Protocol of the Session on November 15, 2001

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! In der 3. Sitzung des Wahlprüfungsausschusses fand die mündliche Verhandlung des Wahleinspruchs von Professor Dr. Otto F. Hagena statt. Professor Hagena hat anhand weniger Berechnungen schlüssig nachgewiesen, dass das derzeitige Landtagswahlrecht sowohl den Regional- als auch den Parteienproporz verletzt. Übersetzt heißt dies, dass das derzeit geltende Wahlrecht ungerecht ist und den Wählerwillen verzerrt, meine Damen und Herren.

(Abg. Oettinger CDU: Wie? Was?)

Die Berechnungen von Professor Hagena wurden in der Sitzung weder vom Landeswahlleiter noch vom Vertreter des Innenministeriums angezweifelt,

(Abg. Oettinger CDU: Wer ist Hagena?)

noch konnten sie mathematisch, Herr Kollege Oettinger, widerlegt werden. Allein aus formalen Gründen, meine Damen und Herren, konnte der Wahlprüfungsausschuss dem Einspruch von Professor Hagena nicht stattgeben. Die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit und der Rechtsgültigkeit des Wahlgesetzes steht nach den einschlägigen Landesgesetzen weder dem Wahlprüfungsausschuss noch dem Landtag zu. Aus diesen Gründen kann auch der Landtag dem Einspruch nicht stattgeben. Mit der heutigen Entscheidung ist für Professor Hagena der Weg für eine Klage vor dem Staatsgerichtshof frei.

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass mich die Ausführungen des Landeswahlleiters zum Inhalt des Einspruchs von Professor Hagena schon verwundert haben. Dabei wurden Bewertungen in der Sache vorgenommen. Dies wäre angesichts der formalen Unzuständigkeit des Wahlprüfungsausschusses an dieser Stelle überhaupt nicht erforderlich gewesen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es war deshalb auch unnötig, meine Damen und Herren. Dies möchte ich hier kritisch anmerken. Die Darstellungen waren zum Teil unvollständig, zum Teil unrichtig, aber in jedem Fall einseitig. Hinzu kommt, dass in der heute vorliegenden Landtagsdrucksache auch noch die Stellungnahme des Landeswahlleiters nicht richtig wiedergegeben worden ist. Deshalb möchte ich hier die andere Seite darstellen.

Die FDP/DVP ist der Auffassung, dass das Landtagswahlrecht von Baden-Württemberg tatsächlich ungerecht ist. Die viermalige Anwendung des Auszählungsverfahrens nach d’Hondt führt zu nicht tolerierbaren Verzerrungen des Wählerwillens, meine Damen und Herren. Es gibt also gute Gründe, das über 25 Jahre alte Wahlrecht zu reformieren. Alle anderen Bundesländer, selbst das hier in diesem Saal oft gelobte Nachbarland Bayern, haben mittlerweile gerechtere Wahlrechtssysteme eingeführt.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Jetzt aber!)

Der Landtag von Baden-Württemberg wäre jederzeit in der Lage, ebenfalls ein gerechteres System einzuführen. Die Bereitschaft war jedoch nicht bei allen Fraktionen in gleichem Maß vorhanden.

(Heiterkeit)

Dies kann hier in aller Sachlichkeit festgestellt werden.

(Abg. Oelmayer GRÜNE: Wen meint er?)

Das hat die große Koalition nicht geschafft, Herr Kollege Fischer und Herr Kollege Birzele, und das hat diese Koalition jedenfalls bislang auch noch nicht geschafft, auch wenn man sich in der Koalitionsvereinbarung an sich eine Wahlrechtsreform vorgenommen hat.

Meine persönliche Hoffnung ist es, dass spätestens durch eine erfolgreiche Klage von Professor Hagena vor dem Staatsgerichtshof die Bereitschaft im Hause wächst, das Landtagswahlrecht auf eine moderne und gerechte Grundlage zu stellen, meine Damen und Herren. Schon heute,

Herr Kollege Oettinger, appelliere ich an die CDU als größte Fraktion im Landtag,

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das nützt nichts!)

die unerträglichen Verzerrungen und ungerechten Benachteiligungen ganzer Regionen Baden-Württembergs, vor allem Badens und Südwürttembergs, meine Damen und Herren,

(Zurufe: Oh! – Abg. Hauk CDU: Die Leute fühlen sich von mir gut vertreten!)

sowie der kleineren Parteien zu beseitigen. Dies wäre nicht nur eine Geste christlichen Großmuts, sondern nach unserer tiefen Überzeugung ein Gebot der verfassungsrechtlichen Chancengleichheit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Angesichts der Tatsache, dass uns, wie dargelegt, aus formalrechtlichen Gründen die Überprüfung des Wahlrechts gar nicht zusteht, stimmen wir schweren Herzens aus rein formalrechtlichen Gründen der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu, um damit den Weg für Professor Hagena für eine Klage vor dem Staatsgerichtshof frei zu machen, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Birzele, wir sind nicht der Auffassung, dass alles und jedes aus dem Parlament und den dafür zuständigen Ausschüssen in Kommissionen verlagert werden soll. Deshalb sind wir der Auffassung – wir sind froh, dass sich die CDU-Fraktion unserer Auffassung angeschlossen hat –,

(Heiterkeit)

dass dieser Antrag in den zuständigen Ausschuss verwiesen werden soll.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Pauli CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut! Ausge- zeichnet!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Der Redner stellt versehentlich das Rednerpult niedriger anstatt höher.)

Au, das war verkehrt herum.

(Abg. Seimetz CDU: Nicht so hoch, sonst sieht man Sie nicht mehr!)

Das reicht schon. Ich sehe nicht mehr so gut; sonst sehe ich mein Manuskript nicht.

Wir diskutieren jetzt zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode über die Änderung des Landtagswahlrechts. Anlass der heutigen Diskussion im Parlament ist das Ergebnis des Wahlprüfungsverfahrens. Elf Bürgerinnen bzw. Bürger ha

ben Einwände gegen die Landtagswahl vom 25. März 2001 schriftlich eingebracht,

(Abg. Oettinger CDU: Alles bekannt!)

manche ernsthaft, manche weniger ernsthaft, und im Zentrum stehen sicherlich,

(Abg. Pauli CDU: Wo sind die Grünen?)

Kollege Pauli, die Einwendungen, die das Mitglied der FDP, Herr Professor Hagena, an den Landtag gerichtet hat.

Ich räume ein – Herr Kollege Reinhart, als Berufskollege und Abgeordnetenkollege

(Abg. Dr. Reinhart CDU: Doppelkollege!)

kann ich Ihnen an dieser Stelle nur Recht geben –, dass der Landtag aus formalen Gründen, weil sich die Einwendungen natürlich im Kern auf die Rechtswidrigkeit oder Verfassungswidrigkeit des Wahlgesetzes beziehen, diesen Einwendungen nicht stattgeben kann, weil das Wahlprüfungsgesetz dafür keine Grundlage bietet. Es sind im Kern ja Einwendungen, die – und das möchte ich doch noch einmal erwähnen – am 18. Juli in diesem hohen Hause im Rahmen einer Debatte über das Landtagswahlrecht eine Rolle spielten. Dies geschah auf der Grundlage eines Antrags der SPD, der forderte, eine Kommission – gebildet aus den Fraktionen und Sachverständigen dieses Hauses – einzusetzen, die die vorgebrachten Einwendungen und Vorschläge prüfen und diskutieren solle.

Ich möchte einige wenige Einwendungen noch einmal nennen. Dazu zählt sicherlich, dass der Erfolgswert der einzelnen Stimmen im Regierungsbezirk Südwürttemberg im Vergleich zum Regierungsbezirk Stuttgart unterschiedlich ausfalle. Das steht außer Frage.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um mehr Ruhe bitten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Des Weiteren geht es darum, worüber man in diesem Hause eigentlich auch Konsens erzielen müsste, dass man die Zahl der Direktmandate beschränken oder absenken sollte, um auf der anderen Seite dann die Problematik der Überhangmandate und der so genannten Aufblähung des Parlaments zu verhindern.

(Abg. Oettinger CDU: Noch acht! Wir sind doch kleiner geworden!)

Insgesamt sind es acht bis zwölf Argumente, Kollege Oettinger, die gegen die derzeitige Fassung des Landtagswahlrechts vorgebracht wurden.

Kollege Oettinger, ich denke auch, dass es das höchste Gut eines Parlaments ist,