Protocol of the Session on May 15, 2002

in der Pressemitteilung oder in dem Interview, das er damals gegeben hat. Das ist ein Beispiel dafür, wie Parlamentarismus wirken kann, wie Parlamentarismus auch Regierungshandeln beeinflussen kann, wenn man den Mut hat, sich mit plakativen Äußerungen gegen plakative Äußerungen zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Professor Frankenberg.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen, oder auch Bakkalaureus- und Magister-Studiengängen, gibt es keinen Staatsdirigismus, das heißt keine Zwangsverordnung. Die Hochschulen müssen weder die traditionellen Studiengänge abschaffen noch für die neuen Studiengänge die englischen Begriffe wählen. Es besteht auch die Freiheit, die lateinischen Begriffe zu wählen, auf die der ehemalige Kollege Meyer in Sachsen mit Recht immer Wert legte, weil das System kein angelsächsisches System ist, sondern ein deutsches System, das die Amerikaner übernommen haben und das wir wiederentdecken. Es ist also ein Stück deutscher Hochschulkultur.

Der Sinn der gestuften Studiengänge ist allerdings ein Kernbestandteil der Hochschulreform. Denn wie Herr Abg. Dr. Schüle ausgeführt hat, werden wir ohne die weitestgehende Einführung der gestuften Studiengänge die notwendige Bildung und Ausbildung immer größerer Teile unserer Altersjahrgänge in angemessener Zeit nicht erreichen können. Wir müssen uns ja fragen, warum in den angelsächsischen Ländern bei höherer Bildungspartizipation die Studienzeiten kürzer und die Betreuungsrelationen wesentlich besser sind. Beides können wir nur durch weitestgehende Einführung der gestuften Studiengänge erreichen übrigens einschließlich von Doktoranden-Studiengängen, die dazugehören.

Der zweite wesentliche Grund ist die Internationalisierung. Nicht weil Bachelor ein englisches Wort ist, ist es ein internationaler Studiengang, sondern weil in der Regel der Wechsel von einem Land zum anderen nach einer Studienphase erfolgt, also der Bachelor in dem Land A und der Master in dem Land B studiert wird; das ist völlig üblich. Ich denke, gerade in einem Land mit hoch differenzierter Hochschullandschaft wie Baden-Württemberg müssen wir auch die Studierenden dazu bringen, diesen Wechsel zwischen den Hochschularten vorzunehmen und die Studiengänge nicht an einer Hochschulart „zwingend“ fortzusetzen. Wir müssen also die Kombinatorik zwischen Fachhochschulen und Universitäten erreichen.

(Zuruf des Abg. Braun SPD)

Manchmal muss man die Hochschulen eben, zum Beispiel auch mit Interviews, drängen, etwas zu tun, was vernünftig ist.

(Zuruf des Abg. Braun SPD)

Wir müssen auch erreichen, dass der zweite Studienabschnitt, nämlich der Master oder Magister, wesentlich um

fangreicher als bisher berufsbegleitend studiert wird. Denn wir haben auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Wir können nicht in einer immer ungünstigeren demographischen Situation 30 oder 40 % eines Altersjahrgangs länger und länger studieren lassen und dann noch glauben, wir könnten das Rentenproblem irgendwie in den Griff bekommen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Vielmehr muss meiner Ansicht nach die Lebensarbeitszeit vorne und hinten verlängert werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es ist aber völlig richtig, dass wir die Einführung der gestuften Studiengänge nur verantworten können, wenn sie in der Qualität stimmen, Frau Bauer, wenn die Studiengänge eine eigene Qualität haben, wenn es nicht einfach Umetikettierung oder „Zwischenprüfung plus zwei“ ist.

Frau Bregenzer, ich kann aus meiner Erfahrung als Hochschullehrer nur sagen: Es ist durchaus möglich, in drei Jahren ein wissenschaftlich fundiertes Studium oder ein praxisorientiertes Studium zu absolvieren. Das hängt von der Qualität des Angebots und vom Engagement der Lehrenden ab. Ich selber muss gestehen, dass ich mich nach sieben Semestern mit einer Sondervollmacht, die erteilt worden ist, zum Staatsexamen gemeldet habe. Ich denke, bis jetzt hat mir dieser frühe Examenstermin, jedenfalls in meiner wissenschaftlichen Karriere, nicht geschadet.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wichtig ist allerdings nicht nur die Qualität der Studiengänge, sondern auch die Akzeptanz der Studiengänge. Die Akzeptanz britischer Bachelor-Absolventen bei deutschen Unternehmen ist groß. Wir müssen aber dafür sorgen, dass diese deutsche Bachelor-Absolventen akzeptieren. Wir haben deshalb eine Arbeitsgruppe aus Wirtschaft, Hochschulen und Ministerium eingerichtet, um die Wirtschaft durch Überzeugung dazu zu bringen, die Bachelors einzustellen. Denn auch die Wirtschaft fordert jüngere Absolventen, und sie fordert international ausgebildete Absolventen. Wir werden sie anbieten. Aber die Unternehmen sollen dann auch auf diese Absolventen zugehen und sie einstellen. Nur: Es gibt noch keinen Test, weil wir noch keine Bachelor-Absolventen haben. Insofern kann man auch nicht sagen, dass die Wirtschaft sie nicht einstellen würde.

In der Tat ist es wichtig, dass der öffentliche Dienst hier keine falschen Signale setzt, indem er etwa die Master-Absolventen von Fachhochschulen nicht zum höheren Dienst zulässt.

(Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig!)

Derzeit gibt es eine Kompromissformel zwischen Kultusministerkonferenz und Innenministerkonferenz, die uns akzeptabel erscheint, weil im Akkreditierungsverfahren nur noch Kriterien des öffentlichen Dienstes für den FH-Master festgestellt werden und nicht mehr universitäre Kriterien. Wir haben uns im Verfahren nicht deshalb der Stimme enthalten, weil wir gegen den Zugang von Master-Absolventen der Fachhochschulen zum höheren Dienst wären,

(Minister Dr. Frankenberg)

sondern weil uns der Kompromiss nicht weit genug geht für die Öffnung zugunsten der Fachhochschulabsolventen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber wir werden, wenn es in der Kultusministerkonferenz, wo Einstimmigkeit erforderlich ist, so kommt, dem Kompromiss zustimmen, weil der Rückfall in die Situation, dass Fachhochschulabsolventen nur zum gehobenen Dienst zugelassen werden könnten, für uns noch negativer ist. Da gibt es auch keine Meinungsunterschiede zwischen unserem Innenminister und mir.

Wenn es einen Bereich gibt, in dem wir wirklich den Umstieg primär forcieren sollten, dann ist es der Magisterbereich. Denn zwischen Magister und Master gibt es halt, wie schon der Name deutlich macht, keine sehr großen Unterschiede. Wir würden gerade in den Geisteswissenschaften durch die Stufung der Studiengänge sehr viel erreichen können. Denn dort haben wir die längsten Studienzeiten, die höchsten Abbrecherquoten, also das größte Bedürfnis, die Vorteile der gestuften Studiengänge zu nutzen.

Nun noch ein Wort zu dem Interview, das ich dem „Focus“ gegeben habe. Zunächst einmal, Frau Bregenzer: Ich werde mich immer im Parlament differenzierter äußern als im „Focus“. Ich glaube, das wird jeder von uns tun.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Aber die „Focus“-Leser sind natürlich in hochschulpolitischen Fragen nicht alle so belesen wie Sie, Frau Bregenzer. Insofern muss man sich dort auch einfacher äußern können.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Zweitens haben Sie gesagt, ich sei im August noch nicht lange im Amt gewesen. Das stimmt zwar, aber ich war schon lange in der Materie, und ich war der Materie noch näher, als ich das heute bin.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich halte es für richtig und für meine politische Pflicht, auch durch deutliche Interviews notwendige Reformen, die in Autonomie durchgeführt werden, anzumahnen und auf ihre Notwendigkeit hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU)

Denn so gut unsere Hochschulen auch sind, sie bewegen sich wie Segelschiffe: nicht ohne Wind. Den muss man halt manchmal machen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Noch ein letztes Wort zur Hochschulautonomie, die Sie, Frau Bregenzer, angesprochen haben. Das Ministerium ist nur noch für die Genehmigung von Bachelor- und MasterStudiengängen zuständig, weil diese Studiengänge befristet zugelassen werden. Die Zuständigkeit für Genehmigungen und Veränderungen der bisherigen Studiengänge liegt bei den Hochschulen selbst. Wenn es Verzögerungen gibt, können diese nicht bei uns liegen, sondern nur im Verfahren der Hochschulen selbst oder darin, dass die Studienund Prüfungsordnungen nicht den Rechtsnotwendigkeiten entsprechen, weil die Hochschulen hier noch keine so großen Erfahrungen haben.

Ich denke, es wäre gut, wenn der Landtag von BadenWürttemberg und alle politischen Parteien und dies zeichnet sich ab für die Umstellung unserer Studiengänge in gestufte Studiengänge wären, die Qualität dieser Studiengänge auch nach außen tragen würden und für die Akzeptanz in der Gesellschaft und bei der Wirtschaft sorgen oder dazu beitragen würden.

Ich würde mir wünschen, dass Sie auch verstehen, wenn ich manchmal ein deutliches Wort nach außen in Richtung Reform unserer Hochschullandschaft sage. Ich werde dies auch weiter tun.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags. Die Fraktion der SPD beantragt, den Antrag Drucksache 13/144 insgesamt für erledigt zu erklären. Sie stimmen der Erledigterklärung zu. Es ist so beschlossen.

Punkt 6 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.

Die nächste Sitzung findet morgen, Donnerstag, 16. Mai 2002, 9:30 Uhr statt.

Ich darf Ihnen noch bekannt geben: Die beiden Busse stehen jetzt vor dem Rathaus. Sie fahren in fünf Minuten zum Dorint-Hotel und auf Wunsch auch gleich weiter zum ZKM. In jedem Fall fahren um 19:15 Uhr die Busse vom Dorint-Hotel zum ZKM.

Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.

Schluss: 18:34 Uhr