Protocol of the Session on May 16, 2002

Ich habe mir in den letzten paar Tagen die Mühe gemacht, in solche Spielhallen zu gehen. Das sollten Sie auch einmal machen.

(Abg. Oettinger CDU: Nordrhein-Westfalen!)

Dabei ist mir aufgefallen, dass die Spielhallen selbst teilweise auf die Ereignisse in Erfurt reagiert und ihre Killerspielautomaten vorübergehend aus dem Sortiment genommen haben. Daraus schließe ich, dass die Spielhallenbesitzer selbst den Zusammenhang zwischen möglicherweise labilen Jugendlichen und Heranwachsenden und dem, was geschieht, gesehen haben. Nur wissen wir alle nicht, ob das nicht nach einer gewissen Zeit, wenn die Ereignisse von Erfurt lange zurückliegen, wieder kommt. Aber genau so wird es sein; denn dort wurde ja Geld investiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Nun muss ich zur FDP/DVP Folgendes sagen: Es soll eine Anhörung durchgeführt werden. Ihr Fraktionsvorsitzender hat in einer Rundfunksendung deutlich gemacht, wie er das sieht: Die Koalitionspartner sind sich einig, es geht ins Kabinett, dann wird eine Anhörung durchgeführt. Nach dieser Anhörung, nach vier Wochen kann die Verordnung noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Das heißt, offensichtlich spielt die Anhörung überhaupt keine Rolle. Man führt eine Anhörung durch und ist sich jetzt schon sicher, dass die Verordnung mit der Verlängerung der Öffnungszeiten in Kraft treten wird. Eine ganze Reihe von Organisationen wurden gar nicht zur Anhörung angeschrieben. Dies gilt zum Beispiel für den Landesjugendring, obwohl es vernünftig wäre, von diesem eine Stellungnahme zu erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Döring ist jetzt leider nicht da. Aber man muss Ihnen von der FDP/DVP das schon vorhalten. Herr Döring hat als Wirtschaftsminister am 9. April Folgendes gesagt:

Wir begrüßen die Änderung der Sperrzeitenregelung im Interesse der Spielhallenbesitzer und hoffen, dass dadurch die Spielhallen stärker frequentiert werden und mehr Umsatz gemacht werden kann.

Mit Killerspielautomaten und anderen Spielautomaten!

(Lebhafte Unruhe)

Was ist denn das für eine Vorstellung nach den Ereignissen von Erfurt, die Debatte in dieser Art und Weise zu führen!

(Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Herr Kollege Oettinger, wegen einer Erhöhung des Bruttosozialprodukts um 1 Promille eröffnen Sie die Chance, dass über 18-Jährige mehr in dieser Geschichte machen.

(Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Das ist nicht scheinheilig, überhaupt nicht scheinheilig.

(Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Scheinheilig ist, wenn man Sprüche nach außen macht, aber die Konsequenzen in der praktischen Politik nicht zieht. Das ist scheinheilig!

(Lebhafter Beifall bei der SPD Zuruf des Abg. Oettinger CDU)

Wir sind nicht in Nordrhein-Westfalen, wir sind in Baden-Württemberg. Ich bin auch nicht für Nordrhein-Westfalen zuständig.

(Zurufe von der CDU)

Der einzige Minister, der offensichtlich das C im Parteinamen noch verinnerlicht, ist Minister Repnik. Der sagt nämlich in der Öffentlichkeit und gegenüber der Zeitung ganz deutlich, dass er den längeren Öffnungszeiten der Spielhallen sehr skeptisch gegenüberstehe. Er macht sich auch Sorgen um die jungen Heranwachsenden im Alter von 18 bis 27 Jahren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wir tun das auch.

Herr Ministerpräsident, nach den Ereignissen von Erfurt muss man doch einfach sagen: Es passt nicht ins Bild, die Öffnungszeiten zu verlängern. Nach meiner Meinung müssten Sie hervortreten und sagen, dass für Sie in absehbarer Zeit eine Verlängerung der Öffnungszeiten von bis 22 Uhr auf bis 24 Uhr nicht in Betracht kommt. Dann wäre das kein Thema mehr.

Auf der einen Seite ein Bündnis gegen Gewalt auszurufen wofür wir auch sind , den Familien zu sagen, sie sollten sich darum kümmern, dass die Jugendlichen zu Hause keine Gewaltspiele durchführten, während der Staat auf der anderen Seite die Spielhallen bis 24 Uhr öffnet: Das ist die falsche Konsequenz der Politik!

(Lebhafter Beifall bei der SPD Lebhafte Unruhe)

Das Wort erhält Herr Abg. Pauli.

(Lebhafte Unruhe)

Damit alle es hören und nicht nur sehen: Das Wort erhält Herr Abg. Pauli!

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben soeben erlebt, wie in einer Aktuellen Debatte aus einer Mücke ein Elefant „gedrexelt“ wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Zurufe von der SPD)

Tatsache ist, dass die Gefahren, die Sie, Herr Drexler, angerissen haben, nicht vor dem Hintergrund der Öffnungszeiten gedeihen, sondern in erschreckender Weise durch Computer- und Videospiele per Internet, die rund um die Uhr Kindern und Jugendlichen zugänglich sind, und zwar ohne irgendwelche Sperrzeitenverkürzung.

(Beifall bei der CDU Zurufe von der SPD)

Sie, Herr Drexler, können das in den „Stuttgarter Nachrichten“ von heute nachlesen. Da wird berichtet von extremistischen, menschenverachtenden Killerspielen. Das ist eine Herausforderung, der wir als Politiker uns stellen müssen.

(Zurufe von der SPD)

Es kann nicht sein, dass mit virtuellen Waffen auf Menschen geschossen wird, dass Blut spritzt, Schreie der Sterbenden zu hören sind, beim Häuserkampf alles umfällt, was sich bewegt. Und die Behörden sind dabei oft machtlos.

(Zurufe von der SPD)

Das ist die Herausforderung für uns.

Zu den Öffnungszeiten der Spielhallen steht die Tatsache fest, dass sie vor ein paar Jahren, Anfang der Neunzigerjahre, auf Wunsch unseres damaligen kleineren Koalitionspartners verändert worden sind.

(Abg. Drexler SPD: SPD!)

Wir stellen heute nüchtern fest: Da hat sich nichts dramatisch verändert, weder wirtschaftlich noch in der Suchtgeschichte, noch in der gesellschaftlichen Entwicklung usw.

(Abg. Drexler SPD: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Tatsache ist: Jetzt liegt uns wieder ein Verordnungsentwurf vor, der sich allerdings, wie Sie betont haben, immer noch im Anhörungsverfahren befindet. Ich rate Ihnen, zunächst einmal das Anhörungsverfahren abzuwarten, es abzuschließen, anstatt sich hier vorschnell aufzublasen.

(Abg. Drexler SPD: Was wollen Sie denn?)

Tatsache ist: Kein einziger Jugendlicher wird von dieser Verordnung tangiert oder gefährdet.

(Zurufe von der SPD)

Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren haben nämlich zu solchen Spielhallen überhaupt keinen Zutritt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Wider- spruch bei der SPD Abg. Capezzuto SPD: Wo leben Sie denn? Im Keller? Kommen Sie nie aus dem Keller heraus? Weitere Zurufe von der SPD)

Jetzt hören Sie doch einmal zu, bevor Sie das so aufbauschen.

(Lebhafte Unruhe)

Tatsache ist: Das Landeskabinett kann bei Öffnungszeiten mitreden, aber über das, was in den Spielhallen steht Killerspiele usw. , entscheidet der Bund mit. Das ist ein ganz anderes Haus.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP Zurufe von der SPD)