Protocol of the Session on February 6, 2002

(Abg. Fischer SPD: Weil sich nichts getan hat!)

Es ist nicht so, dass sich nichts getan hat, sondern wir können dem Anliegen aus guten Gründen nicht entsprechen. Wir würden dem Verfassungsauftrag von Artikel 7 des Grundgesetzes nicht entsprechen, wenn wir Religion und Ethik zu Wahlpflichtfächern machen würden; im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP Abg. Kleinmann FDP/DVP: Richtig! Sehr gut!)

Das Grundgesetz hat in Artikel 7 den Religionsgemeinschaften mit dem Religionsunterricht ein Feld der Erziehung und Bildung in öffentlichen Schulen zugewiesen. Wir haben diese Festlegung des Grundgesetzes nicht nur zu respektieren; wir sind froh, dass es sie gibt, und wir setzen sie auch konsequent um.

Wir können die Schülerinnen und Schüler nicht vom Religionsunterricht auf ein Fach lenken, das in der alleinigen Verantwortung des Staates steht. Ethik kann deshalb nur eine Art Auffangfach für Schülerinnen und Schüler sein, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU Abg. Klein- mann FDP/DVP: Sehr gut!)

Der Verfassunggeber wollte gerade nicht, dass Ethik- und Religionsunterricht zwei alternativ wählbare Wahlpflichtfächer sind.

Was kann der Religionsunterricht leisten, das der Ethikunterricht wahrscheinlich so nicht leisten kann? Kinder und Jugendliche sind mehr denn je auf Hilfe angewiesen, auf Hilfe bei der Suche nach Orientierung, auf Hilfe zur eigenen Entscheidung und auch ich sage das bewusst auf Unterstützung bei der Entwicklung einer eigenen Religiosität, die sie mehr trägt als alles andere Orientieren an Werten.

Kein Fach bietet mehr Hilfe als der Religionsunterricht; denn er beginnt mit der Vermittlung von Erfahrungen und Traditionen und nicht mit dem Lernen von Inhalten. Seine Aufgabe ist es, auf der Grundlage reflektierter Traditionen

nach dem Ganzen und nach dem Sinn des menschlichen Lebens und der Welt zu fragen. Das kann der Staat nicht leisten; denn er ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Artikel 7 des Grundgesetzes nimmt die Religionsgemeinschaften in die Pflicht er gibt ihnen nicht nur Rechte, sondern nimmt sie auch in die Pflicht ; sie verantworten den Religionsunterricht als einen Bekenntnisunterricht, in welchem die im Glauben begründeten Wahrheiten vermittelt werden.

Jeder junge Mensch wird damit in den öffentlichen Schulen einerseits im Glauben seiner Religionsgemeinschaft gestärkt. Andererseits lernt und erfährt er durch das Zusammenleben mit Andersgläubigen in der Schule die Toleranz auch in religiösen Fragen.

Der Ethikunterricht hingegen kann diese Aufgabe, die das Grundgesetz dem Religionsunterricht zugewiesen hat, nicht erfüllen. Er muss der Neutralitätspflicht des Staates in religiösen Fragen unterworfen bleiben. Religiöse Inhalte kann er nur in der Form einer distanzierten Religionskunde vermitteln, nicht aber in der Form einer im Glauben begründeten Verbindlichkeit.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Der Ethikunterricht hat eine wichtige Aufgabe, erst recht in einer Zeit, in der die Zahl derer, die den christlichen Religionsunterricht besuchen, schwindet. Die Ethiklehrerinnen und -lehrer leisten viel und erbringen einen wichtigen Beitrag für die Ausbildung der Toleranzfähigkeit und die Verbindlichkeit von Werten; ich will das überhaupt nicht gering schätzen. Aber die Unterschiede zum Religionsunterricht sind, glaube ich, sehr deutlich geworden.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Bestreitet das je- mand?)

Die Konsequenz Ihres Gesetzentwurfs ist, dass Sie es bestreiten wollen. Deswegen mache ich noch einmal deutlich, worum es geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998 ist schon von verschiedenen Rednern gewürdigt worden.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Verwaltungsge- richt!)

Des Bundesverwaltungsgerichts, Entschuldigung. Ich muss das nicht wiederholen.

Es ist deutlich geworden, dass die in Baden-Württemberg gültige Rechtslage auch rechtskonform ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ja eine gegen die Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von daher kann eindeutig rückgeschlossen werden, dass wir uns auf verfassungsrechtlich sicherem Boden bewegen.

(Staatssekretär Rau)

Trotz der großen Wertschätzung, die ich dem Fach Ethik entgegenbringe, rate ich deshalb aus den genannten Gründen dringend davon ab, ihm einen anderen Status als den eines Ersatzfaches zu geben. Ich habe auch ein wenig den Verdacht, als ob über diese ganz grundsätzlich angelegte Debatte der faktischen Gleichstellung von Religion und Ethik eine Debatte über das Verhältnis von Kirche und Staat wieder belebt werden soll, die vonseiten der Grünen immer wieder begonnen wird.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das ist absolut hanebüchen! Das Gegenteil ist der Fall!)

Das sind die Konsequenzen, die sich aus Ihrer Initiative ergeben. Ich will nur darauf hinweisen, dass man mit der Frage der Säkularisierung letztlich eine Debatte beginnt, die damit enden könnte, dass die Position der Religionsgemeinschaften in unserem Lande untergraben wird. Das ist mit uns überhaupt nicht zu machen.

(Zuruf von der SPD: Blödsinn!)

Wir sind mit den Kirchen im Verfassungsauftrag zur Bildung und Erziehung der jungen Generation verbunden, und das soll auch so bleiben.

Nun hat Herr Kollege Bayer mit, wie ich finde, bemerkenswertem Realismus am Ende auch noch auf die Ressourcenfrage hingewiesen. In der Tat ist es so, dass das, was in diesem Gesetzentwurf an Ausbringung zusätzlicher Stellen vorgeschlagen wird, in der Planung dieser Legislaturperiode überhaupt nicht zu leisten ist. Wir haben ab Klasse 8 in allen Schularten Ethikunterricht. Für die Studierenden des Hauptschullehramtes besteht übrigens auch die Möglichkeit, Ethik als Ergänzungsfach zu studieren. Es ist nicht so, dass dies an den Pädagogischen Hochschulen nicht studiert werden könnte. Man muss sich der Mühe eines Ergänzungsfachs unterziehen. Selbst wenn wir es wollten, haben wir aber gar nicht die Möglichkeit, den Ethikunterricht ab Klasse 1 flächendeckend einzuführen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Weil Sie unseren Finanzantrag abgelehnt haben!)

Wir haben nach § 100 a des Schulgesetzes den Auftrag, stufenweise voranzukommen. Wir haben uns bei der Prioritätenbildung deutlich für andere bildungspolitische Vorhaben entschieden. Das ist für mich ein weiterer Grund, weswegen wir diesem Gesetzentwurf heute mit Sicherheit nicht entsprechen können, allerdings ein nachrangiger Grund gegenüber den grundsätzlichen Überlegungen, die ich vorhin ins Feld geführt habe.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das, was die Vertreter der Regierung und die Koalitionsfraktionen dargelegt haben, hält einer kritischen Prüfung nicht stand. Was ist Ihre These? Ihre These ist: Wenn man Ethikunterricht ab Klasse 1 bis Klasse 7 ein

führte ab Klasse 8 besteht er ja schon , dann wäre das der Versuch, die Kinder vom Religionsunterricht abzuhalten und sie auf eine Bahn zu lenken, die man gar nicht wolle.

(Zuruf von der SPD: Säkularisiert!)

So kann nur jemand argumentieren das ist für das Kultusministerium ganz typisch , der bar jeder Kenntnis der praktischen Verhältnisse in den Schulen ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Abenteuerliche an Ihrer These ist Folgendes: Sie sagen, es ist besser, man hat für jene, die keiner Konfession angehören, gar keinen Unterricht als Ethikunterricht. Das genau ist Ihre These. Es ist also besser, Schüler, die keinen Religionsunterricht haben, werden vom Hausmeister betreut, statt ihnen ein Fach Ethik anzubieten. Das genau ist die praktische Konsequenz Ihrer Reden, und die ist völlig absurd.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Natürlich ist die Konkurrenz einer Freistunde gegenüber dem Religionsunterricht wahrlich um ein Vielfaches größer, als wenn man stattdessen auch in den Ethikunterricht gehen muss. Solche Thesen können wirklich nur weltfremde Leute erzählen, die noch nie an einer Schule waren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Faktisch ist es nämlich genau so, dass Ethik schon ein Wahlpflichtfach ist das ist faktisch genau das Wahlverhalten der Schüler , und was Sie tun, ist nichts anderes, als die Schüler zum Lügen zu ermuntern.

(Unruhe bei der CDU)

Also, ich weiß nun sehr genau, weil ich dieses Fach jede Woche unterrichte, dass das Schüler nach dem Lehrer und anderen Gesichtspunkten entscheiden und nachher irgendetwas von Glaubens- und Gewissensgründen auf den Zettel schreiben, den sie im Rektorat abgeben.

Es ist völlig weltfremd das erste Prinzip in der Politik ist aber Realismus , einerseits zu sagen: „Der Staat hat weder das Recht, noch macht es Sinn, Leute, die nicht in einer Religionsgemeinschaft sind, zwangszumissionieren“, und andererseits, wenn man das nicht schafft, zu sagen: „Dann bleibt der Schüler halt auf dem Schulhof oder lungert im Aufenthaltsraum herum, und der Hausmeister wird schon gucken, was er tut.“ Das ist völlig abwegig. Das ist die Verstiegenheit Ihrer Politik, die alle zwei Jahre eine neue „pädagogische Sau“ durchs Dorf treibt,

(Heiterkeit bei den Grünen)

aber nur in der Theorie, und was in der Praxis stattfindet, interessiert Sie nicht.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Ein „pädagogisches Schaf“!)

Ich glaube, es ist klar: Ausgerechnet den Einwandererkindern keine Werteerziehung zu geben, ist unter dem Ge