Protocol of the Session on December 19, 2001

Doch was heißt das? Wir brauchen zum Beispiel – das ist völlig klar – eine funktionale Verwaltungsreform. Doch Sie sind zu träge. Sie trauen sich nicht. Sie reagieren nicht auf neue Herausforderungen. Es gibt – das hat der Sommer deutlich gezeigt – in diesem Hause eine Mehrheit für eine funktionale Verwaltungsreform. Ich gucke den Kollegen Pfister an. Ich kann auch Teile der CDU-Fraktion anschauen. Es gibt hier eine Mehrheit im Hause, aber keine Mehrheit in der Koalition. Das liegt daran, dass der größere Teil der CDU schlicht und ergreifend nicht will. Das ist eine Blockademinderheit, es ist eine Sperrminorität, die dem Land nicht gut tut.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Gestern stand es in der Zeitung: Erst dieser Tage gaben Wissenschaftler des Internationalen Instituts für Staatsund Europawissenschaften fünf grundlegende Empfehlungen ab, die Verwaltung in Baden-Württemberg umzubauen. Darunter ist eigentlich gar nichts Neues, was die Ministerien angeht: Konzentration auf Kernbereiche und Reduzierung der Anzahl der Ministerien. Das hätte man schon lange machen können. Sie fordern die weitere Verringerung und Zusammenfassung von Einrichtungen der oberen Landesverwaltung. Sie fordern die Straffung und Neuausrichtung der Regierungspräsidien und – ganz wichtig – die Kommunalisierung der unteren Landesbehörden. Sie fordern insgesamt eine Stärkung der Kommunen. Auf Ihre Antwort, meine Damen und Herren, darf man gespannt sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Strukturelle Änderungen bedeuten aber noch mehr. Strukturelle Änderungen bedeuten, dass man wirklich grundlegend an die Dinge herangeht. Als Mitte der Neunzigerjahre viele Kommunen finanziell am Ende waren, als ihre Haushalte nur unter strengsten Auflagen von den Regierungspräsidien genehmigt wurden und als es nur mit Sonderdeckungsmitteln möglich war, die Zuführungsrate zu erreichen, hat dieser Druck dafür gesorgt, dass sich viele Kommunen – das wird hier im Landtag viel zu wenig diskutiert – radikal verändert haben. Aufgabenkritik: Welche Leistungen muss die öffentliche Hand eigentlich erbringen? Welche erledigt der Markt besser? Welche können Private im Auftrag der Kommunen kostengünstiger erledigen? Diese und ähnliche Fragen wurden gestellt.

Das Stichwort, um das Ganze zu ändern, hieß: dezentrale Ressourcenverantwortung. Das heißt: Verantwortung nach unten verlagern, Ämtern und Abteilungen ein eigenes Budget geben, Dienstleistungen als Produkte definieren, Kosten- und Leistungsrechnung einführen, weg mit der Kameralistik – heutzutage noch die Kameralistik ist völliger Unsinn –, weg mit dem Dezemberfieber, dem unwirtschaftlichen Denken in Beamtenköpfen, hin zu einer Dienstleistungsmentalität.

All das, meine Damen und Herren, ist heute in vielen Kommunen Alltag. Die Kommunen wurden effizienter, sie wurden bürgernäher, und sie wurden vielfach auch demokratischer. Für das gleiche Geld – manchmal sogar für weniger Geld – gibt es heute in vielen Kommunen vielfach besseren öffentlichen Dienst.

Warum erzähle ich das eigentlich alles? Das erzähle ich deshalb, weil es das alles beim Land Baden-Württemberg nicht oder so gut wie nicht gibt. Das Land hat ja die Möglichkeit, Schulden aufzunehmen. Das mindert den Druck, Änderungen vorzunehmen, gewaltig. Das heißt, Sie haben in diesem Bereich völlig versagt. Hier ist noch überhaupt nichts geschehen, da stehen Sie völlig am Anfang.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zwar beschäftigt sich eine Stabsstelle damit, wie man in die Landesverwaltung neue Steuerungsinstrumente einbauen könnte. Doch ich will Ihnen ehrlich sagen: Ich finde, dass es sich dabei um eine Kopfgeburt handelt, die von den einzelnen Ministerien nicht unterstützt wird und die sich – das ist ein entscheidender Punkt – nicht um das Mitmachen der Beschäftigten kümmert, die darum nicht wirbt.

Hier ein Tipp von mir am Rande: Ohne die aktive Einbeziehung der Bediensteten können Sie sich solche Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes abschminken. Die Widerstände gegen jegliche Neuerung sind erfahrungsgemäß immer riesig, weil es vor Neuerungen immer Angst gibt. Neuerungen sind angstbesetzt. Das heißt, Sie müssen um das Mitmachen der Beschäftigten aktiv werben. Wenn Sie das nicht tun, können Sie den ganzen Prozess mit den neuen Steuerungsinstrumenten den Hasen geben.

(Beifall bei den Grünen)

Es gibt ein einziges Beispiel – es wurde schon erwähnt; ich will es auch erwähnen –, bei dem das Land konsequent einen anderen Weg eingeschlagen hat. Allerdings ist man dabei auf halbem Wege stehen geblieben. Ich schaue jetzt Minister Frankenberg an, denn ich meine den Hochschulbereich.

Der Solidarpakt zwischen dem Land und den Universitäten, der ja auf Ihr Betreiben hin, Herr Minister, geschlossen wurde, sah vor, dass es 10 % weniger Stellen und dafür im Gegenzug Planungssicherheit und mehr Autonomie für die Hochschulen gibt. Globalhaushalte, neue Führungsstrukturen an den Hochschulen, leistungsorientierte Mittelvergabe durch Indikatorsteuerung – alles Maßnahmen, die wir mit vorangetrieben und die in der Konsequenz dazu geführt haben, dass man heute von der Krise der Hochschulen fast nichts mehr hört.

Zu den neuen Steuerungsmodellen – jetzt komme ich zur Kehrseite der Medaille, Herr Minister – gehört aber auch, dass man ein solches Modell konsequent zu Ende führt. Zu Ende führen aber heißt, dass man das Ministerium letztendlich bis auf wenige Stellen völlig überflüssig macht – das könnte man auch, wenn man konsequent wäre – und das Schul- und das Hochschulministerium endlich zu einem Ministerium zusammenlegt, wie das die Experten immer wieder fordern.

Doch davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil! Nicht eine Stelle – nicht eine Stelle! – haben Sie neben den üblichen Streichungen – globale Minderausgabe und Stellenstreichungen – seitdem abgegeben. Der Wasserkopf im Ministerium ist genauso groß wie vorher. Nur wird immer unklarer, was dieser Wasserkopf eigentlich tut.

(Beifall bei den Grünen)

Im Schulbereich – da höre ich Ihre Worte wohl, Herr Kollege Pfister – kann von solchen Änderungen bislang überhaupt keine Rede sein. Autonomie für die Schulen? Fehlanzeige! Stattdessen haben wir Oberschulämter, die die Lehrer zu Tode verwalten.

Die Arbeit der Schulverwaltungen in anderen Ländern – das haben wir uns mit dem Ausschuss angesehen –, zum Beispiel in den Niederlanden, besteht mittlerweile aus Evaluierung und Beratung. Das ist Schulverwaltung; das machen die ehemaligen Oberschulämter in den Niederlanden.

Bei autonomen Schulen, die sich selbstständig ein Profil geben, die mit einem Budget ausgestattet sind und die sich ihre Lehrer oder Schulsozialarbeiter usw. selber einstellen,

(Abg. Zeller SPD: So ist es!)

brauchen Sie kein riesiges Kultusministerium mehr; das ist sicher.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte Ihnen nur ein Beispiel dafür nennen, welch blühender Unsinn bei uns im Haushalt steht, was Zentralität heißt und wie man es anders machen könnte. Das ist das Beispiel der Lehrerfortbildung. Was wir brauchen – das hat PISA deutlich gezeigt –, ist Lehrerfortbildung. Aber von den 4,7 Millionen Euro, die dafür im Doppelhaushalt stehen, gehen 3,5 Millionen Euro, also drei Viertel, für Reisekosten der Lehrer drauf. Das ist geradezu unglaublich. Wie wäre es denn, wenn man es wie in Basel machen würde, wo die Schulen ein Budget für Fortbildung zugewiesen bekommen und sich die Fortbildung nach Bedarf am Markt selber einkaufen können? Das wäre wahrscheinlich deutlich effektiver.

(Beifall bei den Grünen)

Ich glaube deshalb nicht, meine Damen und Herren – wir sind uns darin einig, dass die Genehmigung von neuen Stellen wichtig ist –, dass unserem Bildungssystem in erster Linie Geld fehlt. Was allerdings fehlt – und das ganz gewaltig –, ist neues Denken.

Das heißt, die Regierung steht insgesamt – das kann man zusammenfassen – vor einem strukturellen Problem. Das dämmert ihr allmählich selbst. Darum setzt sie jetzt – das wurde schon erwähnt – eine Strukturkommission ein, sogar eine Haushaltsstrukturkommission. Die Einrichtung einer solchen Kommission ist eigentlich ein vernünftiger Gedanke, wenn sie richtig besetzt wäre. Stattdessen ist sie aber mit der Koalitionsrunde identisch. Da hockt dann wahrlich der Sachverstand geballt auf einem Haufen, der Sachver

stand, der sich darauf bezieht, wie man den Partner in einer Koalition über den Tisch zieht,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

aber nicht der Sachverstand, den man bräuchte, um den Haushalt und die Verwaltung neu zu strukturieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich will Sie, Herr Winckler, nicht verraten, aber ich weiß, warum Sie lachen.

Man weiß schon heute, wie diese Runde ablaufen wird. Die ganze Fantasie wird darin bestehen, Vorschläge zu machen, die die eigene Klientel verschonen, dafür aber die anderen treffen und umgekehrt. Ich prophezeie Ihnen Folgendes: Das Hornberger Schießen wird gegenüber dem, was dabei herauskommt, eine Erfolgsstory sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Apropos Hornberger Schießen: Ich muss jetzt einmal Herrn Oettinger persönlich ansprechen. Herr Oettinger hat vorhin von dem schönen Begriff „Triple A“ gesprochen und hat in diesem Zusammenhang gesagt, Standard & Poor’s seien objektiver als die Reden von Herrn Drexler und von mir. Das mag schon sein. Aber wissen Sie eigentlich, dass Standard & Poor’s auch FlowTex geratet hat?

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Bebber SPD: Peinlich, peinlich!)

Wissen Sie weiter, dass FlowTex das gleiche Rating erhalten hat wie Daimler-Chrysler? Herzlichen Glückwunsch!

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Bebber SPD: Peinlich, peinlich!)

Um meine Ausführungen zum Thema Haushalt zusammenzufassen, meine Damen und Herren: Das, worüber wir hier verhandeln, ist also die Wüste, ein staubtrockener, ausgemosteter Haushalt. Aber die Rettung naht. Es gibt ja noch das „Sparkässle“ Landesstiftung. Je trockener der Haushalt wird, desto erfreulicher plätschern die Brunnen der „Oase“ Landesstiftung. Ja, man kann im Haushalt sogar noch mehr kürzen als üblich, weil man die Kürzungen über die Stiftung wieder auffangen kann.

(Abg. Zeller SPD: Man glaubt es nur!)

Meine Damen und Herren, die Landesstiftung erweist sich immer mehr als ein klassischer Schattenhaushalt. Schattenhaushalte – das muss uns hier alle interessieren – entziehen sich der parlamentarischen Kontrolle. Von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit keine Spur, von einem geregelten Beratungsverfahren natürlich ebenfalls nicht. Dabei entsteht eine ganz merkwürdige Vermischung zwischen Politik der Landesregierung und Projekten der Stiftung, eine Vermischung, die für die Öffentlichkeit nicht mehr durchschaubar ist.

Dieses Problem, meine Damen und Herren, teilt die Landesstiftung übrigens mit anderen Schattenhaushalten, die es ebenfalls gibt. Bei der Finanzierung von öffentlichen Vorhaben des Landes Baden-Württemberg – für Baumaßnahmen der LEG – sind inzwischen zusätzliche öffentliche Schulden in Höhe von fast 350 Millionen Euro aufgelaufen, für die das Land im Haushalt die Zinsen zu tragen hat. Hinzu kommt – damit schmücken Sie sich auch noch, das heften Sie sich auch noch ans Revers – mit dem neuen Sonderprogramm Straßenbau, das die Landesbank auflegt, ein weiterer Schattenhaushalt, wofür das Land die Vorfinanzierung – das heißt Zins und Tilgung – innerhalb der nächsten zehn Jahre zu erstatten hat.

Die Landesstiftung – das räume ich ein – hat zwar keine Schulden. Bei ihr kommt aber ein ganz anderes Problem hinzu, und dieses Problem ist gravierend.

Die Hypothek der so genannten steuerunschädlichen Konstruktion, auf die Sie am Anfang so stolz waren – nämlich dass alle Projekte der Zukunftsoffensive den strengen Kriterien der Gemeinnützigkeit genügen müssen, dass damit keine Landesaufgaben finanziert werden dürfen und dass diese Projekte auch noch neu sein müssen –, führt zu einem gravierenden, veritablen Problem, Herr Finanzminister. So, wie Sie sich hier letzte Woche bei diesem Punkt gewunden haben, so unwohl, wie Sie sich dabei gefühlt haben: Da haben Sie mir schon beinahe Leid getan.

Ich gebe zu: Das klingt jetzt ein bisschen besserwisserisch. Aber wir haben Sie tatsächlich seit zwei Jahren wiederholt gewarnt. Sie haben alle Warnungen in den Wind geschlagen. Dabei wird immer klarer, dass man diese Fehlkonstruktion hätte vermeiden können, wenn man mit der konkreten Veräußerung der EnBW-Anteile bis 2002 gewartet hätte. Dann wäre der Erlös steuerfrei gewesen, dann hätte man viele Schulden zurückzahlen können und mit den Zinserlösen jedes Jahr viel Sinnvolles machen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Aber nein!

(Beifall bei den Grünen)

Stattdessen wollte man – wie der Mittelständler, der Steuern sparen will und zum Steuerberater geht – einfach Steuern sparen auf Teufel komm raus. Aus dem großen Murks der Landesholding, den Späth angerichtet hatte, wird jetzt der noch größere Murks der Landesstiftung. Über die Gemeinnützigkeit jedes einzelnen Projekts entscheidet das Finanzministerium. Das heißt aber, konkret gesprochen, nichts anderes, als dass das Finanzministerium zum konzeptionellen Kern der Regierungsarbeit wird, weil bei der Frage der Gemeinnützigkeit über die Richtung des politischen Handelns entschieden wird, und das geht nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

250 Millionen DM, sagten Sie letzte Woche, sind dabei akut gefährdet, nicht als gemeinnützig anerkannt zu werden. Diese wollen Sie dann im Haushalt mitfinanzieren. „Prost, Mahlzeit!“ kann man da nur sagen.