Protocol of the Session on February 1, 2002

Jetzt, Herr Wieser, wo es finanzpolitisch ernst wird, werden die Mittel aus der kommunalen Finanzmasse einfach hinübergeschoben, und das Land stellt keinen eigenen Beitrag zur Verfügung. Das nenne ich im Regen stehen lassen. Juristisch sagt man: Wer bestellt und nicht bezahlt, ist ein Zechpreller, wenn er dann andere zur Kasse bitten will. Das ist der Vorwurf, den nicht ich erhebe, sondern den die Gemeindeverbände, der Städtetag und auch der Landkreistag erheben, dass nämlich Bestellungen aufgegeben und dann nicht bezahlt werden.

Dies macht es notwendig, miteinander auch schon über das Jahr 2005 nachzudenken, nachdem die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich ergeben hat, dass auf einmal den Gemeinden Hunderte von Millionen an Einnahmen fehlen, weil ihre Finanzkraft zu ihren Lasten berücksichtigt wird. Es ist nicht erkennbar, dass auch nur ansatzweise die Bereitschaft bestünde, diese Steuermindereinnahmen aufzufangen.

Im Gegensatz zur Landesregierung und zu den baden-württembergischen Regierungsfraktionen ist im Bund die Diskussion nicht nur ansatzweise geführt worden, sondern ist dort beschlossen worden, noch in dieser Legislaturperiode eine Kommission zur Gemeindefinanzreform einzurichten,

(Abg. Wieser CDU: Eine Kommission! Lieber Gott, eine Kommission! Das sind doch Beerdi- gungsinstitute! Das weiß doch jeder!)

weil es das Konnexitätsprinzip, von dem Sie, Herr Wieser, wahrscheinlich noch nichts gehört haben,

(Abg. Wieser CDU: Lieber Freund Junginger, ich habe Wirtschaft studiert, nicht Jura!)

auch in der Ausgestaltung der Steueranteile rechtfertigt, die Gemeinden mit den erforderlichen Mitteln auszustatten.

Zum Einbruch bei der Gewerbesteuer hat der Gemeindetag auf der Bundesebene zum Ausdruck gebracht, dass es das alte Steuerrecht mit der Organschaft im Bereich der Gewerbesteuer war, das Korrekturen Ihrer alten Steuergesetzgebung notwendig machte, um überhaupt den Einbruch der Gewerbesteuern aufzufangen. Entsprechende gesetzliche Veränderungen sind sogar in Berlin bereits diskutiert und verabschiedet worden.

(Abg. Wieser CDU: „Sogar in Berlin“! Abg. Kübler CDU: Ihr habt doch die Reduzierung der Gewerbesteuerumlage abgelehnt!)

Wer war gegen diese Reformen und Änderungen zur Entlastung der Gemeinden? Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Für die eigenen Vorschläge der Steuerreform gibt es auch nicht den Ansatz einer Gegenfinanzierung. Auf die Frage, wer etwas für die Gemeinden getan hat,

(Abg. Rüeck CDU: Wir!)

müssen wir sagen: Es ist auch die Bundespolitik, die mit den Wohnbauprogrammen, mit dem erhöhten Kindergeld,

(Abg. Wieser CDU: Bundesverfassungsgericht!)

mit dem Programm zur Arbeitsplatzsicherung von Jugendlichen die Sozialhilfe im Umfang von Hunderten von Millionen entlastet hat. Hart getroffen hat die Gemeinden, dass die Sozialhilfeleistungen stark angestiegen sind, ohne dass die Gemeinden in irgendeiner Weise dafür Unterstützung bekommen haben.

Deswegen wird es Sie mit Sicherheit nicht wundern, dass wir sagen: Wer die Gemeinden so im Regen stehen lässt,

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Wie die Bundesregie- rung!)

wer absolut unfair bestellt und nicht bezahlt, der kann doch für dieses Finanzausgleichsänderungsgesetz keine Zustimmung bekommen.

(Abg. Wieser CDU: Die Sozialhilfe steigt, weil die Finanzpolitik versagt hat!)

Sie sind mit großen Worten ans Werk gegangen; mit den Taten haben Sie versagt.

Euroumstellung, Herr Kübler: Großartig! Natürlich sind wir einig: Die Spitzabrechnung hat ihren Sinn,

(Abg. Kübler CDU: Können Sie das abrechnen?)

weil auf diese Weise Vorwegentnahmen verhindert werden. Aber das, was in der Finanzausstattung der Gemeinden als angeblich gerechter und fairer Beitrag geleistet worden ist, ist unzulänglich. Deswegen lehnen wir dieses Gesetz ab

(Abg. Kübler CDU: So wie die Reduzierung der Gewerbesteuerumlage! Bitte sagen Sie das auch!)

und sagen auch: Hätten Sie unseren Haushaltsanträgen zum Feuerlöschwesen, zur Ganztagsbetreuung, zur Kinderbetreuung zugestimmt, dann hätten Sie finanzielle Beiträge zur Entlastung der Gemeinden und der Kreise geleistet.

(Abg. Alfred Haas CDU: Die Kommunen gekne- belt!)

Das haben Sie aber abgelehnt. Deswegen ist nichts da, was irgendeine Unterstützung verdient.

Wenn Sie so weitermachen, dann sollten Sie mindestens einmal lesen, was die Verbände in diesem Land als Verfassungsorgane von dieser Politik der Regierung und der Regierungsfraktionen halten. Das Urteil ist vernichtend, obwohl die sich immer sehr zahm und sehr angepasst artikulieren. Das wird auch einmal vorbei sein.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD Abg. Kübler CDU: Ich lese nicht, was die sagen; ich rede mit denen, im Ge- gensatz zu euch! Ihr redet gar nicht mit denen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Theurer.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Jetzt kommt ein Kenner der Materie! Abg. Boris Palmer GRÜNE: Von einem Oberbürgermeister erwarten wir aber mehr als von einem Bürgermeister!)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die kommunalen Finanzen kann man nicht ohne den Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung beurteilen; Sie kennen sie. Wenn es der Wirtschaft nicht gut geht, kann es auch dem Staat nicht gut gehen, weil er nur einnehmen kann, was in der Wirtschaft verdient wird.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU Abg. Wieser CDU: Das sind Grundwahr- heiten!)

Insgesamt leiden wir unter Milliarden an Steuerausfällen, meine Damen und Herren. Sie schlagen natürlich auch auf die Kommunen durch.

(Abg. Kübler CDU: So ist es!)

Im Vergleich sind jedoch die Rückgänge der Nettoeinnahmen beim Land größer als bei den Kommunen. Wir haben nach Erhebungen des Finanzministeriums Rückgänge beim Land von 5,8 % und bei den Kommunen von 4,9 %. Es trifft beide.

(Abg. Wichmann SPD: Aber die hängen auch schon schief!)

Die Situation in den Kommunen ist auch sehr unterschiedlich. Es gibt finanzschwache Kommunen, und ich darf sagen, Herr Kollege Junginger: Ich habe die Berichte der kommunalen Landesverbände gehört. Da gab es auch Punkte, über die man in Zukunft tatsächlich nachdenken muss.

(Abg. Schmid SPD: Handeln! Abg. Schmiedel SPD: Hoffentlich!)

In der einen oder anderen finanzschwachen Kommune gibt es auch Besorgnis erregende Entwicklungen. In BadenWürttemberg gibt es glücklicherweise aber auch Kommunen mit starker und mittlerer Finanzkraft.

(Abg. Wieser CDU: Mannheim vor allem!)

Im Vergleich zu anderen Bundesländern stehen wir gut da, was die kommunale Finanzkraft angeht.

Genau das ist uns ja bei der Novellierung des Länderfinanzausgleichs zum Verhängnis geworden; der Kollege Kübler hat davon völlig zu Recht gesprochen.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Auch unser Ministerpräsident hat darauf hingewiesen: Baden-Württemberg war dagegen, dass die kommunale Finanzkraft beim Länderfinanzausgleich stärker angerechnet wird. Wenn ich sehe, dass Rot-Grün 100 % der kommunalen Finanzkraft

(Abg. Pfister FDP/DVP: Angeboten hat!)

anrechnen wollte, bin ich der Meinung, dass das nicht der richtige Weg ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Ich glaube, wir brauchen insgesamt eine Neuordnung des Finanzwesens. Wer hat denn Leistungen bestellt und nicht bezahlt? Schauen wir doch einmal: Woher kam denn der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz?