier darüber diskutiert haben, waren WKD-Prüfungen und Ermittlungsverfahren im Gange.

Im Grunde genommen geben Sie mit dem Verbraucherinformationsgesetz, wie es in Berlin jetzt vorgesehen ist, dem Verbraucher nichts anderes als Steine statt Brot. Ich sage: Wenn es der Bundesregierung damit Ernst ist, kann sie nach einer Ablehnung des Entwurfs am Freitag erneut mit einer Bundestagsmehrheit ein Vermittlungsverfahren in Gang bringen. Das nutzt aber nur, wenn sie bereit ist, auf die sachlichen Argumente der Länder einzugehen. Es gibt aber keinen Gehorsam der Länder, der da heißt: „Friss, Vogel, oder stirb!“ Wir sagen nein. Deswegen werden wir den Entwurf am Freitag ablehnen. Entweder kommen Sie zu besserer Einsicht, oder wir machen ab September dieses Jahres mit neuer Mehrheit ein vernünftiges Gesetz im Interesse der Verbraucher.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Tosender Beifall! Heiterkeit)

Sie arbeiten im September mit Sicherheit an dieser Gesetzesvorlage nicht mehr mit. Das verspreche ich Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Zum Schluss noch einmal eines: Sorgen wir jetzt gemeinsam dafür, dass die, die hier schuldhaft und kriminell gehandelt haben, bestraft werden. Sorgen wir dafür, dass weder an der konventionellen noch an der ökologischen Land

bewirtschaftung, an unseren Erzeugern zu Unrecht etwas hängen bleibt. Sorgen wir dafür, dass wieder Vertrauen geschaffen wird. Das können wir am besten tun, indem wir sachlich argumentieren und offensiv bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Fleischer CDU: Ein guter Minister! Sehr gut!)