Die Hochschulen haben bis zum heutigen Tag drei Möglichkeiten, in eigener Verantwortung mit diesem Thema
umzugehen. Sie können erstens das Diplom beibehalten wie gehabt, sie können zweitens Diplom und die neuen Abschlüsse parallel anbieten, oder sie können drittens auch in eigener Regie allein diese neuen Abschlüsse einführen.
Meine Damen und Herren, zusammengefasst: Die Vorwürfe oder auch die Sorgen der SPD sind hier völlig unbegründet. Niemand denkt daran
Ja, ja. Die Sorge der SPD, dass diese Abschlüsse hier per Staatsputsch eingeführt würden, ist völlig unbegründet.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wurde jetzt schon mehrmals darauf hingewiesen: Der Titel unserer jetzigen Diskussion zur Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge plakativ: Staatsdirigismus kontra Autonomie klingt zwar knackig, geht aber tatsächlich völlig am Thema vorbei,
weil das Problem nicht die Frage ist, ob diese neuen Studiengänge von oben aufoktroyiert werden, sondern in zwei ganz anderen, grundsätzlicheren Fragen besteht.
Die erste Frage ist: Gelingt mit der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge die überfällige inhaltliche Studienreform, oder werden mit der Einführung der neuen Studiengänge einfach nur neue Etiketten auf die alten Muster aufgeklebt?
Die zweite grundsätzliche Frage ist: Gewinnen die neuen Abschlüsse die für das Gelingen notwendige gesellschaftliche Akzeptanz? Gewinnen sie Akzeptanz bei den Studierenden, und gewinnen sie Akzeptanz bei den Arbeitgebern? Dazu gehören sowohl die Wirtschaft als auch die öffentliche Verwaltung.
Zum ersten Punkt: Studienreform oder Etikettenschwindel? Wir Grünen begrüßen grundsätzlich die Einführung von konsekutiven Studiengängen. Wir sind für die Einführung von Bachelor und Master, wenn dadurch die Studienreform erreicht wird. Es steht außer Zweifel, dass das Studium für die Studierenden flexibler und offener werden muss. Notwendig sind auch angesichts der unvertretbar hohen Abbrecherquoten mehr Ausstiegs-, Umstiegs- und Einstiegsoptionen für ein Studium, und zwar gerade weil das lebenslange Lernen immer wichtiger wird.
Deswegen müssen auch die Instanzen zur Erstausbildung verändert werden, etwa zu einem Hochschulsystem, in dem die Absolventen und Absolventinnen nach einem ersten Abschluss aussteigen können, Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt sammeln können, um dann Jahre später in einem Master-Studiengang an der Universität weiterstudieren zu können.
Ein Hochschulsystem der Zukunft muss solche Optionen eröffnen, auch um internationalen Standards gerechter zu werden und internationale Mobilität von Studierenden zu fördern. Eine Voraussetzung dafür ist aber, dass kein enger Flaschenhals zwischen Bachelor- und Master-Studiengängen geschaffen wird, also nicht nur ein kleiner Teil der Bachelor-Absolventen zu einem Master-Studiengang zugelassen wird. Denn das würde umgekehrt bedeuten, dass wir kein konsekutives Studiensystem einführen, sondern ein System aus Kurzzeitstudien für die große Mehrheit und längeren wissenschaftlichen Studiengängen für eine kleine Minderheit. Ein solches System würde insgesamt zu einem Verlust der breiten Qualität der deutschen Hochschulen führen und ist für uns kein Modell für die Zukunft.
Die Wissenschaftsgesellschaft braucht eine Hochschulausbildung, die Qualifikationsmöglichkeiten in großer Breite bietet, zugleich aber auch mit hoher Flexibilität kombiniert.
Mittlerweile gibt es in Baden-Württemberg eine große Zahl an Master-Studiengängen. Ich begrüße dabei besonders, dass viele neue fachliche und zum Teil interdisziplinäre Zuschnitte versucht wurden und dass einige auch explizit sehr international angelegt sind.
Sosehr aber die neuen Master-Studiengänge das Profil vieler Hochschulen schmücken, es bleibt auf lange Sicht alles Schall und Rauch, wenn das Fundament nicht stimmt, wenn es also nicht auch zu einer Profilierung der BachelorStudiengänge kommt. Es genügt nämlich nicht, auf das Vordiplom das neue Etikett Bachelor aufzukleben.
Wir brauchen die schon lange ausstehende Reform der ersten Phase des Studiums. Dabei muss es erstens darum gehen, die Bildung der Persönlichkeit unter dem Stichwort Schlüsselqualifikationen in den Mittelpunkt zu stellen.
Zweitens muss es darum gehen, wissenschaftliches Handwerkszeug zu vermitteln als eine Methode, das Lernen zu lernen und sich ständig weiterzubilden, auch auf zunächst fremden Feldern.
Drittens muss es bei einer solchen Studienreform darum gehen, Grundlagen und Orientierung für eine Fachwissen
schaft zu legen. Bachelor heißt: Dieser Studienabschnitt bereitet auf weitere wissenschaftliche Tätigkeit in einem gleich oder später folgenden Master-Studiengang vor. Bachelor heißt aber auch: Dieser Studiengang bereitet auf berufliche Tätigkeit vor.
Die konsekutiven Studiengänge werden nur erfolgreich sein, wenn es für BachelorAbsolventen gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gibt. Dafür sind die Voraussetzungen derzeit aber noch nicht gegeben, nicht bei den Hochschulen und auch nicht bei der Wirtschaft.
Damit komme ich zum zweiten Punkt: die gesellschaftliche Akzeptanz. Die gesellschaftliche Akzeptanz ist sowohl in der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung noch nicht gegeben. Solange es noch keine Angebote der Arbeitgeber an Bachelor-Absolventen gibt, brauchen wir nicht lange Zeit mit Debatten über Sinn und Unsinn der konsekutiven Studiengänge zu verschwenden.
Daher besteht auf zwei Seiten Handlungsbedarf für die Landesregierung: zum einen gegenüber den Hochschulen. Hier muss sie für qualitätsvolle Bachelor-Studiengänge sorgen, sie fordern und fördern. Zum Zweiten besteht Handlungsbedarf gegenüber der Wirtschaft. Hier muss die Landesregierung über den Bachelor und seine Möglichkeiten informieren und für Absolventen dieser neuen Studiengänge werben.
Wir fordern deswegen die Landesregierung auf: Starten Sie eine Qualitätsoffensive und eine Imagekampagne für die Bachelor-Studiengänge! Es entscheidet nämlich die gesellschaftliche Akzeptanz von Bachelor und Master über den Erfolg der Studienreform und nicht der staatliche Dirigismus, wie in dem Antrag vorgegeben wurde.
Gerade weil es um die gesellschaftliche Akzeptanz geht, ist das, was wir gegenwärtig bei der Frage des Zugangs von Absolventen mit Master-Abschlüssen zum höheren Dienst erleben, so fatal. Die Kultusministerkonferenz und die Innenministerkonferenz verhandeln derzeit darüber, welche Abschlüsse den Zugang zum höheren Staatsdienst erlauben. Der Vorschlag der gemeinsamen Arbeitsgruppe sieht vor, Fachhochschul-Mastern den Aufstieg zu verwehren, wenn ihr Studiengang nicht ein spezielles Anerkennungsund Prüfverfahren durchlaufen hat. Die Master-Absolventen der Universitäten sollen dagegen ohne diese Anerkennung direkt in die höheren Besoldungsstufen der Beamten aufsteigen können. Wenn sich dieser Vorschlag tatsächlich durchsetzt, wäre dies ein ganz und gar kontraproduktives Signal an die Wirtschaft in dem Sinne, dass ein FH-Master nicht so viel wert ist wie ein Universitäts-Master. Nur so kann man die derzeit diskutierten Pläne interpretieren. Das wäre in der Tat ein gewaltiger Rückschlag für die gleichwertige Anerkennung von Fachhochschulen. Es wäre auch ein Rückschlag für den Stellenwert von Master- und Ba
chelor-Studiengängen insgesamt. Gerade die Fachhochschulen in Baden-Württemberg, die mit hervorragenden, auch international anerkannten Angeboten in Vorleistung getreten sind, wären davon betroffen.
Ich muss dazu sagen: Auch die baden-württembergische Landesregierung hat sich bislang in dieser Sache nicht festgelegt. Deswegen nutzen die Bekundungen des guten Willens unseres Wissenschaftsministers recht wenig. Die Gefahr, dass es zu einer Abwertung des Master-Studiengangs an den FHs kommt, ist groß. Minister Frankenberg könnte noch so viele Master-Studiengänge verordnen, wie er wollte oder wie die SPD unterstellt: Solange die öffentliche Hand die Botschaft vermittelt, manche Master-Studiengänge seien nicht so viel wert, kann das gesamte Modell nicht zu einem Erfolgsmodell werden.
Deshalb fordern wir Sie auf, bei den anstehenden Verhandlungen alles zu unternehmen, um eine faktische Benachteiligung der Fachhochschul-Master-Studiengänge zu verhindern. Herr Innenminister ich weiß nicht, ob er anwesend ist , auch Sie haben eine Möglichkeit, hier konkret im Land Baden-Württemberg deutlich zu machen, dass der öffentliche Dienst zumindest in Baden-Württemberg MasterAbsolventen von Fachhochschulen uneingeschränkten Zugang zum höheren Dienst ermöglicht.
Meine Damen und Herren, wir sehen in der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen eine Chance für eine Studienreform. Aber diese Chance wird scheitern, wenn der Standesdünkel und ein Dienstrecht aus dem 19. Jahrhundert die Oberhand behalten.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nur den Eindruck, den meine Nachrednerinnen und Nachredner von unserem Antrag vermittelt haben, richtig stellen.
Es ging uns mit unserem Antrag nicht darum das haben Sie hoffentlich auch in meinem Redebeitrag gemerkt , Bachelor und Master schlecht zu machen oder schlechtzureden. Es ging uns vielmehr darum, den Wissenschaftsminister daran zu hindern, Diplom- und Master-Studiengänge schlechtzureden, wie er es getan hat. Es ging auch darum, deutlich zu machen: Im Juli letzten Jahres war es ein eindeutiges Votum des Ministers, zumindest ein öffentliches Votum er ist ja dann auch von den Rektorenkonferenzen entsprechend angeschrieben worden , dieses Bachelorund Master-Programm in Baden-Württemberg mit Vehemenz und mit Druck von Regierungsseite durchzusetzen. Dagegen haben wir uns in unserem Antrag gewandt.
Ich habe Ihnen in meiner Rede ja auch gesagt, dass der Minister, als er diese Antwort geschrieben hat, sich schon wesentlich differenzierter zu dieser Thematik geäußert hat als