(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Abg. Capezzuto SPD: Die Maßnahmen des Bundes! Abg. Wieser CDU: Niedersachsen, Sachsen-An- halt, Nordrhein-Westfalen! Unruhe)
und dort, wo eigentlich der Bund verantwortlich ist, durch eigene Strukturmaßnahmen und durch eigene Wirtschaftsstärke hier in unserem Land andere Rahmenbedingungen herrschten. Es ist sogar so: Baden-Württemberg ist in manchen Bereichen für den Bund eingesprungen, wo der Bund sich aus der Verantwortung gezogen hat.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP Abg. Rudolf Hausmann SPD: Jetzet! Ja, wo denn? Zuruf der Abg. Ruth Weckenmann SPD Abg. Alfred Haas CDU: 1 : 0! Abg. Hofer FDP/ DVP: Das ist schon mehr als 1 : 0! Das ist 5 : 0! Abg. Ursula Haußmann SPD: Märchenstunde! Tausendundeine Nacht! Unruhe)
Jetzt komme ich auf den Punkt zurück, über den wir jetzt sprechen. Mir ist dieses Thema viel zu wichtig. Ich hatte gedacht, dass wir heute eine sachliche Debatte darüber führen können.
Es ist nämlich wirklich ein absoluter Umdenkprozess vonnöten über das, was wir mit unseren qualifizierten älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern machen.
Ich sage Ihnen ein paar Fakten dazu. Diese sind nämlich überhaupt noch nicht richtig im Bewusstsein, und zwar nicht nur im Bewusstsein der Politik, sondern auch im Bewusstsein der Gesellschaft und der Wirtschaft. Ich nenne Ihnen eine Zahl: Fast 60 % der Betriebe in Deutschland beschäftigen keine Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre sind.
Mehr als die Hälfte der Betriebe! Diese Umfrage ist nicht uralt, sondern sie ist die jüngste Umfrage eine jüngere haben wir nicht aus dem Jahr 2000 vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Man ist natürlich auf den ersten Blick über diesen Befund verblüfft. Aber er korrespondiert recht deutlich mit den schwierigen Situationen der älteren Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt. Da sind die älteren Arbeitslosen auch ein Thema; denn Erwerbslosigkeit und Erwerbsminderung sind längst zu einer häufigen Übergangsform in die Rente geworden. Deswegen sind sie teilweise auch nicht mehr in den Statistiken erschienen.
Ich möchte mehrere Ursachen dafür nennen. Zum einen haben natürlich auch die Betriebe die Frühverrentungsaktionen, die man ja gefördert hat, im Konsens aller mitgemacht. Das hat zu diesem Ergebnis beigetragen. Es bestand in früheren Jahren aber in vielen Fällen bei den Mitarbeiterinnen und bei den Mitarbeitern durchaus auch die Bereitschaft, das zu machen. Es war auch lange genug finanziell attraktiv.
Man hat natürlich gleichzeitig gedacht, man stellt dafür Jüngere ein usw. usf. Hinzu kamen die Leistungen der Sozialpläne. Auch der Gesetzgeber selbst hat in früheren Jahren Anreize dafür geschaffen. Dann kam die Erhöhung der Altersgrenze. Jetzt hoffen wir natürlich, dass durch die Erhöhung der Altersgrenze man hat ja früher auch da bereitwillig nachgegeben und durch die eingeführten Abschläge beim vorzeitigen Rentenbeginn diese Frühverrentungsaktionen gestoppt werden.
Aber damit allein ist es natürlich nicht getan. Sie haben das sehr deutlich gesagt, Herr Abg. Hofer: Wir brauchen natürlich die Mobilisierung der Beschäftigungsreserven. Wir alle können es uns nicht mehr leisten, dass so viele ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so früh aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Ich möchte aber noch einmal einen sozialen und menschlichen Aspekt nicht nur einen finanziellen Aspekt aufgreifen, der hier auch schon genannt wurde. Es ist nicht mit der Würde des Menschen vereinbar,
dass man, wenn man sonst eigentlich noch im Besitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte ist vielleicht nicht mehr wie ein 25-Jähriger; aber wenn man andere Erfahrungen einbringt , abgestempelt wird, als ob man zum alten Eisen gehörte.
Man hat lange gelernt und sich lange für seinen Betrieb eingebracht, und dann soll man plötzlich nichts mehr taugen.
Dieser Tage wurde in der Landesschau über die Aktionen der Seniorinnen und Senioren berichtet. Die sind sich mittlerweile durchaus ihres Potenzials bewusst
und dessen, welch aktive Seniorinnen und Senioren wir haben und dass wir nicht nur Pflegebedürftige haben. Vor allem brauchen wir sie in anderen Bereichen ständig.
Dazu möchte ich auch noch etwas sagen: Wenn wir alles nur unter finanziellen Aspekten diskutieren, bewirkt dies auch sehr oft den Eindruck auf unsere ältere Generation sie haben unsere Wirtschaft maßgeblich aufgebaut , der Generationenvertrag würde ausgehebelt, man holte sie und schickte sie wieder weg, wie man sie gerade brauchte. Das ist ein Aspekt, der nicht stark genug mit in diese Überlegungen einbezogen werden kann.
Dann müssen wir natürlich die aktuelle Situation berücksichtigen: den demographischen Faktor, immer weniger Menschen im aktiven Erwerbsleben, immer späterer Berufseintritt. Das wird ja weiter eklatant zunehmen. Schon im Zeitraum zwischen 2010 und 2015 werden wir allein in dem Bereich der 50- bis unter 60-jährigen Erwerbstätigen nur noch 48,5 % im Vergleich zu derzeit 52,8 % haben. Wir sind uns alle einig, dass es so nicht weitergehen kann.
Da wird auch immer dieses Allheilmittel der Zuwanderungspolitik genannt. Die Integrationsprobleme will ich einmal ganz außer Acht lassen. Alle Experten sagen: Vorrangig notwendig ist die Mobilisierung der heimischen Arbeitskräfte.
Dann möchte ich als Frauenbeauftragte noch einen weiteren wichtigen Aspekt nennen: den Markt der gut ausgebildeten Frauen. Auch da hat man sehr leicht vergessen, dass man dazu zählen nicht nur die ganz alten Frauen, sondern auch die Generation meines Alters und sogar noch etwas Jüngere eine Ausbildung hatte. Aber man hat meistens Familie und Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder oder einer Schlechterstellung der Familie. Die Frauen haben sich nur mit Teilzeit, mit geringerer Erwerbstätigkeit zufrieden gegeben oder sind ganz aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden und später nicht mehr ihren Ausbildungen und ihren Fähigkeiten entsprechend in den Arbeitsmarkt eingegangen. Es ist höchste Zeit, früh anzusetzen, wie wir es beispielsweise mit der Betreuung für Kinder und einer Besserstellung der Familie versuchen.
Man darf bei dieser Diskussion natürlich auch nicht außer Acht lassen, dass für Frauen wie für alle Fachkräfte gilt, dass wir ältere und erfahrene Fachkräfte unter dem Gesichtspunkt des lebenslangen Lernens auch weiterqualifizieren müssen. Wir haben auch als Landesregierung vielfältige Programme aufgelegt zusammen mit dem Landtag natürlich. Dies zeigt, dass man auch dies als Handlungsmaxime erkannt hat.
Man hat im Grunde genommen die älteren Arbeitnehmer oft entlassen, aber, wie Kollege Schuhmacher sagt, keine jüngeren Menschen eingestellt, sondern rationalisiert. Daher müssen wir auch jüngere Menschen wieder einstellen, damit auch im Arbeitsprozess dem Generationenvertrag Rechnung getragen wird und wir nicht in eine Entwicklung hineingeraten, die wir nicht mehr stoppen können.
Ich will jetzt gar nicht von den Sozialsystemen reden das wäre noch einmal ein ganzes Feld; das ist aber auch ein wichtiges Feld , sondern nur sagen: Gestern stand in der Zeitung darüber werden wir heute Mittag noch einmal diskutieren , dass wieder mit steigenden Rentenbeiträgen zu rechnen sei; da war von einer großen Blamage für Riester die Rede. Wir sollten nicht vergessen, was das alles für Auswirkungen auf die Lohnnebenkosten und auf unsere Gesellschaft und Wirtschaft hat, wenn sie hier nicht zusammen mit der Politik umsteuert.
Wir als Politiker können aufzeigen, wohin die Entwicklung führen könnte. Wie es letztlich ausgehen wird und wohin das hier in unserem Land führen wird, mag noch niemand endgültig prognostizieren. Aber es ist höchste Zeit, dass wir gegensteuern. Wir haben ja auch schon Maßnahmen ergriffen. Ich denke, dass diese Maßnahmen, die man in gemeinsamen Aktionen jetzt ergriffen hat, auch Früchte tragen. Auch die Bundesanstalt für Arbeit hat Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel das Projekt 50 plus die können es, welches schon Erfolge gezeigt hat. Auch die anderen familienentlastenden Maßnahmen und die Qualifizierungsmaßnahmen, in die auch das Land zusätzliche Mittel einbringt, sind, denke ich, richtig.
Ob die Senioritätsprinzipien Einstellungshemmnisse sind? Es gibt durchaus Faktoren, wo man sagen kann: Sie sind sicher gut gemeint das will ich unterstellen , aber sie können auch kontraproduktiv sein.
Weil wir das aber solide beurteilen wollen und das erst einmal untersucht haben wollen, bevor wir irgendwelche Behauptungen in den Raum stellen, haben wir eine wissenschaftliche Untersuchung, Herr Abg. Schuhmacher, in Auftrag gegeben. Wir haben noch keine Ergebnisse; erst jetzt finden erste Gespräche im Ministerium statt, aber noch vor der Sommerpause werden wir diese Untersuchung haben. Dann können wir Ihnen auch berichten, welche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt diese Sonderregelungen haben und ob sie kontraproduktiv sind.
Zum Schluss möchte ich sagen: Wir werden heute Mittag sicher noch eine längere Diskussion zum Thema Arbeitsmarkt führen, aber wenn wir die Folgen, die eine schrumpfende und alternde Bevölkerung letztlich auch auf das Wirtschaftswachstum, auf die sozialen Systeme und auf die politische Ordnung hat, nicht aufgreifen und ihnen nicht gegensteuern, wird es gewaltige Veränderungen geben, die wir heute noch nicht abschließend beurteilen können. Es ist höchste Zeit, dass sich die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft wie ich es eingangs angesprochen habe diesen Herausforderungen stellen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Es schwang so der leise Vorwurf mit, die FDP/DVP hätte dieses Thema zur Unzeit gebracht. Ich sage Ihnen, warum dies nicht zur Unzeit ist.
In dieser Woche fand der Landesseniorentag in BadenWürttemberg statt. Deswegen passt die Debatte. Wer nun sagt: Wir reden ja heute Mittag noch zum Thema Arbeitsmarkt, und wir dürfen deswegen jetzt nicht gesondert debattieren, der hat genau die besondere Problematik, die für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, übrigens nicht nur in Baden-Württemberg, dort aber weniger als in anderen Bundesländern, bestehen, verkannt.
Daher bin ich dankbar, dass der Kollege Hofer in dieses Thema so eingeführt und umfassend darüber geredet hat, dass unnötige Parteitaktik und Wahlkampfpolemik eigentlich gar nicht zu erwarten gewesen wären. Ich bin sehr froh, dass wenigstens der Kollege Witzel und auch die Staatssekretärin das Ganze wieder ein bisschen auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt haben.
Mit Schuldzuweisungen sollten wir alle vorsichtig sein. In der Tat haben die Betriebe, über die jetzt viele schimpfen, die zunächst die älteren Arbeitnehmer hinausbugsiert haben, um sie später teuer als Seniorexperten wieder einzustellen was natürlich ein Widersinn ist , auch mit Rückendeckung der Politik gehandelt. Davon können Sie sich aber auch nicht ausnehmen.
Warum denn? Weil man natürlich das Thema Arbeitslosigkeit damit elegant zahlenmäßig ein Stück weit minimieren konnte, indem man die Leute frühzeitig in Rente geschickt hat. Da sollten wir also alle nicht so tun. Und dazu kommt noch und das sage ich selbstkritisch dazu, das ist heute noch nicht angesprochen worden , dass die Politik augenzwinkernd sagt: Ach, das ist doch ein Glück, dass wir so viele rüstige Frührentner haben, die können in unseren Vereinen, im bürgerschaftlichen Engagement und, und, und eingesetzt werden. Das ist in der Tat so. Ich stehe nicht an zu sagen, dass wir wissen, dass gerade beim bürgerschaftlichen Engagement die älteren Menschen überproportional repräsentiert sind. Ich wünschte mir, dass sich die Jungen daran ein bisschen ein Beispiel nähmen. Aber umgekehrt zu sagen: Wir drängen die Älteren aus dem aktiven Arbeitsmarkt, um sie auf das Ehrenamt zu vertrösten, so kann es natürlich nicht laufen.