Protocol of the Session on December 13, 2001

(Abg. Hoffmann CDU: Über Zusammenhänge, die nicht bestehen, kann man nicht debattieren!)

Was wir nicht verstehen, Herr Staatssekretär, ist, dass Sie zwei Jahre verstreichen lassen, 5 000 Einzeleingaben und 1 000 qualifizierte, umfassende Stellungnahmen abheften,

(Abg. Hoffmann CDU: Davon haben Sie keine ge- lesen!)

in die Schublade legen und uns einen Uraltentwurf präsentieren, an dem Sie seither nichts verändert haben. Warum eigentlich nicht? Warum haben Sie zwei Jahre nichts getan? Warum beschäftigen Sie uns mit modernem Antiquariat, anstatt den Landtag damit zu konfrontieren, was Sie denn aufgrund der Eingaben neu machen wollen?

(Beifall bei der SPD)

Oder können wir das so verstehen: „Piepegal, wer was sagt; wir machen unseren Plan, und der gilt!“?

(Abg. Hoffmann CDU: Ja, Gott sei Dank!)

Meine Damen und Herren, wir kommen deshalb zu dem Ergebnis – das ist Ziffer 1 unseres Antrags, den wir vorlegen –, dass die Regierung ihre Hausaufgabe nicht gemacht hat, dass die Regierung neu arbeiten muss und wir sie deshalb auffordern, den vorliegenden Entwurf des Landesentwicklungsplans wegen Unzulänglichkeit zurückzuziehen,

(Abg. Dr. Birk CDU: Das würde Ihnen so passen!)

ihn neu zu bearbeiten und dann einen neuen Entwurf vorzulegen, der den Ansprüchen gerecht wird und eine Debatte innerhalb und außerhalb des Parlaments über wichtige Zukunftsentwicklungen für Baden-Württemberg auslöst.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir sehen in dem vorgelegten Entwurf des Landesentwicklungsplans eine gute Grundlage für die weitere Entwicklung unseres Landes. Sie von der Opposition sehen dies anders.

(Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Interessant ist eigentlich nicht so sehr das Ergebnis, dass Sie es anders sehen; denn das entspricht sicherlich einem gewissen Rollenspiel, um nicht zu sagen Ritual. Viel interessanter ist meines Erachtens die Grundhaltung, die wohl doch zu einem etwas unterschiedlichen Ergebnis führt. Diese Grundhaltung, Herr Schmiedel, haben wir um 9:45 Uhr gerade noch rechtzeitig durch einen schriftlichen Antrag erfahren dürfen. Das, was Sie alles fordern, steht schon etwas in einem Missverhältnis zu der Geschwindigkeit, die Sie an den Tag legen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Mit heißer Nadel!)

Für die Opposition gilt – ich möchte das einfach ein bisschen überspitzt sagen, aber ich bin überzeugt, dass es im Kern zutrifft – für diesen Landesentwicklungsplan gewissermaßen das Motto: Viel hilft viel. Wir sehen es anders. Wir sagen: Weniger ist mehr.

Für die Opposition sollen Energiekonsens, Verwaltungsreform, Finanzierung, Clusterbildung, bis ins Einzelne gehende Daten und Kompetenzregelungen und fast schon jeder Fachplan Inhalte dieses Landesentwicklungsplans sein. Wir dagegen halten es für außerordentlich wichtig, dass sich dieser Landesentwicklungsplan in der Tat auf raumrelevante Grundaussagen beschränkt. Wir sehen sehr positiv, dass dieser Landesentwicklungsplan nur noch die Hälfte der Planansätze gegenüber den Planansätzen des alten Plans hat und auch in der Begründung gestrafft worden ist; denn wir wollen eines: Wir wollen keine Planungslyrik, wir wollen auch nicht einen Landesentwicklungsplan als Aktionsprogramm, wie Sie das offenbar vorhaben, sondern wir wollen einen Landesentwicklungsplan, der die Grundsätze und Ziele so genau setzt, dass sie auch wirklich verbindlich als Rahmen anwendbar sind. Wir wollen eben nicht, dass es – nach Bert Brecht – so geht: Plane immer nur, plane; dann mach noch einen zweiten Plan, gehen tun sie beide nicht.

(Abg. Heike Dederer GRÜNE: Gut zitiert!)

Der Landesentwicklungsplan steht übrigens auch nicht allein. Sie tun ja so, als ob alles in den Landesentwicklungsplan müsste. Jeder weiß, dass es darunter – Sie haben es vorhin gesagt – einen Regionalplan gibt, der wieder über die Bauleitplanungen weiter fortgeführt wird. Moderne Planung wird nicht einfach von oben übergestülpt, sondern da wird ein Rahmen gesetzt, der von unten nach oben ausgefüllt wird.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das ist das, was Sie immer wieder wortreich mit der Regionalisierung fordern. Hier im Land vertreten Sie ganz offenbar einen völlig konträren Standpunkt.

Es gibt noch weitere Unterschiede. Sie wollen – das haben Sie noch einmal ausdrücklich gesagt – eine völlig neue konzeptionelle, instrumentelle und politische Neubestimmung. Wir setzen in der Tat darauf, dass die bewährten Kernaussagen nicht aufgegeben, sondern weitergeführt werden. Sie waren im Übrigen auch recht erfolgreich. Nur dort, wo veränderte Bedingungen, ob das nun demographische Veränderungen sind oder auch Veränderungen in un

seren Wertvorstellungen, vorliegen, muss man in die Zukunft gerichtet allerdings auch konzeptionell in moderner Weise agieren.

Was ist neu? Neu ist der übergeordnete Rang einer nachhaltigen zukunftsfähigen Entwicklung. Neu ist die Hervorhebung der Teilräume des Landes und die regionale Zusammenarbeit und regionale Eigenentwicklung. Neu ist, dass man auch Flächenvorsorge für Schlüsseltechnologien hat. Neu ist die Einbindung des Landes in die transeuropäischen Netze und auch die Sicherung von preisgünstiger und – ich füge das hinzu, weil wir unnötigerweise im Ausschuss darüber diskutiert haben – umweltfreundlicher Energieversorgung.

Beibehalten worden ist das, meine Damen und Herren, was wir als die klassischen Planungsinstrumente hatten und haben, nämlich die zentralen Orte und die Entwicklungsachsen. Die werden fortgeschrieben. Unsere Fraktion hat Wert darauf gelegt, dass das in zurückhaltender Weise gemacht wird, und berücksichtigt, dass man nicht auf alle örtlichen Wünsche eingehen kann. Wir wollen im Land eine gleichmäßige und gleichwertige dezentrale Entwicklung haben. Das geht nur über ein starkes Netz von zentralen Orten; denn nur diese zentralen Orte, überall im Land verteilt, gewährleisten mit den Entwicklungsachsen, die das Gerüst geben, eine solche gleichwertige Entwicklung. Wenn Sie zentrale Orte inflationär ausweisen, werden Sie das Gegenteil von einer gleichwertigen dezentralen Entwicklung bekommen. Ich glaube, das sehen wahrscheinlich alle so.

Wir halten es auch für richtig, dass bei der Ansiedlung großflächiger Einzelbetriebe an zentralörtlichen Versorgungssystemen festgehalten wird, dass aber dort Ausnahmen gemacht werden können, wo die Siedlungsbereiche einfach zusammengewachsen sind. Auch Gemeindegrenzen entsprechen, jedenfalls in Verdichtungsräumen, nicht immer den tatsächlichen Anforderungen an die Lebensund Wirtschaftsverhältnisse. Auch Gemeindegrenzen sind dann nicht immer ganz sakrosankt. Deshalb halten wir es für sehr vernünftig, wenn das getan wird.

Die Ausweisung überregionaler bedeutsamer Landschaftsräume ist auch etwas Neues, was wir voll unterstützen. Ich kann und will das nicht alles vertiefen. Vielleicht gibt es in der zweiten Runde noch Punkte, auf die man eingehen kann.

Ich will einen ganz wichtigen Punkt herausgreifen, den alle Redner hier betont haben: die Teilräume des Landes, die Stärkung der regionalen Eigenkräfte. Das ist neu – und das ist richtig.

Der Entwurf des Landesentwicklungsplans zeigt ganz deutlich, dass die Lebens- und Wirtschaftsräume nicht mehr mit den Verwaltungsräumen – übrigens auch nicht mehr mit denen der Regionen – übereinstimmen. Beispiel Region Stuttgart: Dazu gehören im Verdichtungsraum eben auch Reutlingen, Tübingen und Heilbronn. Das ist ja ausdrücklich ausgewiesen.

Durch die Benennung – und da ist einiger Sprengstoff drin, machen wir es mal ganz ergebnisneutral – der die Regionen überschreitenden Verdichtungsräume wird die nicht mehr zeitgemäße Struktur der einzelnen Regionen und

auch der Landkreise im Landesentwicklungsplan geradezu anerkannt. Soll diese Aussage über die 15 Jahre Laufzeit des Landesentwicklungsplans gelten, kann man gar nicht anders, als über eine Verwaltungsreform die entsprechenden Konsequenzen daraus zu ziehen.

(Abg. Schmiedel SPD: Aber die Regierung nie!)

Nur, Herr Schmiedel, das alles gehört nicht in den Landesentwicklungsplan.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Was gehört denn dann hinein? Wollen Sie Mut machen?)

Ich kann es Ihnen sagen. Brauchen Sie Nachhilfe? Gerne! Das gehört zum Beispiel ins Landesplanungsgesetz, es gehört aber nicht in einen Landesentwicklungsplan, der die räumlichen Voraussetzungen schafft. Zum Beispiel gehört ins Landesplanungsgesetz alles, was aus dem Raumordnungsgesetz des Bundes zu übertragen ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Dazu haben Sie auch nicht den Mut!)

Nehmen wir doch einmal ein Beispiel: Sie stellen doch als Fraktionsvorsitzender im Verband Region Stuttgart, nachdem Sie hören, dass der Verdichtungsraum anders ist, auch nicht den Antrag, den Verband Region Stuttgart aufzulösen, sondern Sie versuchen daraus abzuleiten, dass man kooperative Formen mit den anderen Räumen entwickelt, und dafür gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten.

(Abg. Dr. Birk CDU: So ist es! – Abg. Schmiedel SPD: Aber dazu brauchen Sie nicht den Landes- entwicklungsplan!)

Wenn Sie das einmal so subsumieren, werden Sie sehen, dass das eindeutig so ist.

Wichtig, meine Damen und Herren, ist mir auch, dass man nicht nur die Metropolregion Stuttgart, die ja diesen Titel nicht von uns, sondern von der Ministerkonferenz bekommen hat, stärkt, sondern eben auch die Städtelandschaft am Oberrhein und das Rhein-Neckar-Dreieck genauso sieht. Das machen wir. Ob man, gewissermaßen dem badischen Element zuliebe, im 50. Jahr des Bestehens des Landes bei Stuttgart „Mitte des Landes“ streicht, ist mir Wurst, denn dass Stuttgart in der Mitte des Landes liegt, wissen wir alle. Also können wir das von mir aus auch weglassen.

(Abg. Blenke CDU: Die Mitte ist Tübingen!)

Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt zu sprechen kommen.

(Zuruf der Abg. Dr. Carmina Brenner CDU)

Also, die Mitte ist wahrscheinlich im Schwarzwald, Frau Brenner.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: In Tübingen!)

Oder in Tübingen! Okay, einigen wir uns auf Tübingen. Das ist geschenkt.

Der globale Wettbewerb, den wir haben, ein Europa der Regionen sowie das Subsidiaritätsprinzip, das in Europa

gilt, werden nicht nur zu einer Aufwertung der Bundesländer führen, wie wir hoffen, sondern mit Sicherheit auch zu einer Aufwertung der europäischen Metropolregionen, und dies wird von dort aus mit Sicherheit auch noch einiges bewegen. Nur wird das nicht im Landesentwicklungsplan geregelt, sondern in den gesetzlichen Ausführungsbestimmungen, in den Regionalplänen usw.

Wir stimmen jedenfalls gerne zu. 85 % der Beteiligten haben zugestimmt. Das ist kein schlechtes Ergebnis. Machen wir noch ein bisschen mehr daraus, und dann können wir es einigermaßen ertragen, wenn Sie nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)