Im Übrigen werden wir uns, meine Damen und Herren, künftig verstärkt darum bemühen, bereits integrierte Personen etwa Brückenlehrer in die Integrationsarbeit mit ihren Landsleuten einzubeziehen. Probleme bei der sprachlichen Verständigung sind damit von vornherein ausgeräumt. Der Zugang zu dem anzusprechenden Personenkreis dürfte zumeist einfacher und ohne Ressentiments möglich sein. Die konkreten Möglichkeiten werden wir in dem neuen Landesarbeitskreis Integration erörtern und dann auch realisieren.
Aber, meine Damen und Herren, ich will auch heute zum wiederholten Mal klar sagen, worüber in diesem Haus, wie ich denke, Konsens besteht oder bestehen sollte: Integration ist auch eine Bringschuld,
denn ohne den Willen und die Bereitschaft der Ausländer und Spätaussiedler zur Integration kann die Integration nicht gelingen. Wer auf Dauer bei uns leben will, muss ein Mindestmaß an Integrationsbereitschaft mitbringen. Integration ist, wie gesagt, keine Einbahnstraße. Vielmehr müssen die Betroffenen auch selbst bereit sein, sich den Anforderungen der Integration zu stellen und diese aktiv zu unterstützen.
Wer dies grundsätzlich anders sieht, ist aufgefordert, seine Situation selbstkritisch zu reflektieren. Es kann nicht gut gehen, in einem Staat auf Dauer leben zu wollen und gleichzeitig alle oder nahezu alle Merkmale sowie Normen abzulehnen, die diese Bevölkerung und diesen Staat kennzeichnen.
Hier muss von den Betroffenen umgedacht werden. Es gilt, über Gruppeninteressen hinweg aufeinander zuzugehen, gegenseitiges Verständnis aufzubringen und unsere Rechtsund Werteordnung zu akzeptieren. Beispielsweise muss die Bereitschaft bestehen, die Grundrechte zu beachten und die nach Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes festgelegte gleichberechtigte Stellung der Frau zu respektieren.
Die Grundrechte, meine Damen und Herren von der SPD, sind keine allgemeinen Programmsätze, sondern sie bestimmen auch den täglichen Umgang miteinander und sind Vorgaben an Deutsche und Ausländer gleichermaßen.
Ich kann es, wenn Sie wollen, auch anders ausdrücken: Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, dass jemand auf Dauer bei uns bleiben will, dem unsere Rechts- und Werteordnung nicht passt und der sie daher nicht akzeptieren kann oder gar bekämpft. So einfach ist das.
(Beifall bei der CDU Abg. Wieser CDU zur SPD: Das ist doch wohl klar! Da müsst ihr doch auch klatschen! Das ist doch eine Binsenweisheit!)
In diesem Sinne sehe ich es als einen Schritt in die richtige Richtung an, dass der Zentralrat der Muslime als einer von mehreren islamischen Spitzenverbänden in einer Islamischen Charta vom 20. Februar 2002 ich zitiere die vom Grundgesetz garantierte, gewaltenteilige, rechtsstaatliche und demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Parteienpluralismus, des aktiven und passiven Wahlrechts der Frau sowie der Religionsfreiheit bejaht und ferner erklärt hat, dass er nicht auf die Herstellung eines klerikalen Gottesstaates abzielt und das deutsche Ehe-, Erb- und Prozessrecht anerkennt.
Im Übrigen ist nach Auffassung der Landesregierung der Aspekt der verpflichtenden Anforderung im Sinne der Maxime Fördern und fordern im Entwurf des Zuwanderungsgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt. Eine Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs geht doch ins Leere, meine Damen und Herren, wenn sie nicht mit wirksamen Sanktionen verbunden ist.
Ein Beratungsgespräch als Streicheleinheit, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, wird die Betroffenen doch in
der Regel gar nicht zur Teilnahme bewegen. Die Regelungen sind auch in vielerlei Hinsicht zu unpräzise. Was soll es denn bedeuten darüber haben wir hier in diesem hohen Hause schon diskutiert , wenn ein Verstoß gegen die Teilnahmepflicht am Integrationskurs bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis so der Gesetzeswortlaut berücksichtigt werden soll? Die Sanktionen müssen vielmehr eindeutig benannt werden, und zwar bis hin zur Aufenthaltsbeendigung als letzte Konsequenz.
In diesem Zusammenhang ist an den von der Landesregierung bereits im Oktober 2000 im Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Integrationsgesetzes zu erinnern, mit dem wir bundesweit erneut eine Vorreiterrolle eingenommen und erstmals gesetzliche Regelungen zur Integration, insbesondere zu Integrationskosten, vorgeschlagen haben. Dieser Entwurf sieht entsprechende Regelungen, auch was Sanktionen angeht, vor. Ich darf mit einer gewissen Genugtuung vermerken, dass andere, expressis verbis Nordrhein-Westfalen, sich diesem Weg inzwischen angeschlossen haben. Warum schließt sich die Bundesregierung diesem erfolgreichen Weg nicht an?
Wie wichtig echte Sanktionen sind, wird doch deutlich durch die Bewertung, zu der eine im Februar 2002, also vor wenigen Wochen, vorgelegte Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Situation der Türken in Deutschland kommt. Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums Nordrhein-Westfalen, Bülent Arslan, hat dazu angemerkt, der wichtigste Faktor bei der Integration sei die Sprache. In der Freizeit verwendeten noch nicht einmal ein Fünftel der Türken die deutsche Sprache, etwa ein Drittel spreche außerhalb der Arbeit beide Sprachen gleichwertig, und das, obwohl die überwältigende Mehrheit seit über zehn Jahren hier lebe. Falls positive Anreize nicht ausreichten, so diese Studie, müsse es eben zur Pflicht gemacht werden, die deutsche Sprache zu erlernen, wobei das allerdings nicht das alleinige Heilmittel sei.
(Abg. Wieser CDU: Die Voraussetzung! Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Aber Pflicht und Sankti- on ist ein Unterschied!)
Aber es muss eine klare Verpflichtung mit Sanktionen zum Erlernen der deutschen Sprache geschaffen werden.
Hier sind alle gefordert. Wir müssen auch das Menschenmögliche für die Integration tun. Unter dieser Voraussetzung stellt die Landesregierung aber auch fest: Wer trotz aller mit erheblichem finanziellem Aufwand erfolgten Hilfen und angebotenen Hilfen nicht integrierbar ist, wer unsere Lebensordnung nicht akzeptiert, wer gar zum Straftäter wird, den müssen empfindliche Sanktionen treffen, und er kann, soweit rechtlich möglich, nicht auf Dauer in Deutschland bleiben.
Ich darf festhalten: Das Land hat schon in der Vergangenheit vielfältige Integrationsangebote bereitgestellt. Jetzt, in diesem Jahr, werden wir die Integrationsmaßnahmen noch erheblich intensivieren und ausbauen. Eines ist allerdings klar: Der von uns im Jahr 2002 erreichte Stand kann nicht bedeuten, dass keine weiteren Maßnahmen in Betracht kommen. Dies wird schon aus den vom Ministerrat am 26. Februar 2002 erteilten Aufträgen deutlich. Uns geht es vielmehr um Folgendes:
Wir betreten auch mit diesen neuen Maßnahmen vielfach Neuland. Wie gesagt: Noch niemand in Deutschland hat eigentlich das Know-how, wie die Integration gelingen kann. Das gilt auch für die Integrationskurse. Wir wollen und müssen deshalb Schritt für Schritt vorgehen und fortlaufend prüfen, ob die neuen Ansätze erfolgreich sind, und möglichst dann, wenn dies der Fall ist, zu einer Ausdehnung kommen. Insofern sind wir also mit möglichen Integrationsmaßnahmen nicht am Ende angelangt, sondern stehen mitten in einem Prozess, der ständig neu bewertet werden muss und auch fortlaufenden Änderungen, sprich Verbesserungen, zugänglich ist.
Die Landesregierung lädt alle ein, diesen aufgezeigten Weg mitzugehen. Wir sind uns sicher: Es gibt zu ihm keine vernünftige Alternative.
Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungserklärung hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heutige Regierungserklärung zur Integrationspolitik in Baden-Württemberg stimmt mich trotz vieler altbekannter Töne insgesamt hoffnungsvoll.
Herr Innenminister Schäuble, Sie haben am Anfang Ihrer Ausführungen eine Bestandsaufnahme gemacht und haben gesagt, der Ausländeranteil der Bevölkerung in BadenWürttemberg sei seit den Fünfzigerjahren von unter 1 % auf inzwischen 12 % gestiegen. Diese Zahlen belegen einen mehr oder weniger kontinuierlichen Wachstumsprozess über fünf Jahrzehnte hinweg.
Diese Zahlen stehen dafür, dass wir de facto ein Einwanderungsland sind. Auch wenn kein beabsichtigter Prozess da
hinter gestanden hat, dauerhafte Zuwanderung zu organisieren, ist es im Resultat eben so gekommen. Inzwischen sind 40 % der Ausländer in Baden-Württemberg dauerhaft hier im Land angesiedelt.
Viele wollten diese Entwicklung bis vor kurzem nicht wahrhaben und zogen sich auf Vogel-Strauß-Politik zurück. Sie haben ganz einfach vor den Tatsachen den Kopf in den Sand gesteckt. Von daher sehen wir, dass Sie mit der heutigen Regierungserklärung durchaus einen Schritt vorangegangen sind.
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion ist eine Herausforderung für alle Beteiligten, sowohl für die Einheimischen als auch für die Zugewanderten. Es verlangt Veränderungen von allen Seiten. Ohne Zweifel verlangt es eine größere Anstrengung von denen, die sich in der neuen Umgebung zurechtfinden müssen.
Aber das interkulturelle Zusammenleben ist auch Bereicherung und Horizonterweiterung. Gerade heute, in einer globalisierten Welt, wird ein gelungener Umgang mit kultureller Verschiedenheit geradezu zur Schlüsselqualifikation.
Hierzulande klopft man sich wegen unserer Spitzenposition in Technologie und Wissenschaft und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ja gern auf die Schulter. Untrennbar dazu gehört aber auch ein weltoffenes Klima ohne Wenn und Aber.